Comic, Interviews & Porträts

»Auch als Frau kann man einfach Spaß am Sex haben«

Dein adoleszentes Ich ruft darin im Grunde eine Art hedonistisches Lebensprinzip aus, nämlich jeden Tag so zu begehen, als wäre er der letzte. Hast du dir das bewahrt?

Nein, ein hedonistisches Lebensprinzip würde ich nicht vertreten. Inzwischen mache ich mir schon bewusst, dass ich noch ein paar Jahre über die Runden bringen möchte. Inzwischen habe ich ja auch Erfahrungen gemacht, was mir gefällt und was nicht. Und da der Mensch zur Bequemlichkeit neigt und sich eher für Dinge entscheidet, die ihm gefallen, vermeidet er Unannehmlichkeiten.

Die Lust am Leben wird auch in deinem neuen Comic deutlich. Du schilderst darin deine Zeit Anfang der neunziger Jahre in Wien, als du mit dem kulturell versierten Georg und dem nigerianischen Lebemann Kim gelebt hast. Auch wenn es in dem Comic vordergründig um Sex, Liebe und Erwartungen geht, würdest du mir zustimmen, dass es auch eine feministische oder emanzipative Geschichte ist?

Es geht um eine gesunde, lebensfreudige Sexualität und es ist noch immer ein Politikum, dass Frauen das ausleben dürfen. Es ist vielleicht nicht mehr so dringend wie früher, aber die politische Dimension und gesellschaftliche Relevanz ist nach wie vor aktuell. Es ist im Grunde eine umgedrehte Geschichte. Oft sind die Frauen die Liebhaberinnen, die sich darüber beschweren, dass der Mann nur ihren Körper mag. Hier ist es umgekehrt, das fand ich ganz interessant.

Zugleich geht es um den Rassismus in Wien, der dir an der Seite von Kim immer wieder aufgefallen ist. Nun handelt der Comic von einer Zeit von vor über 20 Jahren. Wie stark treffen diese Passagen, in denen Du Rassismus und Ausgrenzung thematisierst, auch heute noch zu?

Sehr stark. Man sieht heute zwar mehr schwarze Menschen als früher, aber die Reflexe der Österreicher sind immer noch dieselben. Die Anzahl der Schwarzen ist immer noch zu gering, als dass man sich an ihren Anblick gewöhnt hätte wie in Amerika, Frankreich oder England. Das bedauere ich sehr. Gut, dass mehr kommen.

Wie lange hast Du an dem Comic gearbeitet?

Drei Jahre. Ich war schnell.

In diesen drei Jahren Rolle haben sich die Debatten um Flüchtlingsaufnahme und Umgang mit Geflohenen abgespielt. Welche Rolle haben diese für den Comic gespielt?

Es ist mir ein bisschen unangenehm, diese Geschichte jetzt zu erzählen, weil sich Kimata vorurteilsgemäß schlecht benommen hat. Es wäre mir lieber gewesen, wenn meine Geschichte gut ausgegangen wäre. Aber das ist im Nachhinein nicht zu ändern. Ich kann aufgrund der äußeren Umstände nun nicht nur die heile Welt beschwören.

Hast Du Angst, dass die Geschichte absichtlich falsch gedeutet werden könnte?

Alles kann falsch gedeutet werden. In diesem Fall kann man sich darauf konzentrieren, dass es eine individuelle Liebesgeschichte ist, die von drei Individuen erzählt. Georg steht nicht stellvertretend für alle Österreicher, Kimata nicht für alle Männer aus Nigeria und mein Alter Ego nicht für alle Frauen.

Ein anderer Teil der Geschichte handelt von Deinem Sohn, der bei Deinen Eltern aufgewachsen ist. Du selbst geißelst dich in der Geschichte als schlechte, weil egoistische Mutter.

Weil ich keine Sehnsucht danach habe, ihn mit nach Wien mitzunehmen und alleine aufzuziehen.

Hat es Dich viel Überwindung gekostet, diese Geschichte offenzulegen?

Sie ist ja Gott sei Dank gut ausgegangen. Mein Sohn hat mir nie etwas nachgetragen, er hatte in meinen Eltern tolle Eltern und die fanden es auch in Ordnung. Insofern habe ich es erzählt, um die klassische Vorstellung, dass ein Kind nur bei seiner Mutter glücklich würde, zu widerlegen. Man kann ungewöhnliche Lösungen finden, wichtig ist allein, dass man einander respektiert und liebt.

War es dir wichtig, von dieser besonderen Mutter-Sohn-Geschichte zu erzählen?

Die Geschichte mit Phillip war hier nicht so wichtig. Der Kern ist die Dreiergeschichte mit den beiden Männern. Andererseits war mein Sohn schon irgendwie der dritte Mann in diesem ganzen Reigen. Es wegzulassen wäre absurd gewesen, zumal über ihn auch der Anschluss an »Heute ist der letzte Tag vom Rest Deines Lebens« erfolgt.

Ein wichtiges Thema scheint mir dabei das Schuldgefühl zu sein. Fühlen sich Mütter immer irgendwie schuldig? Es gibt diesen Strip in einer SPRING-Ausgabe, in der Dir eine alleinstehende Mutter gesteht, dass sie auch Schuldgefühle hat.

Mütter haben immer Schuldgefühle, das ist leider so.

Unweigerlich?

Angeblich nicht unweigerlich. Es gibt Frauen, die von sich behaupten, dass sie die nicht haben. Aber Schuldgefühle zu haben muss nicht heißen, dass man ein schlechter Mensch ist. Diese Vorstellung ist doch recht und billig, erst recht, da uns die Gesellschaft permanent eintrichtert, dass wir Schuldgefühle haben müssten. Gemeinhin wird angenommen, dass du unbedingt mit deinem Kind verschmelzen wollen musst. Und wenn man es nicht tut, fragt man sich natürlich, was mit einem nicht stimmt.

Du entblößt Dich in der Geschichte auch stark, etwa wenn Du Dein Sexleben in Deinen zwanziger Jahren ausrollst. Du hast das auch schon andernorts gemacht, etwa mit der Kurzgeschichte aus dem Kit Kat Club, in der Du einen Abend in dem sagenumwobenen Sexclub rekapitulierst. Wie stark lässt Du Dein Privatleben in Deine Arbeit und wo ziehst Du Grenzen?

Die Figur im Comic, die ich bin, ist letztendlich auch nur ein Alter Ego, ein Darsteller. Bei der Reportage über den Kit Kat Club war ich nun mal da und bin der Journalist, der erzählt, was um ihn herum geschieht. Und es ist genug Interessantes passiert. Ich wollte auch hier nicht die Scham eine gute Geschichte verhindern lassen. Ich wollte erzählen, dass man als Frau einfach Spaß am Sex haben und das vollkommen frei von Scham genießen kann. So wie Männer, die über ihre sexuellen Abenteuer berichten, ohne dabei gleich emotional hinterfragt zu werden. Was Männer können, sollen Frauen auch können dürfen. Interessant ist doch weniger der Fakt an sich, als dass es immer noch anders bewertet wird.

2 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.