Film

Hinreißend und bedrückend

In Sebastiáo Lelios Drama »Eine fantastische Frau« ist mit Daniela Vega eine außergewöhnliche Schauspielerin zu entdecken, die mit großer Würde die Rolle von Marina Vidal ausfüllt. Marina hieß vor Jahren Daniel und sucht nun in der neu gewählten Rolle der Frau ihren Platz in der machistischen chilenischen Gesellschaft.

Der chilenische Regisseur Lelio hat ein Händchen für Geschichten von außergewöhnlichen Frauen. 2013 triumphierte er bei der Berlinale mit seinem mitreißenden Porträt der unwiderstehlichen, die Liebe suchenden Gloria. Nun präsentiert er die transsexuelle Marina, die in Orlando den Mann ihres Lebens gefunden hat. Doch der Familienvater stirbt nach einer liebestollen Nacht an einem Schlaganfall. Fortan muss Marina mit Orlandos Ex-Frau und der hinterbliebenen Familie kämpfen, denn der silberne Sugardaddy hat als Chef eines großen Unternehmens auch noch nach dem Tod einen Ruf zu verlieren.

Marina kämpft nach Orlandos Tod um jeden Zentimeter ihrer Beziehung sowie für das Recht, um den Mann ihres Lebens trauern zu dürfen. Die chilenische Trans-Künstlerin Daniela Vega füllt diese Rolle mit bewundernswerter Ausstrahlung aus. Sie macht die Verletzlichkeit der schockierten Witwe ebenso glaubhaft wie die rasende Wut der einmal mehr um Anerkennung und Akzeptanz kämpfenden Frau, in der alle noch den Mann sehen.

Im Gegensatz zu Pedro Almodóvar, der den inneren Konflikt von Transgender-Menschen in seinen Filmen immer wieder meisterhaft sichtbar gemacht hat, konzentriert sich Lelio in seinem Film auf die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz beziehungsweise Ablehnung und zeigt, wie schnell die gesellschaftliche Toleranz bei Fragen der Moral, von Leben und Tod, an ihre Grenzen gerät.

Auch wenn Marina gelernt hat, für sich selbst zu kämpfen, ist sie einer ihr Wesen ablehnenden Gesellschaft gegenüber machtlos. In Sebastio Lelios Film, der mit einem Silbernen Bären sowie dem diesjährigen Teddy Award für den besten schwullesbischen Film auf der Berlinale ausgezeichnet wurde, wird deutlich, dass wir als demokratische Gesellschaft scheitern, wenn es uns nicht gelingt, die physisch Schwächsten (die nicht allzu selten zu den psychisch stärksten gehören müssen) zu schützen. Ja, mehr noch, wir scheitern als Menschen, wenn es uns nicht gelingt, sie als gleichwertigen Teil der Gesellschaft zu akzeptieren.