Film

Sie kommen…!

Wie sprechen Aliens? Amy Adams und Jeremy Renner geben Antworten in dem packenden Wissenschaftsthriller »Arrival«. Denis Villeneuve zeigt sich hier einmal mehr als Meister seines Fachs.

Ein Dutzend Raumschiffe landen an zwölf unterschiedlichen Orten der Erde. Obwohl, was heißt schon landen? Die senkrecht aufgestellten Muscheln schweben ein paar Meter über dem Boden, rätselhaft still und unheimlich. Ist dies eine friedliche Kontaktaufnahme? Oder vielleicht doch die Vorhut für einen koordinierten Vernichtungsschlag extraterrestrischer Kräfte, die die menschliche Zivilisation auslöschen wollen? Die Regierungen der betreffenden Länder – Großmächte wie Russland, China und die USA, aber auch fragile Staaten wie Sierra Leone, Sudan oder Venezuela – schließen nichts aus und versetzen ihre Truppen in Kampfbereitschaft. Zumal die Nachricht einer möglichen außerirdischen Invasion das typische Katastrophenszenario aufruft: Massenpanik, Plünderungen und gewaltsame Exzesse treten auf die Tagesordnung. Am Rande krakeelt die Waffenlobby an der Seite obskurer Sekten den Untergang der Welt herbei.

Diese Grundkonstellation von Denis Villeneuves Arrival erinnert ungut an die zahlreichen Blockbuster, die mehr oder weniger gelungen die Apokalypse durch einen intergalaktischen Endkampf inszenieren – von Klassikern wie Roland Emmerichs Independence Day oder Stephen Spielbergs Krieg der Welten bis hin zu jüngeren Werken wie Jeff Nichols Midnight Special oder Jupiter Ascending der Wachowski-Brüder. Den Regisseur von packenden Meisterwerken wie dem Rache-Drama Prisoners oder dem Drogenthriller Sicario interessiert das paranoide Bedrohungsszenario zum Glück überhaupt nicht. Er schiebt es in den Hintergrund seiner Rahmenhandlung des militärisch koordinierten Versuchs, mit den Aliens Kontakt aufzunehmen. Die Sprachexpertin Louise Banks und der Mathematiker Ian Donnelly werden ins Kernteam der dafür eingerichteten Task Force berufen. Sie sollen herausfinden, was sie wollen und woher sie kommen. Die beiden Wissenschaftler und die Geschichte, die sie verbindet, stehen im Zentrum dieses ästhetisch überwältigenden und stilistisch hochklassigen Films.

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Schon der Einstieg in dieses erzählerische Meisterwerk ist eine Augenweide. Langsam fährt die Kamera eine geheimnisvolle Oberfläche entlang. Als sich die Perspektive weitet, eröffnet sich ein in seiner Alltäglichkeit so grandioses wie uferloses Panorama, dass man ewig durch die Kinoleinwand hinaus in diese Landschaft schauen möchte. Während man noch nach Orientierung sucht, erklärt Dr. Banks mit sanfter Stimme aus dem Off, dass das mit den Erinnerungen eine komische Sache sei. »Sie sind nie so, wie man denkt. Wir hängen zu sehr an Raum und Zeit.«

Die Linguistin ist eine Koryphäe der Sprachanalyse. Sobald es um Übersetzungen geht, steht sie bei allen ganz oben auf der Liste. Sie ist die einzige, der man zutraut, mit den an Walgesänge erinnernden Tonaufzeichnungen aus den Raumschiffen etwas anfangen zu können. Noch auf dem Weg zum Raumschiff wird ihr Donnelly vorgestellt, der ihre Untersuchungen von mathematisch-naturwissenschaftlicher Seite unterstützen soll. Die charmante Debatte, ob die Sprache oder die Naturwissenschaften entscheidender für das friedliche Zusammenleben von Kulturen seien, flammt kurz auf, verebbt aber schnell angesichts der existenzialistischen Herausforderung im Militärlager zu Fuß des gut 450 Meter hohen Flugobjekts. Denn der Taskforce bleibt angesichts der zunehmenden globalen Panik nicht viel Zeit, um Kontakt mit den Außerirdischen aufzunehmen.

