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Eine Rose für die Filmleute

Dem iranischen Regisseur Jafar Panahi ist es einmal mehr gelungen, heimlich einen Film zu drehen und ihn außer Landes zu schaffen. »Taxi« ist das Porträt einer Gesellschaft im ständigen Ausnahmezustand und eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Möglichkeiten.

Bei dem iranischen Regisseur Jafar Panahi, der mit seinem Film Taxi zum dritten Mal bei der Berlinale zu Gast ist, geht es inzwischen kaum mehr um die Qualität seiner Filme, sondern vielmehr darum, dass er, mit Berufsverbot und Hausarrest belegt, überhaupt noch Filme dreht. Und dafür hat er sich einiges einfallen lassen. Entweder er bezeichnet seine Filme einfach nicht als Film (Dies ist kein Film), oder er schließt sich mit seiner Crew in ein Strandhaus ein und verarbeitet die iranische Wirklichkeit in einem Kammerspiel (Closed Curtain). Für Closed Curtain erhielt er 2013 den Silbernen Bären für das beste Drehbuch, 2006 gewann er bereits mit Offside einen Silbernen Bären.

Für seinen diesjährigen Wettbewerbsbeitrag hat er sich als Fahrer in ein Taxi gesetzt und eine kleine schwenkbare Kamera – eine »Alarmanlage«, wie es zu Beginn ironisch heißt – auf dem Armaturenbrett installiert. So konnte er sowohl die Begegnungen und Gespräche in seinem Taxi als auch die Geschehnisse vor der Frontscheibe einfangen. Auch dies ist als Kammerspiel inszeniert, nur dass diese Kammer rollende Füße hat. Natürlich ist das Ganze inszeniert, was den appellatorischen Charakter dieses Films nur mehr steigert. Panahi lässt hier die Probleme der iranischen Gesellschaft in etwas mehr als 80 Minuten diskutieren.

Zu Beginn sieht man, wie eine Minute lang das alltägliche Leben in Teheran an der Windschutzscheibe eines an einer Ampel wartenden Taxis vorüberzieht. Dann steigen ein Mann und eine Frau ein, die miteinander zu streiten beginnen. Der Mann fordert angesichts der allgegenwärtigen Kriminalität, dass einfach mal ein paar Diebe gehängt werden sollten, um als abschreckende Beispiele zu dienen. Die Frau empört sich und entgegnet, dass davon doch nichts besser werde und es Umstände gebe, in denen Menschen aus Alternativlosigkeit zu Verbrechern werden. Während der Diskussion klingt die Schieflage im Verhältnis zwischen Männern und Frauen im Iran an. Am Ende stellt sich heraus, dass der Verfechter der vorauseilenden Todesstrafe selbst ein Straßenräuber ist.

Danach steigt ein kleiner, untersetzter Geschäftsmann ein. Er könnte der Hofnarr in diesem Film sein, und ein wenig hat er auch diese Rolle. Er hält sich für einen Diener der Künste, mit den illegalen Filmkopien, die er unter der Hand vertickt, leistet er ihr aber einen Bärendienst. Dann folgen zwei verrückte Frauen, die ihr Leben von zwei Goldfischen abhängig machen und den immer freundlichen Regisseur und Fahrer verrückt machen. Es sind solche Absurditäten, die Panahi einfängt und die seine Filme ausmachen. Wie bei Kafka schwingt dabei etwas Bitteres, aber auch Komisches mit. Satire nennt sich diese Kunst, die uns über die grausamsten Wirklichkeiten immer noch lachen lässt.

Bis zu diesem Zeitpunkt ist »Taxi« ein Porträt der irgendwie verrückten iranischen Gesellschaft, in den verbleibenden 40 Minuten wird der Film eine Reflexion über die eigenen Möglichkeiten als Künstler im Iran. Die Mittel, die Panahi hier zur Inszenierung dieses wichtigen Thema einsetzt, sind ebenso einfach wie genial. Er holt seine Nichte aus der Schule ab, die sich mit ihm im Auto über ein Schulprojekt unterhält. Sie soll einen »zeigbaren« Film machen, der die strengen Vorgaben des iranischen Staats einhält. Gesellschaftliche Probleme darf er nicht zeigen, die islamischen Regeln muss er beachten und Beziehungen zwischen Männern und Frauen sind tabu. Nach einigen weiteren Verboten und Vorgaben stellt Panahis Nichte enttäuscht fest, dass alles, was sie jetzt noch filmen könne, nichts mehr mit der Wahrheit zu tun hätte. Und weil es im richtigen Leben manchmal wie im Film ist, muss man deshalb solch »unzeigbare Filme« wie Taxi sehen, will man etwas über die innere Verfasstheit des Iran erfahren.

Am Ende liegt »eine Rose für die Filmleute« auf der Ablage des Autos, in das zwei Geheimdienstler einbrechen, um die Kamera zu entwenden. Die Speicherkarte jedoch bekommen sie nicht.

Was sonst noch so lief, erfahren Sie auf Seite 2

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