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Wer wird König von Angoulême?

Beim Internationalen Comicfestival in Angoulême werden alljährlich nicht nur die besten Comics der vergangenen Saison gekürt, sondern auch Comickünstler für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet. Drei Wochen vor dem 41. Festival stehen die 25 Nominierten für den »Großen Preis der Stadt Angoulême« fest. Die Liste reicht von B wie Blain bis W wie Watterson.

Die Neunte Kunst ist in Frankreich wie in kaum einem anderen Land Europas tief in den Genen der Nation verankert. Während man in Deutschland zuweilen noch irritiert belächelt wird, wenn man sich als Comicleser zu erkennen gibt, ist es in Frankreich genau anders herum. Einen bedauernswerten Blick ernten all jene, die den Zauber der »Bandes Dessinées« nicht erkennen.

Am 30. Januar öffnet Europas wichtigstes Comicfestival im französischen Angoulême zum 41. Mal seine Türen. Hunderttausende »Bédéphiles« werden vier Tage lang in die kleine südwestfranzösische Stadt in der Cognac-Region pilgern und sie zum europäischen Mekka der Comickultur machen.

In Angoulême werden alljährlich Europas wichtigste Comicpreise vergeben. Neben den besten Comics der Saison ­– u. a. werden das beste Album, das beste Debüt, die beste Serie, der beste Krimicomic, der beste Jugendcomic oder die beste Neuauflage eines Klassikers ausgezeichnet – wird in der französischen Kleinstadt auch ein noch aktiver Comickünstler mit dem »Großen Preis der Stadt Angoulême« für sein Gesamtwerk und dessen Bedeutung in der Neunten Kunst geehrt. Der Träger des »Großen Preises« sitzt im folgenden Jahr der Jury des Festivals vor, die über die besten Comics der Saison entscheidet.

In der Reihe der bisherigen Preisträger folgt ein großer Name dem nächsten. Will Eisner, Moebius, Jacques Tardi, Enki Bilal, Hugo Pratt, Gotlib, Robert Crumb, Albert Uderzo, Joann Sfar und Lewis Trondheim sind nur einige der ehemaligen Juryvorsitzenden. In den vergangenen Jahren saßen Jean-Claude Denis, Art Spiegelman und Baru der Jury vor. In diesem Jahr wird eine Jury unter dem niederländischen Zeichner Willem über die Preise bestimmen.

Nachdem vor wenigen Wochen die nominierten Comics für die Preise in Angoulême vorgestellt wurden, ist nun die Nominiertenliste für den »Großen Preis von Angoulême« bekannt gegeben worden, der zu renommiertesten Comicpreisen weltweit gehört. Demzufolge sind nach einer Abstimmung unter professionellen Comickünstler insgesamt 25 Zeichner im Rennen um den Titel des Königs von Angoulême. Dies sind nach alphabetischer Reihenfolge:

