Film

Gott ist eine starke Frau

Die mazedonische Regisseurin Teona Strugar Mitevska ist ein Eigengewächs der Berlinale. Vier mal war sie bereits in der Sektion Panorama zu Gast. Mit »God exists, her name is Petrunya«, einem heiteren Manifest gegen religiöse Borniertheit und toxische Männlichkeit, ist sie erstmals im Wettbewerb vertreten.

Wie ein Rudel Wölfe scharren die Männer am Ufer der eiskalten Otinja mit ihren Füßen und warten darauf, dass der orthodoxe Priester das Holzkreuz in den Fluss wirft, nachdem sie alle tauchen wollen. Wer es als erster findet, ist der Sieger dieses traditionellen Wettkampfs am Dreikönigstag und darf das Heiligtum bis zum nächsten Jahr behalten. Doch es wird in diesem Jahr keinen Sieger geben, denn Petrunya ist schneller als all ihre männlichen Konkurrenten. Doch ihr Triumph löst einen Konflikt aus, in dem die religiöse Borniertheit und geifernde Misogynie, die viele osteuropäischen Gesellschaften mehr denn je im Griff haben, ihr hässliches Gesicht zeigen.

Dass es nicht sonderlich angenehm für Frauen in den männerdominierten Gesellschaften Osteuropas ist, macht der Film schon vor den Ereignissen rund um die Ereignisse am Fluss deutlich. Denn für jemanden wie Petrunya – 31 Jahre alt, selbstbewusst und mit einem Geschichtsstudium in der Tasche – hat man(n) hier keinen Platz. Als potentiellen Arbeitgeber lernt man nur einen selbstgefälligen Unternehmer kennen, der einen der Näharbeiterinnenjobs in seiner Fabrik nach Attraktivität und Verfügbarkeit der jeweiligen weiblichen Bewerberin verteilt.

Teona Strugar Mitevska: God exists, her name is Petrunya | © sistersandbrothermitevski
Teona Strugar Mitevska: God exists, her name is Petrunya | © sistersandbrothermitevski

Als die 31-jährige Historikerin von dem erfolglosen »Bewerbungsgespräch« am Fluss vorbeikommt, beschließt sie kurzerhand, dem Kreuz hinterherzuspringen. Als sie mit ihm in der Hand auftaucht, wird sie von dem Männerrudel umringt, die ihr das Kreuz aus der Hand reißen. Das ganze endet auf der Polizeistation, wo sich der Großteil dieser leisen, aber zornigen Sozialsatire abspielt, in deren Zentrum die Frage steht, was sich die junge Frau eigentlich hat zuschulden kommen lassen, um hier wie eine Verbrecherin festgehalten zu werden. Ein weltliches Gesetz, dass Frauen an diesem Ritual nicht teilnehmen dürfen, gibt es natürlich nicht. Allein die Priester der orthodoxen Kirche und ihre Anhänger in der patriarchalen Gesellschaft gehen davon aus. Aber diese durchzusetzen ist nicht Aufgabe der staatlichen Sicherheitskräfte. Dennoch springen diese permanent in diese Rolle, um der Loyalität unter Männern gerecht zu werden.

Zorica Nusheva lotst ihre Figur mit stoischer Ruhe und Intelligenz in bewundernswerter Manier durch den beständig aggressiven und übergriffigen Sturm toxischer Männlichkeit. Die Ruhe, die Petrunya bei den Befragungen und Angriffen ausstrahlt, ist die einer Frau, die sich im Recht weiß. Die gefasste und zugleich pointierte Performance von Nusheva ist bärenverdächtig.

Teona Strugar Mitevska: God exists, her name is Petrunya | © sistersandbrothermitevski
Teona Strugar Mitevska: God exists, her name is Petrunya | © sistersandbrothermitevski

Dokumentiert wird dieser Lokalskandal von der Journalistin Slavica (Labina Mitevska), die das System der Männersolidarität in dem Fall sofort durchschaut, sich auf einer übergeordneten Ebene aber mit ihr auseinandersetzen muss. Denn ihr Kameramann ist genervt davon, dass sie diesen Fall überhaupt dokumentiert. Ihr Redakteur im Funkhaus will sie von dem angeblich uninteressanten Vorgang abziehen. Und Polizei, Staatsanwaltschaft und Kirche machen ihr das Leben schwer. Einzig die Bewohner der Stadt, die sie befragt, stärken ihre Position, indem sie darauf hinweisen, dass es angesichts der zahlreichen sozialen Missstände Wichtigeres gäbe, als dass sich Lokalpolitiker und Sicherheitskräfte für die verkommenen Erwartungen der Kirche einsetzen sollten.

»God exists, her name is Petrunya« ist ein feministisches Manifest, das den archaischen gesellschaftlichen Strukturen, dem nationalreligiösen Patriarchat der orthodoxen Kirche und der geifernden Verachtung der weiblichen Selbstbestimmung durch große Teile der männlichen Bevölkerung satirisch den Kampf ansagt. Politik, Justiz, Medien und Kirche – alle bekommen gleichermaßen verdient ihr Fett weg. In Zeiten, in denen die religiösen und nationalistischen Eiferer in den osteuropäischen Ländern immer lauter werden, wirkt diese Botschaft gegen die mittelalterlichen Strukturen in diesen Gesellschaften umso stärker.

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