Comic

Ed Piskors Kulturgeschichte des Hip Hop als Monatsheft

Seit 2013 erzählt der Amerikaner Ed Piskor in spektakulären Bilder- und Sprechstürmen von der Geburt und dem Wachsen der musikalischen Revolution namens Hip Hop. In Deutschland erscheint in wenigen Wochen der zweite Teil dieser Erfolgsstory, die den US-Verlag nun zur ungewöhnlichen Zusatzpublikation in Monatsheften mit bemerkenswerten Alternativtiteln greifen lässt.

Der US-amerikanische Alternativcomic-Verlag Fantagraphics Books wird zum ersten Mal in seinem 39-jährigen Bestehen einen Comic mit einer monatlichen Erscheinungsweise herausbringen. Ed Piskors Kulturgeschichte Hip Hop Family Tree, die in der deutschen Übersetzung von Stefan Pannor im Metrolit-Verlag erscheint, wird ab August in Monatsheften mit neuen Covern, Seitenaufrissen und Kommentaren zur Entstehung von Ed Piskor erscheinen. Dies teilte der Verlag vor wenigen Wochen auf seiner Homepage mit. Mit dem Erscheinen des ersten Monatshefts wird zugleich auch die Kampagne für den dritten Teil der Hip-Hop-Geschichte in Comicform starten, der ebenfalls für August angekündigt ist.

Eric Reynolds von Fantagraphics Books äußerte sich gleichermaßen stolz und überwältigt: »Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass wir zum ersten Mal ein Monatsheft mit verschiedenen Titelblättern herausgeben werden, dann hätte ich nicht schlecht gekuckt. Aber Ed ist ein außerordentlicher Künstler und Hip Hop Family Tree ist ein singuläres Werk in unserem Programm. Als Ed mit der Idee auf uns zukam, eine Comic-Serie daraus zu machen, waren wir sofort dabei. Ich wusste, wir können daraus etwas ganz Besonderes machen, wie es nur wenige gekonnt hätten.«

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Der erste Band der fulminanten Underground-Geschichte, der Die frühen Jahre des Hip Hop zwischen 1970 und 1981 umreißt, ist hierzulande im Mai 2014 erschienen. Anhand der verbürgten Geschichten und Mythen von Gründervätern des Genres wie DJ Cool Herc, Grandmaster Flash und (später gemeinsam) den Furious Five, Run D.M.C. oder den Treacherous Three, die mit ihren Beats und Rhythmen zugleich auch die Lebensweise einer ganzen Generation definierten, erzählt Piskor darin von spektakulären Straßengigs, Geheimtipp-Partys und der Eroberung der Clubszene sowie von unzähligen Newcomern und Wegbereitern wie dem Radiomoderator Mr. Magic alias John Rivas oder dem Produzenten Rick Rubin. Ed Piskow lässt in seinem Ritt durch die Anfänge der Funky Beats und des Hip Hop aber auch die Aggressivität dieser Zeit zwischen Graffiti und Break Dance wieder auferstehen. Er verarbeitet dabei die verbalen und handgreiflichen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Clans und Clubs sowie Granden und Newcomern der Szene und lässt in Schlaglichtern die Schlüsselmomente des Genres am Leser vorüberziehen.

Der erste Band endet mit der verbalen Hinrichtung des in die Jahre gekommenen Altmeisters Busy Bee durch die Treacherous Three und dem Auftritt der Funky Four Plus One bei Saturday Night Live. Beide Ereignisse sind der Anfang der bahnbrechenden Revolution, mit der die Szene in den darauffolgenden Jahren die amerikanische Pop-Kultur überrollen und einnehmen wird. Diese Revolution steht im Mittelpunkt der Bände zwei und drei dieser Kulturgeschichte, die die Jahre 1981 bis 1983 und 1983 bis 1984 in Augenschein nehmen und spätere Megastars wie die Beastie Boys, Vanilla Ice, Salt’n Pepa oder Snoop Dogg in den Mittelpunkt des Geschehens rücken.

