Film

Unsere Berlinale-Favoriten

Über 400 Filme wurden auf der diesjährigen Berlinale gezeigt. Auch wenn wir bei weitem nicht alle davon gesehen haben, durften wir doch mehr Filme schauen, als wir besprochen haben. Bevor alle Preise vergeben sind, präsentieren wir unsere Favoriten aus allen Sektionen.

Das Mittelmeer brennt. Täglich werden Flüchtlinge in Lampedusas Hafen gebracht und dort von Inselarzt Pietro Bartolo notversorgt. Zeitgleich streift der zwölfjährige Samuele über die Insel und macht den Blödsinn, den zwölfjährige Jungs halt so machen. Dem italienischen Dokumentarfilmer Gianfranco Rosi ist mit »Fuocoammare« (hier unsere Rezension) eine hoch aktuelle und erschütternde Reflektion über die europäische Gegenwart gelungen.

Inhebbek Hedi | Hedi | Frederic Noirhomme © NOMADIS IMAGES-LES FILMS DU FLEUVE–TANIT FILMS
Inhebbek Hedi | Hedi | Frederic Noirhomme © NOMADIS IMAGES-LES FILMS DU FLEUVE–TANIT FILMS

Hedis Leben verläuft in vorgezeichneten Bahnen, die Hochzeit mit der für ihn vorgesehenen Braut steht kurz bevor. Doch Wirtschaftskrise und die lebensfrohe Rim stellen alles auf den Kopf und der junge Tunesier bricht aus. Mohamed Ben Attias »Inhebbek Hedi« (hier unsere Rezension) ist eine leise, aber intensive Erkundung der postrevolutionären tunesischen Gesellschaft, die sich wie Hedi selbst verloren hat und neu erfinden muss.

Kollektivet | The Commune | © Christian Geisnæs
Kollektivet | The Commune | © Christian Geisnæs

Statt sein Elternhaus zu verkaufen, lässt sich Erik von seiner Frau Anna überreden, in der gigantischen Villa mit Freunden eine Kommune ins Leben zu rufen, um neuen Schwung in ihr Leben zu bekommen. Als das Leben ein Fest zu sein scheint, geht Erik eigene Wege. Dogma-Mitbegründer Thomas Vinterberg feiert in »Kollektivet« (hier unsere Rezension) Wohl und Wehe des Teilens, seine Hauptdarstellerin Trine Dyrholm spielt bärenverdächtig.

Smrt u Sarajevu / Mort à Sarajevo | Death in Sarajevo | © Margo Cinema & SCCA/pro.ba
Smrt u Sarajevu / Mort à Sarajevo | Death in Sarajevo | © Margo Cinema & SCCA/pro.ba

Der vielfach ausgezeichnete bosnische Regisseur Danis Tanovic, der 2013 mit seinem Roma-Drama An Episode of the Life of an Iron Picker sowohl Kritiker als auch Publikum begeisterte, ist im Wettbewerb mit seinem neuen Film Death in Sarajevo vertreten. Darin lässt er die Zuschauer an einem Tag im maroden Hotel Europe teilhaben. Während die europäische Gesellschaft in Sarajevo ein zweifelhaftes Jubiläum feiern möchte, werden im einstigen Vorzeigehotel der Stadt gesellschaftspolitische Fragen diskutiert.

Ejhdeha Vared Mishavad! | A Dragon Arrives! | © Abbas Kosari

Der iranische Regisseur Mani Haghighi hat mit »A Dragon Arrives« (hier unsere Rezension) im Wettbewerb ein visuelles und akustisches Meisterwerk präsentiert. Die Handlung ist kafkaesk, handelt von den Ermittlungen rund um einen mysteriösen Todesfall auf der iranischen Insel Qeshm, bei denen es zu Verwicklungen kommt, wie man sie nur von Roberto Bolaño kennt. Sensationell ist die Optik dieses Films, jede seiner glänzenden Aufnahmen möchte man sich als Einzelbild an die Wand hängen.

Zero Days | Stuxnet Code
Zero Days | Stuxnet Code

Oscar-Preisträger Alex Gibney (»Taxi of the dark side«) ist einer der erfolgreichsten Dokumentarfilmer überhaupt. Auf der Berlinale stellte er »Zero Days« vor, ein Film, der bei dem Gerücht, der Computerwurm Stuxnet sei von den USA und Israel entwickelt worden, beginnt und im Szenario einer neuen Kriegstechnologie endet. Neben der Aufdeckung der Fakten besticht dieser Film vor allem in seiner Verständnis schaffenden Visualität.

