Comic

Eine Kindheit im Nahen Osten

Dass Potential ist hierzulande nicht ganz so groß, weil sowohl die arabischstämmige als auch die comiclesende Gemeinde nicht so groß ist wie im Hexagon. Das rechtfertigt jedoch nicht die dreiste Werbung in eigener Sache, die Deutschlands einflussreichster Comickritiker Andreas Platthaus, der Sattoufs Werk übersetzt hat, hier betrieben hat. Als er im Juli 2014 die französische Ausgabe in höchsten Tönen lobte, kündigte er die Übertragung ins Deutsche bereits vorfreudig an. »Auf die Publikation der deutschen Ausgabe aber darf man sich freuen.«

Platthaus gilt als integer und überaus seriös, was seine journalistischen Verdienste für den Comic betrifft. Den Übersetzungsauftrag hat er nach eigener Auskunft erst nach seinem Text auf seinem FAZ-Comicblog erhalten. Seinem tadellosen Ruf hat er in diesem Frühjahr einen tiefen Kratzer verpasst. In einer großen, ganzseitigen Eloge lobte er den von ihm übersetzten Comic in der Druckausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Darin liest man Sätze wie »Riad Sattouf beherrscht Grammatik und Symbolsprache des Comics vollendet« und »selten habe ich eine überzeugendere Kombination von Witz und Tiefgang gelesen«, gleich zu Beginn wird der Band als »großartiges Beispiel autobiographischer Literatur« eingeordnet – wohlgemerkt vom Übersetzer des Comics.

Platthaus-FAZ

Zwar macht sich Platthaus in seinem Text vollkommen ehrlich, indem er offenlegt, dass der Übersetzer des besprochenen Comics auch der Autor der Rezension sei. Warum allerdings allein dieser Satz nicht nur Platthaus selbst dazu gebracht hat, die Kritik lieber einem Kollegen zu überlassen, sondern offenbar auch einfach so durch die Redaktion der FAZ ging, bleibt ein Frankfurter Geheimnis.

So legt sich über die deutsche Übertragung von Sattoufs autobiografischer Erzählung Der Araber von morgen ein Geschmäck’le, an dem sich in der deutschen Comicszene keiner so richtig stoßen möchte, um der aufstrebenden Gattung nicht zu schaden. Das Gegenteil aber droht einzutreten.

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Riad Sattouf: Der Araber von morgen. Aus dem Französischen von Andreas Platthaus. Knaus Verlag 2015. 158 Seiten. 19,99 Euro. Hier bestellen

Man stelle sich vor, die Modiano-Übersetzerin Elisabeth Edl würde dessen neuen Roman rezensieren, Dirk van Gunsteren würde Thomas Pynchons neuesten Geniestreich würdigen oder – und hier würde die Parallele wohl am eindeutigsten – SZ-Journalist Thomas Steinfeld hätte eine Kritik seiner für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Übersetzung von Selma Lagerlöfs Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden geschrieben; neben dem feuilletonistischen Erdbeben, das sich in einem solchen Fall ereignet hätte, würde er auch der Literaturkritik einen Bärendienst erwiesen haben. Genau diesen hat Platthaus nun der Comickritik erwiesen.

Mit dieser betrüblichen Feststellung soll hier aber nicht geendet werden. Aauf der letzten Seite des ersten Bandes sehen wir den kleinen blonden Helden zitternd in ein Flugzeug steigen, denn seine ewigen Ferien gehen zu Ende. »Der Araber von morgen geht zur Schule«, sagt sein Vater schelmisch grinsend. Es geht zurück nach Syrien, nachdem die Familie erneut kurz in Frankreich war. Auf die Erfahrungen, die er dort macht, kann man sich jetzt schon freuen. In Frankreich erscheinen sie im Juni dieses Jahres.

7 Kommentare

  1. […] Als Leser begeistern mich Reiseberichte und für mich sind »Esthers Tagebücher« oder »Der Araber von morgen« Reiseberichte aus einem fernen Land, aus der Welt der Kindheit, von der wir alle meist falsche und […]

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