  • Christian Binet, der Autor der französischen Erfolgsserie Les Bidochons
  • Christophe Blain, der mit Quai d’Orsay im letzten Jahr den Preis für das beste Album gewann (bei Reprodukt)
  • Charles Burns, mehrfacher Harvey-Preisträger und Autor von Black Hole (bei Reprodukt)
  • Pierre Christin, französischer Szenarist und als solcher verantwortlich für verschiedene Science-Fiction-Serien wie Legenden der Gegenwart und einige Politthriller. Gewinner des Max-und-Moritz-Preises 1996 und Auszeichnung für das Lebenswerk 2010 (bei Ehapa und Carlsen)
  • Daniel Clowes, Autor von Der Todesstrahl, Wilson und Ghost World mehrfacher Harvey- und Eisner-Preisträger aus den USA (bei Reprodukt)
  • Richard Corben, US-amerikanischer Underground- und Horrorcomic-Zeichner, Zeichner für das Horror-Magazin Creepy und Mitautor von Hellboy (Splitter & Cross Cult)
  • Bernard Cosey, Schweizer Comiczeichner und mehrfacher Preisträger in Angoulême und Gewinner des Max-und-Moritz-Preises 1988. Zeichner der Jonathan-Serie und Autor von Auf der Suche nach Peter Pan (Salleck Publications & Cross Cult)
  • Étienne Davodeau, französischer Comicautor und 2006 doppelter Angoulême-Gewinner. Zuletzt erschien Lulu, Die nackte Frau und Die Ignoranten (Splitter Verlag & Egmont)
  • Nicolas de Crécy, französischer Comicautor, Gewinner des Max-und-Moritz-Preises 1994 und Angoulême-Preisträger 1998. Autor von Foligatto und Prosopopus (Egmont & Reprodukt)
  • Édika, französischer Underground-Comiczeichner, dessen Geschichten stilistisch an Brösels späte Werner-Comics erinnern. Autor von Absurdomanibilität und Bis zur Schmerzgrenze (Edition Kunst der Comics & Carlsen)
  • Emmanuel Guibert, französischer Comiczeichner und zeichnender Tausendsassa. Autor von Der Fotograf, Reisen zu den Roma, Alans Krieg und der Kinderserie Ariol (bei Edition Moderne & Reprodukt)
  • Hermann, belgischer Comiczeichner und Autor der Serien Comanche und Andy Morgan (bei Kult Editionen)
  • Alejandro Jodorowsky, chilenischer Surrealist und Filmemacher, Angoulême-Gewinner 1996 und Autor von Lust & Glaube (bei Ehapa, Splitter, Schreiber & Leser)
  • Manu Larcenet, französischer Comicautor und Angoulême-Gewinner 2004. Autor von Blast, Der Alltägliche Kampf und Die Rückkehr aufs Land (bei Reprodukt)
  • Milo Manara, italienischer Sex-Comic-Klassiker aus den 1980er Jahren, Träger von jeweils einem Harvey- und Eisner-Award, Autor von Click und El Gaucho (Werkausgabe bei Panini)
  • Lorenzo Mattotti, italienischer Comiczeichner, Träger des Eisner-Awards und mehrfacher Gewinner des Max-und-Moritz-Preises (u. a. für ein herausragendes Lebenswerk). Autor von Feuer, Der Mann am Fenster und Hänsel und Gretel (bei Carlsen, Schreiber & Leser, Alpha-Comics)
  • Alan Moore, britischer Comicautor und Angoulême-Preisträger 2001. Batman-Zeichner und Autor von From Hell, V wie Vendetta, The League of Extraordinary Gentleman und Lost Girls (bei Cross Cult & Panini)
  • Katsuhiro Otomo, japanischer Manga-Zeichner und mehrfacher Eisner-Award-Träger. Autor der über 2.000 Seiten zählenden Serie Akira (bei Carlsen)
  • Quino, argentinischer Cartoonist und Max-und-Moritz-Preisträger 1988. Autor der Serie Mafalda (bei Boiselle und Löhmann)
  • Marjane Satrapi, iranisch-französische Comicautorin und Filmemacherin sowie mehrfache Preisträgerin in Angoulême. Autorin von Persepolis, Huhn mit Pflaumen und Sticheleien (bei Edition Moderne)
  • Joann Sfar, französischer Comicautor, mehrfacher Angoulême-Preisträger, Max-und-Moritz-Preis-Gewinner 2004 sowie anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Festivals bereits einmal mit dem »Großen Preis von Angoulême« ausgezeichnet. Regisseur und Drehbuchautor von Gainsbourg – Der Mann der die Frauen liebte. Autor von Die Katze des Rabbiners, Donjon und Klezmer (bei Reprodukt)
  • Jiro Taniguchi, japanischer Manga-Autor und Preisträger in Angoulême sowie Max-und-Moritz-Preisträger. Autor von Vertraute Fremde, Der spazierende Mann und Die Sicht der Dinge (Carlsen und Schreiber & Leser)
  • Jean Van Hamme, belgischer Comicautor und Szenarist der in Frankreich enorm erfolgreichen Serien XIII und Largo Winch (bei Schreiber & Leser)
  • Chris Ware, US-amerikanischer Comicautor, mehrfacher Eisner- und Harvey-Award-Preisträger sowie Angoulême-Gewinner 2003. Autor von Jimmy Corrigan – Der klügste Junge der Welt und Building Stories (bei Reprodukt)
  • Bill Watterson, US-amerikanischer Comicautor und Vater von Calvin & Hobbes. Mehrfach mit dem Eisner- und Harvey-Award ausgezeichnet, Träger des Max-und-Moritz-Preises (Werkausgabe bei Carlsen)

Diese Liste liest sich zwar einerseits wie ein Who is Who der Comicszene. Klassiker und aktueller Comicgrößen aus Europa, den USA und Japan reihen sich aneinander. Andererseits aber ist sie zum Großteil auch eine Wiederholung aus dem vergangenen Jahr. Mit Pierre Christin, Cosey, Nicolas de Crécy, Hermann, Manu Larcenet, Lorenzo Mattotti, Alan Moore, Katsuhiro Otomo, Marjane Satrapi, Joann Sfar, Jirô Taniguchi, Jean Van Hamme und Chris Ware kommen allein dreizehn Autoren aus der Auswahl im vergangenen Jahr. Einzig Posy Simmonds, Akira Toriyama und der Jurypräsident Willem fehlen anno 2014.

Spannend wird sein, ob sich erstmals ein Manga-Zeichner durchsetzen und 2015 der Jury vorstehen wird. Seit Jahren wird in Frankreich und international vehement kritisiert, dass die asiatische Comickultur in Angoulême stiefmütterlich behandelt wird. Auch die deutlich schlechtere Repräsentanz von Frauen unter den Nominierungen gehört seit Jahren zur Hauptkritik an der Auswahl für den »Großen Preis«. Auch in diesem Jahr wird diese nicht verstummen, denn mit Marjane Satrapi ist diesmal sogar nur eine weibliche Comic-Schaffende nominiert.

Trotz aller Kritik: Alle Augen der Comicszene werden sich auf die Abschlussveranstaltung des Festivals am Sonntag, den 2. Februar 2014 ab 16 Uhr richten, in deren Rahmen die Autoren der besten Alben sowie der Gewinner des »Großen Preises der Stadt Angoulême« bekannt gegeben werden.

Website des Festivals: www.bdangouleme.com

9 Kommentare

  1. […] gewöhnlich deshalb, weil der letztjährige Gewinner des Großen Preises, der amerikanische Zeichner Bill Watterson, bereits nach der Bekanntgabe seiner Ehrung erklärte, dass er selbst nicht kommen und damit auch […]

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