Sachbuch

Der anpassungsfähige Zwilling

Biografien sind gemeinhin Existenzbeschreibungen von Personen. Dem amerikanisch-indischen Wissenschaftler und Onkologen Siddharta Mukherjee ist mit seinem Buch »Der König aller Krankheiten. Krebs – Eine Biografie« etwas Beeindruckendes gelungen.

Siddharta Mukherjee hat eine eindrucksvolle Chronik der Geschichte des Krebses geschrieben, die viel weiter zurückreicht, als die meisten annehmen. Die oft als »Krankheit der Moderne« titulierte Erkrankung gibt es seit über 5.000 Jahren. Fünf Millennien Anpassung und Verwandlung zeichnen diese Krankheit aus, die ganze Generationen von Philosophen, Ärzten und Forschern ebenso angetrieben wie verzweifeln lassen hat auf der Suche nach dem Antiserum.

Mukherjee spannt in der Manier eines exzellenten Schriftstellers einen Bogen von dem ägyptischen Mediziner Imhotep, der die Krankheit als behandlungsresistent einschätzte, über Hippokrates, der dem Krebs seinen Namen gab, zu Claudius Galen, der gemäß Körpersäfte-Lehre die Ursache der Erkrankung in einer Überdosis schwarzer Galle, in gestauter Melancholie, vermutete. Es reist weiter zu John Hunter, der den Krebs in Stadien einteilte und zu lokalen Operationen riet, zu William Stewart Halsted, der mit radikalen Operationen selbst die umliegenden gesunden Gewebe entfernen ließ, um zunächst im Zeitalter der Strahlentherapie und schließlich in der Ära der Kombination von Eingriff und Bestrahlung, Chemotherapie und Hormonbehandlung anzukommen.

Siddhartha Mukherjee: Der König aller Krankheiten. Krebs – eine Biografie. Aus dem Englischen von Barbara Schaden. Mit einem Vorwort von Fritz Pleitgen. Dumont Buchverlage. 670 Seiten. 26,- Euro (TB: 14,99 Euro). Hier bestellen

Mukherjee blickt anhand unzähliger Beispiele und Einzelfälle auf die Anfänge der Krankheit und ihre Evolution – in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen und den Möglichkeiten der Therapie –, um einen Blick auf die Zukunft des Krebses zu eröffnen. Kann die Entschlüsselung des menschlichen Genoms den Krebs besiegen? Diese Frage steht am Ende dieses bahnbrechenden, mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Porträts, das ein Resultat akribischer und tiefgründiger Recherchearbeit ist.

Der König aller Krankheiten ist ein Mix aus Wissenschafts-, Kultur- und Menschheitsgeschichte, verbindet Erinnerungen und Porträts und lässt Erzählungen und Erlebnisberichte zusammenfließen zu einer umfassenden, überaus detaillierten, aber niemals schwer verständlichen Darstellung, die auf die Frage »Kann es eine Welt ohne Krebs geben« die bestmögliche aller Antworten gibt. »Vielleicht ist der Krebs, der rauflustige, fruchtbare, invasive, anpassungsfähige Zwilling unserer eigenen rauflustigen, fruchtbaren, invasiven, anpassungsfähigen Zellen und Gene, unmöglich von unserem Körper zu trennen.«

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