Literatur, Roman

Das beste Dope der Welt

Im Mittelpunkt von Don Winslows packenden Krimis »Zeit des Zorns« und »Kings of Cool« steht ein verschworenes Triumvirat, das, als es von den mexikanischen Drogenkartellen unter Druck gesetzt wird, eiskalt zurückschlägt. 

Ben, Chon und Ophelia (»O«), denen man statt Namen auch die Attribute jung, reich und sexy geben könnte, leben in einer Art polygamen Dreierbeziehung in Laguna Beach, Kalifornien. In dem Surferparadies haben sie sich einen Namen gemacht, weil sie das beste Marihuana verkaufen, was man sich denken kann. Doch wer sich in der Welt der Drogendealer einen Namen macht, der hat nicht nur Freunde. Ein Drogenkartell will, dass die drei die Ware nicht mehr exklusiv selbst an den Mann bringen, sondern sie in ihr System zwingen. Darauf haben die Jungs aber keine Lust, was dazu führt, dass das Kartell Ophelia entführt.

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Don Winslow: Zeit des Zorns. Aus dem Amerikanischen von Conny Lösche. Suhrkamp Verlag 2011. 338 Seiten. 14,95 Euro. Hier bestellen

Wie man Verhandlungen führt, wenn man eigentlich schon verloren hat, und wie man Wege sucht, wo keine mehr sind, darum geht es in Zeit des Zorns. Die allgemeinen Funktionalitäten des Drogenschmuggels, die Mafia und die Ohnmacht des Staates – all das bildet das Panorama dieser kleinen, aber packenden Geschichte um Ben, Chon und O. Dabei bilden Ben und Chon die Pole, zwischen denen O hin- und hergerissen ist. Sind Ben und Chon wie das Schwarz und das Weiß des Hotu, dem Symbol für das Yin und Yang der Welt, so ist O die kreisrunde Mitte, um die sich alles dreht. Während der Marihuana-Spezialist Ben Problemen lieber aus dem Weg gehen will, will der US-Elitesoldat Chon sie lösen. Und so verfolgen beide ihren ganz eigenen Weg, um O aus den Händen des Kartells zu befreien.

Im Vergleich zu Winslows Tage der Toten wirkt diese Geschichte, deren packende Verfilmung von Oliver Stone Savages in den deutschen Kinos lief, verkürzt und ausschnitthaft, ist aber nicht weniger packend. Sie setzt kurz nach der Wahl Barack Obamas ein und bleibt dort. Die Charaktere werden kaum eingeführt und die Geschichte bleibt im Wesentlichen an der Oberfläche des Drogenkriegs. Wahrscheinlich war gerade diese ausschnitthafte, exemplarische Darstellung mit zahlreichen dialogischen Passagen attraktiv für eine Kinoadaption. Fakten kommen hier nicht gebündelt daher, sondern müssen aus vielen Fragmenten zusammengesetzt werden, die wiederum aus den Perspektiven der einzelnen Personen entstehen. Das erklärt auch, warum Winslow und Stone hier zusammenfanden und das Drehbuch für Savages (so auch der amerikanische Originaltitel des Buches) schrieben.

Don Winslow hat es bei diesem Ausschnitthaften jedoch nicht belassen. »Das Rechtssystem ist auch nur ein System und dient dem System«, schreibt Winslow in seinem Kriminalroman Kings of Cool, der die Vorgeschichte von Zeit des Zorns erzählt. Dass mit den Coolnesskönigen Ben, Chon und O gemeint sein könnten, daran besteht von Anfang an kein Zweifel. Es ist ebenso aberwitzig wie genial, dass Winslow erst die Geschichte und dann das Präludium erzählt. Aber nachdem Zeit des Zorns die Hitlisten stürmte, Winslow darin aber schon etwas voreilig seine Helden auf eine einsame Insel entlassen hatte, musste sich der amerikanische Autor etwas einfallen lassen.

