Biografie, Literatur, Roman, Sachbuch

Aufzeichnungen eines ausgeflippten Freaks

Der Autor von Kultromanen wie »Geschichte machen« und »Der Sterne Tennisbälle« legt den zweiten Teil seiner Biografie vor. Stephen Fry erklärt nach »Columbus war ein Engländer« nun, »Ich bin so Fry«!

Rowan Atkinson, John Cleese, Emma Thompson und Tilda Swinton zählt er zu seinen Freunden, ebenso wie übrigens Hugh Laurie, Charlie Higson, Miranda Richardson, Richard Curtis und Alan Bennett. Mit dem Literaturnobelpreisträger Harold Pinter, dem Historiker Eric Hobsbawm, dem Regisseur Mike Leigh und fast 150 anderen prominenten britischen Juden gründete er eine Organisation unabhängiger jüdischer Stimmen, die sich für einen Frieden im Nahen Osten einsetzt. Er gilt als einer der 50 brillantesten britischen Komiker und ist Ehrenpräsident der Quiz-Gesellschaft an der Universität von Cambridge. Die Rede ist von dem Schauspieler, Komiker, Schriftsteller, Moderator und Regisseur Stephen Fry.

In Deutschland ist der 54 Jahre alte Brite vor allem als Autor der Romane Geschichte machen und Der Sterne Tennisbälle sowie dem ersten Teil seiner Autobiografie Columbus war ein Engländer bekannt. Cineasten kennen Fry aus seinen Filmrollen in Ein Fisch namens Wanda, Die Entdeckung des Himmels, Per Anhalter durch die Galaxis oder der 3D-Neuverfilmung von Alice im Wunderland. Hierzulande wird Fry als Humanist kaum beachtet. Die Briten hingegen verehren ihn seit Jahren als prominenten Kritiker der organisierten Religionen. Als er im vergangenen Jahr den britischen Humanisten beitrat, erklärte Fry: »In einer Zeit, in der die Errungenschaften der Aufklärung von denjenigen in Frage gestellt, verhöhnt, missverstanden und verleumdet werden, die den Fortschritt der Menschheit am liebsten umkehren wollen, ist es wichtig, sich als Humanist zu bekennen.« Dieses Bekenntnis war für Fry nicht gleichbedeutend mit der Ablehnung des Geheimnisvoll-Mysteriösen. Vielmehr sei es „eine Annahme der genialen und herrlichen Verantwortung, die wir jeweils für unsere eigenen Schicksale, für unsere Ethik und unsere Moral haben«, erklärte er.

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Stephen Fry: Ich bin so fry. Meine goldenen Jahre. Aus dem Englischen von Teja Schwaner. Aufbau Verlag 2011. 541 Seiten. 22,90 Euro. Hier bestellen

Im selben Jahr seines humanistischen Bekenntnisses erschien in Großbritannien der zweite Teil der Fry’schen Confessiones, der seit wenigen Wochen unter dem Titel Ich bin so fry in deutscher Übersetzung vorliegt. Fry schließt darin direkt an seinen Rückblick auf seine Jugendjahre an, die von Enttäuschungen, Erniedrigungen und Langeweile geprägt waren und im Gefängnis endeten. Wie aus ihm dennoch dieser hochintellektuelle, wortgewandte und multitalentierte Künstler werden konnte, davon kann man einen Eindruck auf den knapp 550 Seiten bekommen. Fry parliert in gewohnt süffisant-selbstironischem Ton von seiner Zeit am College, seinen Erfahrungen in den verschiedenen universitären Theater- und Kleinkunstclubs, den ersten Bühnenerfahrungen. Er zeigt, wie ihn das Schauspielervirus packt, ihn nicht mehr loslässt (auch wenn er stets von Selbstzweifeln geschüttelt bleibt), wie er sich von Rolle zu Rolle, von Bühne zu Bühne und von Studio zu Studio spielt. In diesen Jahren begegnet Fry nicht nur dem Who is Who der britischen Theater- und Comedy-Szene, sondern wird selbst ein gewichtiger Teil von ihr. Der berühmt-berüchtigte britische Humor – Fry hat ihn mit geschaffen. Noch heute kann man seine frühe Genialität auf Youtube bewundern, in Serien wie den Cellar Tapes, Blackadder oder Jeeves & Wooster. Fry erzählt in seiner Biografie auch, wie er seine »90-Prozent-Homosexualität« entdeckte und warum er viele Jahre zölibatär lebte, parliert über Begegnungen und Begebenheiten oder einfach nur über die Atmosphäre in Großbritannien unter Maggie Thatcher – ein Fest für all jene, die sich für die britisch-intellektuelle Szene der 1980er Jahre interessieren.

Wer jedoch gehofft hat, endlich etwas von dem Humanisten Stephen Fry zu erfahren, wird enttäuscht. Weder den gleichwohl radikalen, wie messerscharfen Kritiker der katholischen Kirche noch den ebenso intellektuellen, wie stilsicheren Humanisten kann man in Ich bin so fry entdecken. Der Fry, dem der Leser hier begegnet, ist ein talentierter Spieler, der am Ende mit Kokain experimentiert. Dem Humanisten Fry wird man womöglich in Teil drei, vier oder fünf seiner Selbstreflektionen begegnen können. Solange muss man sich mit den Youtube-Beiträgen seiner zahlreichen Diskussionsbeiträge und Reden zu Fragen des Humanismus, der Glaubensfreiheit und der Religionskritik begnügen. Schnell erkennt man, wer hierzulande versucht, Frys Stil zu kopieren.

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