Gesellschaft, Sachbuch

Mit Liebe gegen Aids

Elton John beschreibt in »Love is the Cure« seine persönlichen Verluste und vergeblichen Hoffnungen und fordert mehr Menschlichkeit und Engagement im Kampf gegen Aids.

»Wenn die gesamte Forschung zum Stillstand käme und wir in unserem Verständnis des HI-Virus nicht einen einzigen Schritt weiterkämen, könnten wir die Seuche dennoch schon heute besiegen.« Zu diesem verblüffenden Fazit kommt der britische Popstar Sir Elton John in seinem ersten Buch LOVE IS THE CURE, einem unter die Haut gehenden Appell gegen die »traurige Übereinkunft der Gleichgültigkeit«, die bei dem Thema herrsche.

Elton John erzählt hier seine persönliche Geschichte, um Hoffnung zu machen. Denn nicht die Medizin ist schuld, dass noch immer fast 5.000 Menschen täglich an der Krankheit sterben, sondern Politik und Gesellschaft.

Zum ersten Mal erhebt Elton John als Autor seine Stimme; und dass er dies beim Thema Aids tut, ist nicht überraschen. Schon in den 1980er Jahren beteiligte er sich an Wohltätigkeitsprojekten zugunsten von Aids-Kranken und nachdem Anfang der 1990er seine Freunde Freddie Mercury und Ryan White gestorben waren, gründete er die Elton-John-Aids-Stiftung.

Love is the Cure
Elton John: LOVE IS THE CURE. Aus dem Englischen von Henning Dedekind und Heike Schlatterer. Hoffmann und Campe 2012. 222 Seiten. 19,90 Euro. Hier bestellen

Die Begegnung Elton Johns mit dem Teenager Ryan White ist der Ausgangspunkt seiner Geschichte. White infizierte sich Mitte der 1980er Jahre mit einer Bluttransfusion. Er erlebte massive Diskriminierung aufgrund seiner Aids-Erkrankung. Panische Eltern demonstrierten gegen seinen Schulbesuch, weil sie Angst hatten, allein die Anwesenheit eines Aids-Kranken würde eine Ansteckungsgefahr für ihre Kinder darstellen. Selbst im Wohnort sowie in der Kirchengemeinde wurden Ryan White und seine Familie isoliert. Sie mussten erleiden, was alle Aidskranken der 1980er Jahre erleiden mussten, nämlich begreifen, dass ihr Schicksal nicht von Interesse war.

Religiösen Fanatikern, die Aids als Gottesstrafe für Schwule bezeichneten, schenkten die Amerikaner damals mehr Gehör als all jenen, die aufklärten. Aids wurde zur Krankheit der Anderen, »der Schwulen, Junkies, Immigranten und all jener, über die man nicht gerne nachdenkt oder spricht.« Schon damals hätte man Aids eindämmen können, meint Elton John. Es hätte eines mutigen Eingreifens bedurft, einem Plan zur Bekämpfung der Krankheit. Aber dieser Plan kam nicht. Stattdessen blieben die politisch Verantwortlichen tatenlos. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert.

Elton John erzählt in LOVE IS THE CURE davon, wie er gemeinsam mit Elisabeth Taylor und Diana die Aufklärung in Sachen Aids vorantrieb, wie die politischen und gesellschaftlichen Kräfte immer wieder die Augen vor der Wahrheit verschlossen und wie diejenigen, die die Barmherzigkeit für sich reklamieren, den unbarmherzigsten Kurs einschlugen. Die katholische Kirche und ihre Haltung zu Kondomen werden von Elton John in seinem Buch immer wieder deutlich verurteilt. Der britische Popstar verbindet seine ganz persönliche Geschichte mit der der Immunschwächekrankheit. So werden nicht nur die Motive seines Engagements deutlich, sondern auch die zahlreichen gesellschaftlichen Fehler und politischen Versäumnisse, die zu mehr als 25 Millionen Aids-Toten geführt haben.

Aber es ist nicht zu spät, aktiv zu werden. Es mangelt weder an medizinisch-pharmakologischen Kenntnissen noch an Mitteln und Wegen, diese Kenntnisse weltweit zu streuen und Menschen aufzuklären. Die Frage der Gegenwart sei daher nicht, ob wir das Leben von Millionen Menschen retten können, sondern warum wir es uns nicht leisten wollen. Eine Frage der Menschlichkeit, die nachdenklich macht. Denn »an jedem Tag, den wir verstreichen lassen, verlieren wir Menschen und damit auch ein Stück unserer Menschlichkeit.«