Literatur, Roman

Devotionalie kommt von devot und bedeutet Unterwürfigkeit

Der mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis gekrönte Reisejournalist Andreas Altmann kommt aus dem römisch-katholischen Wallfahrtsort Altötting in Niederbayern. In seinen sarkastisch-bitteren Erinnerungen blickt er auf »Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend« zurück.

Während sich tausende Pilger Jahr für Jahr in die Altöttinger Gnadenkapelle begeben, um dort um Hilfe und Beistand zu beten, hat Andreas Altmann, Sohn des Devotionalienhändlers Franz Xaver Altmann direkt nebenan eine gnadenlose Kindheit erlebt. Er schreibt von seinem wild um sich prügelnden Vater, der als Weltkriegsveteran seinen Kriegsschauplatz in die Familie verlegt hat und dort mit »Handgranaten Gehässigkeit« um sich wirft.

Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend
Andreas Altmann: Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend. Piper 2012. 256 Seiten. 9,99 Euro. Hier bestellen

Opfer sind immer wieder die devote Mutter und die Söhne. Altmann erinnert die Prügelorgien, »Aufschlag auf meiner rechten Gesichtshälfte. Dann eine gepflegte Rückhand auf die linke Seite. Aufschlag, Rückhand, Aufschlag, Rückhand.« Mit dem Stock schlägt der Vater zu, bis dieser bricht.

Der religiöse Nährboden, der »toxische Müll« der Indoktrination und die besonderen Neigungen der Priesterlehrer komplettieren das Bild einer gesellschaftlichen Bigotterie, die keine Grenzen kennt. Kein Rosenkranz, kein »Vater Unser«, kein »Ave Maria« haben Andreas Altmann geholfen. Dass er am Ende beim Atheismus gelandet ist, wundert nicht.

Immer wieder sucht er in seinen wütenden Erinnerungen nach Erklärungen, versucht mit der Not der Traumatisierten, die ihr eigenes Trauma gewalttätig weiterreichen, das Unbegreifliche zu verstehen. Eine Erklärung findet er natürlich nicht, sich selbst aber rettet er darüber.

Homepage von Andreas Altmann