Film

Rasante Räuberpistolen

Der chinesische Regisseur Jiang Wen stellt mit »Gone with the Bullets« einen glitzernde Gangsteroperette vor, der Japaner Sabu schließt mit seinem überirdischen Roadmovie »Chasuke’s Journey« den Wettbewerb ab.

2014 stand die Berlinale ganz unter einem chinesischen Stern. Der Thriller Black Coal, Thin Ice von Bai Ri Yan Huo gewann den Goldenen Bären, der Hauptdarsteller in dem Film Liao Fan den Bären für den besten männlichen Act. Der zweite chinesische Film Blind Massage erhielt ebenfalls einen Bären für die beste künstlerische Leistung, und der rasante Sinowestern No Man’s Land begeisterte das Publikum.

In diesem Jahr ist China hingegen nur mit einem Film vertreten, und so ganz weiß man nicht, was man von Jiang Wens grellbunter Operette Gone with the Bullets halten soll. Der Chinese macht es einem aber auch nicht leicht. Die Handlung – der Betrüger Ma Zouri (Jiang Wen) macht gemeinsame Sache mit dem Polizisten Xiang Feitan (Ge You) und waschen bei einem Schönheitswettbewerb Geld – ist innwirre Einzelinszenierungen aufgeteilt, die hintereinander gelegt wurden, ohne aber wirklich zu erhellen.

Nur soviel wird klar: bei dem Wettbewerb, bei dem aus 70 Nationen die »Präsidentin der Escort Nation« gefunden werden soll, gewinnt Ma Zouris Geliebte Wanyan Ying (Shu Qi). Ying verspricht ihren Wählern das Blaue vom Himmel herunter, umso tragischer, als das Paar im Opiumrausch verunglückt und Ying ums Leben kommt. Feitan verspricht nun, seinen Freund Zouri als Mörder dingfest zu machen. Und die Jagd beginnt.

Jiang Wen, der mit seiner düsteren Komödie Devils in the Doorstep 2000 den Großen Preis in Cannes gewann, führt dieses Melodram in üppigen Dekors als Unterhaltungsshow auf. Ma Zouri wird sogar an der Verfilmung seiner Lebensgeschichte teilnehmen, bei der der Tod Yings als grausame Tat inszeniert wird. Das Ganze versetzt er mit zahlreichen Anspielungen auf die Roaring Twenties, die traditionelle chinesische Oper sowie den ersten chinesischen Tonfilm, der bis heute als verschollen gilt. Mit rasanten Dialogen, opulentem Dekor und schnellen Schnitten ist diese Gangsterkomödie ein amüsanter Augenschmaus, bei dem die Handlung allerdings zwischen den Ebenen der Erzählung etwas untergeht.

Sabu : Ten no chasuke | © BANDAI VISUAL, SHOCHIKU AND OFFICE KITANO
Sabu : Ten no chasuke | © BANDAI VISUAL, SHOCHIKU AND OFFICE KITANO

Das Bewahren einer konsistenten Erzählung ist dem japanischen Regisseur Sabu besser gelungen. In seiner himmlischen Farce Chasuke’s Journey erzählt er die Welt als Werk engelsgleicher Schriftsteller, die die menschlichen Schicksale als Drehbücher verfassen. Chasuke ist ein Diener der göttlichen Autoren, serviert Tee und hilft im Zweifel mit »avantgardistischen« Ideen aus.

Eine solche wird ihm auch zum Verhängnis, da sein Vorschlag dazu führt, dass das Leben der schönen Yuri zu einem schnelleren Ende zu führen droht, als in der konventionellen Geschichte vorgesehen. Ihr Tod kann nur verhindert werden, wenn Chasuke vom Himmel herabsteigt und in die Schicksalsbücher eingreift. Der Autor von Chasuke’s Drehbuch unterstützt ihn dabei.

Dabei macht es sich Chasuke auf der Erde aber nicht einfach, da er, statt sich auf seine Mission zu konzentrieren, beginnt, seine himmlischen Kräfte dafür einzusetzen, die den Menschen zugeschrieben Schicksalsschläge auszumerzen. Er macht Blinde wieder sehend, Taube hörend und lässt Gelähmte wieder gehen. Ganz nebenbei legt er sich noch mit einer Yakuza-Gang an, die in der nicht weiter benannten Stadt die Unterwelt dominiert. Dabei wird seine eigene Vergangenheit geweckt und zu seiner überirdischen Geschichte fügt sich noch eine ganz weltliche Biografie.

Das Eingreifen in die göttliche Ordnung ist grundsätzlich nicht vorgesehen, weshalb sich Chasuke und sein göttlicher Schreiberling den Ärger der gesamten Schicksalslegionen zuziehen. Diese schreiben in die Drehbücher ihrer Schützlinge diverse Hürden für Chasuke hinein, so dass er sich bald nicht nur mit seinen irdischen Feinden konfrontiert sieht, sondern auch mit den Götterboten.

Sabu, der seit den späten neunziger Jahren immer wieder auf der Berlinale vertreten ist, hat den Wettbewerb um die Bären mit einem satirischen Roadmovie zwischen Himmel und Erde abgeschlossen, der mit witzigen Dialogen und abenteuerlichen Wendungen zu unterhalten versteht. Kurz klingt sogar eine Tarantino’sche Qualität an, die der Film jedoch leider nicht durchhalten kann.

Sowohl bei Gone with the Bullets als auch bei Chasuke’s Journey ist ordentlich etwas los. Es sind wahre Räuberpistolen, die unterhalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.