Die Herausforderung dieses Comics besteht darin, dem im Erzählrhythmus und -duktus verankerten Beat dieser Zeit zu folgen. Immer wieder dröhnen einem beim Lesen die Ohren von den wie Ohrfeigen ausgeteilten Zeilen und Rhythmen. Eine zusätzliche Herausforderung besteht in der nicht einheitlichen Übersetzung. Mal bleiben die Songtexte im Original, mal werden sie, wie etwa bei der Battle zwischen Busy Bee und den Treacherous Three – eine gleißend heller Moment der Übersetzung durch Stefan Pannor – ins Deutsche übertragen. Hier scheinen sich Verlag und Übersetzer nicht einig geworden zu sein, ob man eine möglichst nah am Original und der Zeit orientierte deutsche Fassung oder eine möglichst verständliche Übertragung vorlegen wollte. Der gewählte Mittelweg wirkt bemüht und inszeniert Piskors Arbeit als Szenecomic. Die hat ihn aber auch fleißig gekauft, denn der erste Teil ist bereits vergriffen und wird in wenigen Wochen in einer auf 1.500 Exemplare limitierten Sonderedition mit Band zwei in einem attraktiven Schuber neu herausgebracht.

Die pompöse Inszenierung hätte sich der Verlag vielleicht noch ein wenig aufheben sollen, denn die Geschichte des Hip Hop ist noch lange nicht zu Ende erzählt. Und wie die Verlagsankündigung für Band drei klingt, wird Ed Piskor auch dieser nicht ausreichen, um bis zum Ende zu kommen. Er wird sich allenfalls ein weiteres kleines Stückchen dem Ende dieses musikalischen Erdbebens annähern.

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Mitte der Achtziger geht es erst richtig los, die einflussreichste Zeit dieser »Antimusik« sollte dann erst folgen, wie David Foster Wallace und Mark Costello in dem Dokument ihrer eigenen Erkundungen der Szene mit dem eingängigen Titel Warum Rap, den Sie hassen, nicht Ihren Vorstellungen entspricht, sondern scheißinteressant ist und wenn anstößig, dann bei dem, was heute so abgeht, von nützlicher Anstößigkeit eindringlich beschreiben. Darin heißt es: »Rap, ob nun fruchtbar oder steril, ist die einsame Speerspitze aktueller Popmusik, das Neue, das Unbekannte, das sich dem Gehirn entzieht, während der Körper schon mitwippt.«

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Ed Piskor: Hip Hop Family Tree. Volume 1 (Die frühen Jahre des Hip Hop). Aus dem Amerikanischen von Stefan Pannor. Metrolit Verlag 2014. 120 Seiten. 22,- Euro. Vergriffen

Rap und HipHop werden von Wallace und Costello als »die tonangebende Kraftlinie« einer Explosion beschrieben, die als Ausdrucksform so beängstigend sei, »dass sie Massen zusammenschweißt und anführt. … Die Hölle kennt nicht das Paradox einer Angst, für deren Durchleben wir auch noch zahlen«, schreibt Wallace furchtergeben nach dem Besuch eines der einschlägigen Clubs.

Die Entstehung dieser »Kraftlinie« lässt Ed Piskor in seiner Comicgeschichte des Hip Hop eindrucksvoll und ansteckend nachvollziehen. Offenbar so ansteckend, dass sein US-Verlag nun erstmals den Schritt wagt und Monatshefte mit zusätzlichen Titelseiten (siehe Titelbild), Zeichnungen und Kommentaren von Ed Piskor herausgibt. Die unterschiedlichen Titel werden an die beliebte Jubiläumsausgabe 25 Jahre Marvel angelehnt sein und verschiedene Größen der Hip Hop-Geschichte wie Eazy E oder Afrika Bambaataa zeigen. Beziehen wird man diese aber nur für 3,99 $ direkt über den Verlag oder über den Großhändler Diamond Comics Distributors können.

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Ed Piskor: Hip Hop Family Tree. Volume 2. Aus dem Amerikanischen von Stefan Pannor. Metrolit Verlag 2015. 120 Seiten. 22,- Euro. Hier vorbestellen

Ob sich Fantagraphics Books mit diesem Projekt überhebt, bleibt abzuwarten. Sicher werden die Leser diesen exklusiven und künstlerisch anspruchsvollen Stoff anfangs schneller kaufen, als er gedruckt werden kann. Ob Piskors Kulturgeschichte eines Genres aber auch als 32-seitige Comicheft-Serie zu einem Bestseller werden kann, bleibt abzuwarten. Der erste Testballon, den der Verlag am Free Comic Book Day im Mai steigen ließ, weckte optimistische Erwartungen. Einige Tausend Sonderhefte wurden über die Comicstores an die durchweg begeisterte Leserschaft verteilt.

2 Kommentare

  1. […] Ed Piskors Kulturgeschichte des Hip Hop als Monatsheft intellectures Ed Piskors Hip Hop Family Tree wird fortgesetzt. In Deutschland kommt bald das zweite Buch (erneut übersetzt von Stefan Pannor), in Amerika gibt es völlig neues Material in Monatsheften. Fantagraphics wird sicher schicke Hefte produzieren. […]

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