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Oliver Stone: Savages. Universal Pictures Germany. 135 Minuten. 7,99 Euro. FSK: 18 Jahre. Hier bestellen

Kings of Cool setzt im Jahr 2005 ein, also weit vor der Obama-Wahl (konservative Kritiker hatten aus der Geschichte eine nie intendierte Kritik an Obamas Sicherheits- und Anti-Drogen-Doktrin herausgelesen), und geht im Laufe der Erzählungen zurück bis in die 1960er Jahre. Wenn man so will von den Beach-Boys der 2000er zu den Hippies der 1960er, von Aussteiger zu Aussteiger.

Beschränkt man sich auf die Erzählung des Hippietums, dann kann man Kings of Cool zuweilen wie eine kriminalistische Hardcore-Variante von T. C. Boyles Roman Grün ist die Hoffnung lesen. Don Winslow wollte aber mehr. In der faszinierenden Aufteilung der Erzählung in zwei Generationen führt er den Leser an Verhaltensweisen heran, die sich offenbar durch die Familien von Ben, Chon und O ziehen. Winslow legt hier die Leinen für die Geschehnisse in Zeit des Zorns aus. Der kurze Zeitsprung zurück ins Jahr 2005 ermöglicht es Winslow, Ben, Chon und O als Charakterköpfe einzuführen. Als Leser erfährt man, welche persönlichen Nackenschläge die drei noch als Heranwachsende hinnehmen mussten und wie sie sich von diesen mit dem Aufbau ihres Edelmarihuana-Handels befreiten. Man erhält einen Blick in ihre ganz persönliche (darwinsche) Schule des Lebens. Mit dem größeren Zeitsprung in die 1960er zurück steigt Winslow an der Oberfläche die Generationenleiter hinab, um die Prägung ihrer Eltern und ihrer späteren Feinde zu ergründen. Unter der Oberfläche ist dieses Hinabsteigen in die Geschichte aber auch wortwörtlich zu verstehen. Winslow taucht erneut in die endlose Geschichte des amerikanischen Drogenkrieges hinab, bleibt aber hier in weiten Teilen in den Vereinigten Staaten.

Kings of Cool
Don Winslow: Kings of Cool. Aus dem Amerikanischen von Conny Lösche. Suhrkamp Verlag 2012. 351 Seiten. 19,95 Euro. Hier bestellen

Der Blick in den Süden, nach Mexiko, Kolumbien oder Paraguay ist gar nicht notwendig, um deutlich zu machen, dass die seit Jahrzehnten andauernde Katastrophe in den USA ihren Ursprung hat. Denn hier ist der weltgrößte Absatzmarkt für Drogen. Jedes Jahr werden 20 Tonnen Heroin, 110 Tonnen Amphetamine, 330 Tonnen Kokain und unzählige Mengen an Marihuana in die USA geschmuggelt. Angesichts dieser Zahlen mit dem Zeigefinger auf Mexiko und die südamerikanischen Staaten zu zeigen, hält Winslow für zynisch. Nicht der Irak- oder der Afghanistankrieg sei der längste Krieg, den Amerika seit 1945 auszufechten hat, sondern der Krieg gegen die Drogen, der seit mehr als 40 Jahren unerlässlich tobt. Von diesem Krieg und davon, wie er die Generationen in den einzelnen Ländern geprägt, das amerikanische Rechtssystem beeinflusst und der amerikanischen Gesellschaft seinen Stempel aufgedrückt hat, erzählen Don Winslows Hard-Boiled-Krimis. Variantenreich, temporeich und packend.

Die Charaktere seiner Geschichten haben jeweils eine geradezu darwinistische Schule des Lebens durchlaufen, deren Motto lautet: Wer sich nicht anpasst, gerät unter die Räder. So wie der Anti-Drogen-Kampf den amerikanischen Haushaltsplanern in Fleisch und Blut übergegangen ist, so ist er dies auch bei den Kartellen, Mafiosis, Dealern, Polizisten und Ermittlern. Alle haben sich darauf eingestellt, eben deshalb nimmt er kein Ende. Als Intervention geschaffen ist er zur Doktrin geworden und inzwischen ideologischer Teil der US-amerikanischen Staatsräson. Wohin dies geführt hat, kann man bei Don Winslow lesen.

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