Artbooks, Film

Künstlerbiografien und Bandgeschichten

Die 67. Berlinale eröffnet heute Abend mit Etienne Comars Biopic »Django«. Der Verfilmung des Lebens des französischen Künstlers Django Reinhardt, der als Vorreiter des europäischen Jazz gilt, steht im Wettbewerb eine Dokumentation von Joseph Beuys gegenüber. Andere Beiträge widmen sich dem Schweizer Maler Alberto Giocometti, der kanadischen Künstlerin Maud Lewis, der elektronischen Pionierformation Tangerine Dream und der britischen Alternative-Band Wolf Alice.

Django

© Roger Arpajou
© Roger Arpajou

Frankreich 1943, zur Zeit der deutschen Besatzung. Jeden Abend begeistert der Gitarrist und Komponist Django Reinhardt mit seinem Gypsy Swing die Pariser Zuhörer, eine Musik voller Lebenslust und Witz. Während viele andere Sinti aus rassischen Motiven verfolgt und in Konzentrationslagern umgebracht werden, wiegt sich Django aufgrund seiner Popularität in Sicherheit. Bis ihn Vertreter des NS-Propagandaapparats auffordern, auf Tournee nach Deutschland zu gehen, um gegen die US-amerikanische »Negermusik« anzuspielen. Django Reinhardt weigert sich. Eine Pariser Verehrerin hilft ihm, seiner schwangeren Frau und seiner Mutter unterzutauchen und in ein Dorf in der Nähe der Schweizer Grenze zu gelangen. Hier trifft er auf Mitglieder seiner weitverzweigten Familie, die ebenfalls auf der Flucht sind. Als er mit Frau und Mutter über den Genfer See zu kommen versucht, sind ihm die Nazis dicht auf den Fersen. In seinem Regiedebüt porträtiert Etienne Comar einen unkonventionellen Künstler und Freigeist, dessen Leben so improvisiert ist wie seine Musik. Vor die Frage gestellt, ob er seine Kunst politisch missbrauchen lässt, muss er eine existentielle Entscheidung treffen.

Regie: Etienne Comar. Mit Reda Kateb, Cécile de France, Beata Palya, Bim Bam Merstein, Gabriel Mirété

Revolution of Sound. Tangerine Dream

© Jerome Froese-Archiv
© Jerome Froese-Archiv

»Tangerine Dream ist Science Fiction!« Bandleader Edgar Froese, der 2015 70-jährig verstarb, erforschte mit seiner Band »Tangerine Dream« den Sound und dessen Wechselwirkung mit den Gefühlen. Der Film über eine der ersten Elektronikbands Deutschlands beginnt mit jungen Berliner Musikern, die der Beginn des »Space Age« in den 1960er-Jahren samt Raketenstarts und Zukunftsvisionen genauso inspirierte wie der eigene Herzschlag, aus dem Froese Musik komponierte. Mit der Hilfe von Moogs und anderen Synthesizern revolutionierte er (in wechselnder Begleitung) das Genre der Pop- und Unterhaltungsmusik – er ging weit in die Klassik, in die Neue Musik, in die Filmmusik hinein, und erschuf statt klar strukturierter Songs lieber visualisierbare Stimmungen: Regisseure wie Michael Mann und Paul Brickman erzählen von der Zusammenarbeit, aus der einige der ungewöhnlichsten Soundtracks der 1980er-Jahre entstanden, unter anderem für Risky Business (Paul Brickman, 1983) oder Near Dark (Kathryn Bigelow, 1987). Anhand von Amateuraufnahmen, Interviews mit Bandmitgliedern, Familienangehörigen, Freunden und Kollegen wie Jean-Michel Jarre, entsteht ein umfassendes Porträt eines künstlerischen Pioniers.

Regie: Margarete Kreuzer. Mit Edgar Froese, Peter Baumann, Christoph Franke, Johannes Schmoelling

2+2=22 [The Alphabet]

© Heinz Emigholz Filmproduktion
© Heinz Emigholz Filmproduktion

Ausgetretene Straßenränder, zerbrochene Gehwegplatten. Bäume ragen aus dem Zement und werfen Schlagschatten auf bröckelnde Fassaden. Das Stadtzentrum von Tiflis im Sommer 2013. Blicke in Seiten- und Hauptstraßen, über Geländer und unter Balkone, auf eine architektonische Kakophonie. Der von Natja Brunckhorst gesprochene Kommentar reflektiert über das Wesen von Straße und öffentlichem Raum. In einem eichenholzverkleideten Aufnahmestudio nimmt die Düsseldorfer Band Kreidler ihr Album «ABC« auf. Der Drummer trägt Kopfhörer, sein Set steht auf einem Teppich, der farblich auf den Mosaikfußboden abgestimmt ist. Nur die komplexe Geometrie der schalldämmenden Decke ist weiß. Der Boden ist bedeckt von Kabelwirrwarr und Elektronik. Die Atmosphäre ist konzentriert, die Kommunikation zwischen den Musikern oft wortlos. Drittes Element der Parallelmontage sind die vertrauten, eng beschriebenen und mit Prospektausrissen oder Kinokarten beklebten, wie immer rasch durchgeblätterten Notizbücher des Regisseurs. Sie folgen dem Alphabet. Heinz Emigholz rebootet mit diesem ersten Teil der «Streetscapes« seine Serie «Photographie und jenseits« und leitet einen faszinierenden neuen Abschnitt ein.

Regie: Heinz Emigholz

On the Road

on the road

‘You can join us if you think you’re wild
You can join us if you’re a feral child
Our love is cool’
Wolf Alice: Freazy

Ihren Bandnamen haben sie einer Kurzgeschichte von Angela Carter entlehnt. Wolf Alice, bestehend aus Ellie Rowsell, Joff Oddie, Joel Amey und Theo Ellis, gehen im Sommer 2015 mit ihrem verführerisch düster-euphorischen Debütalbum »My Love Is Cool« auf Tournee durch Großbritannien und Irland und sehen sich dabei mit plötzlichem Ruhm konfrontiert. Regisseur Michael Winterbottom begleitet die Band und beobachtet aus der Perspektive eines neuen Crewmitglieds die Realitäten des Tourlebens: die energetischen Übertragungen zwischen der Band und ihrem jungen Publikum, die ekstatischen Momente auf der Bühne und die Erschöpfungszustände dahinter. Stück für Stück offenbaren sich auch die Beziehungen unter den Reisenden – mit überraschenden Wendungen.

Regie: Michael Winterbottom. Mit Ellie Rowsell, Joff Oddie, Theo Ellis, Joel Amey


Beuys

3 Kommentare

  1. […] Biopic »Der Staat gegen Fritz Bauer«, die das deutschsprachige Portfolio ebenso erweitern wie Andres Veiels mitreißende »Beuys«-Doku oder Ruth Beckermanns nachdenklich-stille und dennoch überwältigende Bachmann-Celan-Inszenierung […]

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