24 Wochen | 24 Weeks | © Friede Clausz
24 Wochen | 24 Weeks | © Friede Clausz

Astrid und Markus sind ein eingespieltes Team. Als sie ihr zweites Kind erwarten, wird ein Gendefekt und schwerer Herzfehler festgestellt. Sorgen und Zweifel entzweien das Paar, Astrid muss die schwerste Entscheidung ihres Lebens treffen. Anne Zohra Berracheds »24 Wochen« (hier unsere Rezension) ist das aufwühlende Porträt eines Paares im Ausnahmezustand, mit einer starken Julia Jentzsch in der Hauptrolle.

Chi Raq | © Parrish Lewis
Chi Raq | © Parrish Lewis

Als die elfjährige Patti bei einer Schießerei auf offener Straße ums Leben kommt, treten die Frauen von Englewood Chicago in einen Sex-Streik. Ihre Männer sollen erst dann wieder in den Genuss körperlicher Zuwendung kommen, wenn sie den Straßenkrieg einstellen. Spike Lees »Chi-Raq« (hier unsere Rezension) ist ein ebenso frivoles wie engagiertes Lehrstück für politische Schönheit im Hip-Hop-Score nach antiker Vorlage.

Hail, Caesar! | © Universal Pictures
Hail, Caesar! | © Universal Pictures

Eddie Mannix ist der Mann, der Träume Wirklichkeit werden lässt. Er leitet ein großes Studio im Hollywood der fünfziger Jahre. Doch als der Historienschinken »Hail, Caesar!« (hier unsere Rezension) kurz vor Abschluss steht, wird der Star des Films von Kommunisten entführt. Außerdem bereitet ihm sein Musical-Starlet Kopfschmerzen und der Intellektuelle unter seinen Filmemachern flucht über seinen Cast. Das neue Werk der Coen-Brüder ist cineastisches Vergnügen mit Augenzwinkern.

Sufat Chol | Sand Storm | © Vered Adir
Sufat Chol | Sand Storm | © Vered Adir

In dem Beduinendrama »Sufat Chol«, treffen starke Frauen auf schwache Männer. Dennoch müssen sie sich der Stammkultur fügen und werden in die Familien verheiratet, die den Männern genehm sind. Doch sie nutzen die kleinen Lücken des Alltags, um ihre Würde in einem gewaltvollen Alltag zu bewahren. Elite Zexers herausragender Debütfilm hat vor wenigen Wochen den Hauptpreis beim Filmfestival in Sundance gewonnen.

National Bird | Torsten Lapp © Ten Forward Films
National Bird | Torsten Lapp © Ten Forward Films

Es sind spektakuläre Imagevideos, mit denen die US Air Force Soldaten für ihr Drohnenprogramm sucht. Die Dokumentarfilmerin Sonia Kennebeck blickt in »National Bird« hinter die Fassade und bringt auf Basis der Aussagen dreier Kriegsveteranen Licht ins Dunkel der geheimen Drohnenkriege der USA. Sie zeigt das Leid hinter dem Knopfdruck, der über Leben und Tod entscheidet – bei den Opfern und bei den Tätern.

Grüße aus Fukushima | Fukushima, man Amour | Mathias Bothor © Majestic
Grüße aus Fukushima | Fukushima, man Amour | Mathias Bothor © Majestic

Maria hat ihre Beziehung in den Sand gesetzt und reist zur Läuterung nach Fukushima, um dort für die Organisation Clowns4Help für Amüsement in den Notunterkünften zu sorgen. Dort trifft sie auf Satomi, die letzte Geisha Fukushimas, mit der sie ihr Elternhaus in der gesperrten Zone wieder auf Vordermann bringen wird. Doris Dörreis Schwarz-Weiß-Drama »Grüße aus Fukushima« ist ein leises Requiem auf Japan und seine Kultur.

Shepherds and Butchers
Shepherds and Butchers

Als der 19-jährige Leon Labuschagne im Sommer 1987 nach seiner Schicht im Hochsicherheitsgefängnis nach Hause fährt, hakt etwas in seinem Kopf aus. Er erschießt sieben schwarze Mitglieder eines Football-Clubs. Hat das vielleicht etwas mit seiner Arbeit im Todestrakt zu tun? Oliver Schmitz rekonstruiert in seinem spannenden Gerichtsdrama »Shepherds and Butchers« einen unfassbaren Fall aus dem Südafrika zu Zeiten der Apartheid.

Where To Invade Next | © Dog Eat Dog Films
Where To Invade Next | © Dog Eat Dog Films

Nirgendwo lernt man mehr über seine Heimat als in der Fremde. Michael Moores »Where to invade next« spielt deshalb dort, wo er Lösungen für die drängenden gesellschaftlichen Probleme in den USA vermutet. Vom bezahlten Urlaub über gesundes Schulessen bis hin zur Gleichstellung von Frauen pflückt er die sozialpolitischen Blumen, die er für dringend notwendig hält. Es ist zum Schreien komisch, wie er das arrangiert, die Erkenntnis, die sich einstellt, schockierend.

