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»Wir müssen unbedingt weiterlachen«

Bei dem schrecklichen Attentat auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« sind zwölf Menschen ums Leben gekommen, darunter die Spitze der politischen Satire in Frankreich. Ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit, auf den viele Autoren und Karikaturisten mit Erschrecken, Trauer und Trotz reagiert haben. 

Der ehemalige Herausgeber von Charlie Hebdo Philippe Val sagte in einem Interview auf France Inter mit gebrochener Stimme: »Mir geht es sehr schlecht, aber das ist normal, oder? Ich habe heute all meine Freunde verloren. Sie waren so wunderbar lebensfrohe Menschen, die eine große Freude daran hatten, Menschen eine Freude zu machen und zum Lachen zu bringen… Sie waren zweifelsohne die Besten unter uns… Das waren keine bösartigen Menschen, sie wollten einfach nur fröhlich leben und dem Humor einen Platz in unser aller Leben geben. Nur darum ging es und genau das wurde heute umgebracht.«

Val übte in seinem bewegenden Statement (hier im Transkript) auch Kritik an den Medien. »Die Medien waren in den vergangenen Jahren nicht immer auf der Höhe, haben diese Radikalisierung nicht immer mit dem nötigen Ernst betrachtet.« Auch die Sorgen und Nöte der Muslime in Frankreich, die die politische Radikalisierung in Bedrängnis gebracht habe, seien nicht ausreichend besprochen worden. »Wir haben getan, was wir konnten. Wir, das waren nicht viele. Aber heute bin ich ganz allein. All meine Freunde sind gegangen. Nicht für eine schlechte Sache, aber wie soll man damit leben? … Was passiert ist, ist schrecklich. Es gibt ein Davor und es gibt ein Danach, aber unser Land wird nicht mehr das gleiche sein.« Nun seien alle Menschen in Frankreich gefragt, damit keine Stille einkehre. Der Terror dürfe nicht die Freude am Leben, die Meinungsfreiheit und die Demokratie in Frage stellen, denn genau das stehe nun auf dem Spiel. »Wir müssen unbedingt weiterlachen, auch wenn es heute sehr schwer ist.«

Den Gedanken hatten heute auch Schriftsteller weltweit, die auf die Ereignisse in Paris reagierten. Einer davon war Saša Stanišić, der angesichts dieses Gewaltausbruchs, wie viele andere heute, eine Karikatur von Michael Shaw aus dem Jahr 2006 in Erinnerung rief.

Der habilitierte Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani forderte in einer Stellungnahme dazu auf, sich von den Terroristen nicht einschüchtern zu lassen. »Das ist nicht nur ein Anschlag auf eine Zeitschrift und auch nicht nur auf die Kunst. Das ist ein Anschlag auf ein Europa, das den Menschen ungeachtet ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung Würde, Freiheit und gleiche Rechte zuspricht – auch und zumal den Muslimen. Tun wir, was den Tätern am meisten missfällt und den Opfern am meisten entspricht: Bleiben wir frei.«

Charlie-Hebdo

Der indisch-britische Booker-Prize-Träger Salman Rushdie, der nach der Veröffentlichung seines Romans Die satanischen Verse jahrelang von einer Fatwa bedroht wurde und zuweilen immer noch Personenschutz in Anspruch nehmen muss, sagte als Vorsitzender der britischen Schriftstellervereinigung PEN: »Ich stehe an der Seite von Charlie Hebdo, wie wir nun alle dazu aufgefordert sind, um die Kunst der Satire, die schon immer bedeutend im Kampf für Freiheit und gegen Tyrannei, Unehrlichkeit und Dummheit war, zu verteidigen. Der „Respekt vor der Religion” ist zu einer Metapher für die “Angst vor der Religion” geworden. Aber Religionen verdienen, wie auch alle anderen Ideen, Kritik, Satire, und, ja, unsere furchtlose Missachtung.« Rushdie gehörte 2006 zu den Initiatoren eines Manifests gegen den Islamismus, das in Charlie Hebdo erstveröffentlicht wurde. Bei dem Angriff auf das Satiremagazin wurde Frankreichs Speerspitze der politischen Karikatur hingerichtet. Die provokante zeichnerische Stellungnahme zu gesellschaftlichen Ereignissen ist in Frankreich gute Tradition, nicht nur bei Charlie Hebdo, sondern auch beim Journal Le Canard Enchainé. Bissige Kommentare auf politische Dispute und soziale Missstände haben von der Onlineplattform über die Printmedien bis in die Buchhandlungen hinein ihren festen Platz im Comicland Frankreich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Karikaturisten und Comiczeichner aus aller Welt auf die Ereignisse in Paris reagierten. Zeichner Mathieu Sapin teilte über Twitter mit, dass andere Charlie-Hebdo-Zeichner, darunter auch Riad Sattouf die Attacke unbeschadet überlebt haben.

