Film

Auf der Suche nach dem Ich

Der vietnamesische Regisseur Phang Dang Di führt in seinem Film Big Father, Small Father and Other Stories die gesellschaftliche Situation in Vietnam Ende der 1990er Jahre vor Augen. Vietnam war damals von der Asienkrise hart betroffen, viele junge Menschen waren arbeitslos und ohne Perspektive. Die Kamera begleitet eine Gruppe verspielter Jugendlicher, vorwiegend junge Männer, auf der Suche nach sich selbst.

Vu (Le Cong Huang) will eines Tages Fotograf werden, er verkörpert das Alter Ego des Regisseurs, der die Welt, die ihn umgibt, mit seiner Kamera festhält. Er verliebt sich in seinen besten Freund Thang (Truong The Vinh), der in einem Nachtclub an der Bar arbeitet und sich mit Drogengeschäften etwas dazuverdient. Er versorgt mit seinem Stoff auch Van (Do Thi Hai Yen), die von einer Karriere als Ballerina träumt und sich mit einem Job als verführerische femme fatale in dem Nachtclub über Wasser hält. Zu dem Freundeskreis gehören auch das Geschwisterpaar Mai und Huong, die sich damit verdienen, auf der Straße Süßigkeiten zu verkaufen. Eines nachts werden Mai und Huong überfallen. Die Freunde springen ihnen zur Seite, es kommt zu einer brutalen Schlägerei. Die Gruppe flieht zum Hausboot von Vus Vater am Rande Saigons, wo dieser Vu seine künftige Ehefrau vorstellt. Doch statt Vu hat Thrang ein Auge auf sie geworfen.

Phan Dang Di: Cha-và-con-và | © DNY PRODUCTIONS
Phan Dang Di: Cha-và-con-và | © DNY PRODUCTIONS

Vieles spielt auf oder am Wasser, Phang Dang Dis Bilder erinnern in diesen Szenen an die Zukunftsvision Nuóc/2030 des vietnamesischen Filmemachers Minh Nguyen-Vo, die im vergangenen Jahr auf der Berlinale lief. Sie zeigte das Land nach der Klimakatastrophe. Die Menschen lebten in dem Film auf schwimmenden Häusern, am Horizont schimmerte einenunerreichbare Großstadt. Diese Großstadt gibt es auch bei Phang Dang Di, in allen Fällen ist es Saigon.

Phang zeigt den vietnamesischen Alltag ohne ihn zu beschönigen. Drogen, Alkohol, Prügeleien und Armut sind Sujets, die er direkt einbaut, von der Bedrohung der natürlichen Grundlagen erzählt er metaphorisch durch kraftvoll-organische Naturaufnahmen. Er führt das Gefangensein der jüngeren Generation zwischen Moderne und Tradition vor Augen, zwischen nicht mehr jung und naiv und noch nicht erwachsen und erfahren. Eine Nebenrolle spielt die Sterilisationskampagne der vietnamesischen Regierung Ende der Neunziger Jahre, die die vietnamesische Regierung durchführte, um der grassierenden Armut mit dem Eindämmen des Bevölkerungswachstums zu begegnen.

Spannend ist in diesem Film vor allem aufgrund der behutsamen Gegenüberstellung von sich verändernden Männer- und Frauenrollen in der vietnamesischen Gesellschaft. Dass die Demografie hier am männlichen und nicht am weiblichen Körper verhandelt wird, ist ein Aspekt davon. Es geht aber vor allem darum, wie die einzelnen Personen in dieser Gesellschaft ihre vorgesehene Rolle spielen oder aus dieser ausbrechen. Männer haben oftmals das Gefühl, dass sie über das Leben der Frauen bestimmen, aber in diesem Film treffen die Frauen die wichtigen Entscheidungen.

4 Kommentare

  1. […] die herausfordernde Rolle aus. Sowohl Rohrwacher, die bereits für Bispuris Berlinale-Debüt Sworn Virgin vor der Kamera gestanden hat, als auch Golino spielen ihre Rollen mit großer Kraft und […]

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