Hotel-Dallas
Hotel Dallas

Wie die VHS-Kassetten das kommunistische Rumänien geprägt haben, hat die tolle Dokumentation »Chuck Norris und der Kommunismus« gezeigt. Livia Ungurs »Hotel Dallas« vertieft dieses skurrile Thema. Sie erzählt darin nicht nur von der eigenen Prägung durch J. R. Ewings Dynastie, sondern auch von einem Freizeitpark des Sunflower-King Ilie, einer Geldwaschanlage. Sicher die skurrilste Doku des Festivals.

© Robert Mapplethorpe Foundation. Used by permission.
© Robert Mapplethorpe Foundation. Used by permission.

Im Mittelpunkt der Dokumentation »Mapplethorpe: Look at the Pictures« (hier unsere Rezension) von Fenton Bailey und Randy Barbato stehen Fotografien der legendären X-, Y- und Z-Series. Sie geben einen vertieften Einblick in das Gesamtwerk Mapplethorpes, erzählen die Geschichten hinter den Bildern und zeichnen die Genese vom Sohn irisch-katholischer Einwanderer zum kontroversen Megastar der internationalen Kunstszene nach.

Barakah yoqabil Barakah | Barakah Meets Barakah | © El-Housh Productions
Barakah yoqabil Barakah | Barakah Meets Barakah | © El-Housh Productions

Es gibt kein einziges Kino in Saudi-Arabien, Mahmoud Sabbagh hat das nicht davon abgehalten, eine arabische Liebeskomödie für die große Leinwand zu drehen. Darin verliebt sich der unsichere Hipster Barakah aus Dschiddas Bronx in das aufmüpfige IT-Girl Bibi aus gutem Hause und versucht sie zu daten. Spritzige Dialoge und der Mut zur Leichtigkeit machen »Barakah yoqabil Barakah« (hier unsere Rezension) zu einem der vergnüglichsten des Festivals.

War-on-Everyone
War on Everyone

Terry und Bob sind ein Alptraum für jeden Chef. Sie halten sich an keine Vorschrift, machen die Welt zu ihrer eigenen Bühne und schütten sich schon am morgen das erste Bier innden Rachen. Blöd nur, dass sie für New Mexikos Polizei arbeiten, wenngleich ihre halbseidenen Methoden das kriminelle Gewerbe zittern lässt. Bis ein adliger Britte auftaucht und das duo herausfordert. John Michael McDonaghs Buddy-Komödie »War on everyone« ist ein großer Spaß, der Starsky und Hutch in den Schatten stellt.

The Ones Below | © The One Below LIMITED
The Ones Below | © The One Below LIMITED

Kate und Justin erwarten ihr erstes gemeinsames Kind, als unter ihnen ein neues Paar einzieht. Die beiden Frauen freunden sich an, denn auch Teresa ist nach jahrelangen Versuchen schwanger. Nach einem gemeinsamen Abendessen kommt es zu einem Unfall, infolge dessen Teresa ihr Kind verliert. Nach einigen Wochen Abstinanz sucht sie wieder den Kontakt zu Kate. David Farrs »The ones below« ist ein unter die Haut gehender Thriller mit überraschendem Finale.

Who's Gonna Love Me Now? | © Heymann Brothers Films
Who’s Gonna Love Me Now? | © Heymann Brothers Films

Der vierzigjährige Saar hat den Erwartungen seiner Familie nie entsprochen, nicht zufällig hat er Israel verlassen und ist zu seiner großen Liebe nach London gegangen. Als diese scheitert, tauchte er tief in die Schwulenszene ein, genoss das wilde Leben, bis er an Aids erkrankte. Tomer und Barack Heymanns »Who’s gonna love me now« ist das intime Porträt dieses Mannes, der sich den schmerzhaften Familienkonflikten stellt und einen Weg zurück in seine Heimat findet.

2 Kommentare

  1. […] Weniger darwinistisch als vielmehr psychologisch nähert sich die ungarische Regisseurin Ildikó Enyedi an das Menschsein an. In ihrem Film On Body and Soul lässt sie den steifen Wirtschaftsprüfer Endre (Géza Morcsányi) und die autistisch veranlagte Veterinärmedizinerin Mária (Alexandra Borbély) in einem Budapester Schlachthaus aufeinandertreffen und Interesse aneinander finden. Um die beiden Figuren arrangiert die Ungarin ein Ensemble, in dem sich die klassischen Kabbalen und Lieben des Alltags spiegeln. In dieser Abbildung des Alltags im Mikrokosmos erinnert der Film an Danis Tanovićs letztjährigen Wettbewerbsbeitrag Tod in Sarajevo. […]

  2. […] Er steht damit in der Tradition von Michael Manns »Insider«, Tom McCarthys »Spotlight«, Sonia Kennebecks »National Bird« oder jüngst Scott Z. Burns »The Report«. Dabei basiert er auf einem Porträt, dass der […]

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