Sattouf selbst, dessen filmische Islamsatire Jacky im Königreich der Frauen (zum Trailer) im Februar in die deutschen Kinos und dessen neuer Comic Der Super-Araber im März in den Buchhandel kommt, bestätigte dies inzwischen via Twitter. 

Viele Künstler bekundeten über die sozialen Medien ihre Trauer, Solidarität, Empörung und ihren Trotz. In Frankreich veröffentlichte Joann Sfar auf seinem Instagram-Profil (wo er sich häufig zu politischen Ereignissen äußert) vier Skizzen. Neben einer unkommentierten Notiz mit den Namen der erschossenen Zeichner Cabu, Wolinski, Charb und Tignous lässt der bekennende Agnostiker seine Katze des Rabbiners sprechen: »Wenn Gott existiert, tötet er nicht für eine Zeichnung.«

 

Si Dieu existe, il ne tue pas pour un dessin. Una foto pubblicata da Joann Sfar (@joannsfar) in data:

 

Cabu Wolinski Charb Tignous Una foto publicada por Joann Sfar (@joannsfar) el

Lewis Trondheim hat einen Strip mit dem Titel »Äh, ich habe da eine Idee, Herr Obama« gezeichnet. Darin beklagt ein Dschihadist, dass die westlichen Staaten dazu übergegangen seien, die islamistischen Märtyrer mit einem Stück Schweinefleisch im Mund zu begraben. Nun fänden sich keine Märtyrer mehr, weil ihnen nach den muslimischen Regeln der Zugang zum Paradies mit den 72 Jungfrauen versperrt bliebe, wenn es ihnen genauso erginge. Renommierte Comiczeichner wie Felix Görmann alias Flix oder Bastien Vives forderten im Sinne von Philippe Val unter dem Solidaritäts-Hashtag #JeSuisCharlie dazu auf, nicht klein beizugeben und weiter zu zeichnen.

Dem kamen Comickünstler wie David Pope, Mana Neyestani, Flix, Ruben Oppenheimer, Joep Bertrams, Marion Barraud, Martin Vidberg, Guillaume Long, Sarah Burrini und Plantu nach und drückten ihre Gedanken und Gefühle in kleinen Kunstwerken aus.  

— Ruben L. Oppenheimer (@RLOppenheimer) 7. Januar 2015

 

 

#charliehebdo

 

Une photo publiée par Guillaume Long (@0c0abam) le

Diese Werke (darüber hinausgehende finden sie hier und hier) sprechen für sich. Andere Karikaturisten wie Christoph Niemann erinnerten an die Karikaturen von Charlie Hebdo selbst.

Viele betteten auch wie Yves Balak die Fotos der erschossenen Karikaturisten in ihre Timeline ein

Mit Charlie Hebdo ist die gesamte französische Comicszene getroffen. In drei Wochen beginnt Frankreichs wichtigstes Comicfestival in Angouleme, inwiefern der Mord an den Zeichnern dort noch einmal aufgegriffen wird, lässt sich noch nicht sagen, überschatten werden die Ereignisse das Festival allemal. Die Festivalleitung reagierte bereits auf das Attentat und gab eine Solidaritätsadresse ab. »Die Zeichnung ist für die Ewigkeit, und die Zeichner von Charlie Hebdo werden genauso ewig in unseren Herzen sein«, heißt es darin.

Auf seiner Facebook-Seite hat das Comicfestival ein Ehrenalbum eingerichtet, zu dem grafische Beiträge eingereicht werden können. Andernorts hat sich die Solidaritätsgemeinschaft Drawers for Charlie Hebdo gegründet, auf der ebenfalls Zeichnungen und Karikaturen zu den Ereignissen in Paris gesammelt werden. Das letzte Wort an dieser Stelle aber soll Charlie Hebdo selbst haben:

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