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Villeneuves Kameramann Bradford Young (Selma, A Most Violent Year) fängt diese Annäherung der Wissenschaftler an die fremde Spezies eindrucksvoll ein. Er präsentiert die Wissenschaftler vor einer gigantischen Nebelwand, hinter der zwei krakenähnliche Raumschiffbewohner auftauchen. Indem Young den kompletten Bildausschnitt mit der schwarz umrahmten Glaswand füllt, löst er die Distanz zwischen der Abbildung auf der Leinwand und dem Zuschauer nahezu komplett auf. Plötzlich ist die abstrakte Gefahr zum greifen nah, die Angst kriecht in die Knochen. Der bedrohliche Sound des Isländers Jóhan Jóhannsson, dessen Kompositionen bereits wesentlich zur beklemmenden Atmosphäre in Sicario und Prisoners beigetragen haben, lässt diesen Erstkontakt im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut gehen.

Mit der Zeit wird die weiße Wand zur Kommunikationsplattform zwischen Mensch und Alien. Während die Besucher aus dem All mit einer schwarzen Lösung faszinierende Logogramme in den Nebel hinter der Glasscheibe setzen, versuchen Banks und Donnelly von der anderen Seite der Trennwand mit Händen und Füßen die Kommunikation in eine Struktur zu bringen. Mit Kameras zeichnen sie die fragilen Sprachsymbole der Krakenförmigen auf, um sie mit Computerprogrammen, Bildmontagen und scharfsinnigen Assoziationen zu entschlüsseln.

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Villeneuves zwischen Science-Fiction und Drama wandelnder Film überzeugt abseits seiner visuellen und akustischen Ästhetik auch in der wissenschaftlich fundierten Herangehensweise. Als das Team nach zwei Wochen immer noch im Dunkeln tappt, was die Beweggründe dieses Besuchs aus dem All sein könnten, und die Militärs unruhig werden, setzt die Sprachwissenschaftlerin zu einem fantastischen Monolog an. Die Frage »Mit welchem Ziel seid ihr auf die Erde gekommen?« sei viel zu komplex, um deren Bedeutungsebenen in so kurzer Zeit alle verlässlich zu vermitteln. Verstehen die Außerirdischen das Konzept einer Frage überhaupt? Verstehen sie, dass mit ihr alle zwölf Raumschiffe und nicht ein einzelnes Wesen gemeint ist? Handeln sie überhaupt zielorientiert? Sprache, welche auch immer, ist vielschichtig – das macht ihren Reiz, aber auch ihre Schwierigkeit aus. Als das Team die visuelle Sprache der fremden Wesen in ihren Grundzügen entschlüsselt hat, kommt es zu einem dramatischen Missverständnis, in dessen Folge Banks und Donnelly auf sich alleingestellt sind.

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Regie: Denis Villeneuve. Mit: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker. FSK: ab 12 Jahren.

Die von Amy Adams (American Hustle, Her, Der Krieg des Charlie Wilson) in bewundernswerter Intensität verkörperte Louise Banks nimmt in Arrival eine Sonderrolle ein. Beständig suchen sie Bilder heim, die sie als Mutter eines jungen Mädchens zeigen. Diese Eindrücke stehen in Verbindung mit einem von jedem Kitschverdacht erhabenen Bilderreigen, der zu Beginn des Films ein viel zu kurzes Leben in Schlaglichtern zeigt. Das Glück des Augenblicks und der Schmerz der Ewigkeit, die in den drei Minuten zu sehen sind, bilden die zwei Brückenpfeiler in dieser faszinierenden Allegorie auf das Leben, die bei den Oscars 2017 zweifellos eine Rolle spielen wird. Sie stellen auch das Ende einer Reise dar, die sich Louis Banks nach dem friedvollen Verschwinden der Raumschiffe ebenso fürchtet wir herbeisehnt. »Obwohl ich weiß, wohin diese Reise führt, empfange ich sie mit offenen Armen und genieße jeden Augenblick davon.«

Homepage zum Film

Dieser Text ist in Kürzerer Form in der aktuellen Ausgabe von ME.MOVIES erschienen

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