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Liegen lernen oder »Managertypen« liegen auf dem Rücken

© Thomas Hummitzsch

Von trotzigen »Bett-Fröschen«, misstrauischen »Begehrern« und nervösen, ihr Kopfkissen umklammernden »Fallschirmspringern« – Bernd Brunner gibt in »Die Kunst des Liegens« einen verträumten Einblick in die Liegeweisen des Menschen. 

»Liegen sie auch gerade?« Aber ja, möchte die Leserin antworten, tut es im Stillen, hat sich niedergelassen und den Liegestuhl in den kühlenden Schatten gerückt. Schon mit der Einstiegsfrage ist sie im Bunde mit dem Autor, bestärkt, das Richtige zu tun, das Liegen zur Kunstform zu erheben und sich entspannt zurückzulehnen in Erwartung eines leichten, doch gehaltvollen Lesevergnügens. Eine durchaus lohnende Positionsbestimmung, wenn man bedenkt, dass der Mensch mindestens ein Drittel seines Lebens im Liegen verbringt und hier vielleicht der Schlüssel zum Ich verborgen liegt.

Es ist naheliegend, Bernd Brunners bereits im Sommer 2012 erschienenes Büchlein Die Kunst des Liegens in der Horizontalen zu lesen. Den inneren Antreiber zum Schweigen bringen, lästige Gedanken und Geräusche, die Welt da draußen ausblenden, nichts müssen, wollen, nur sein: Das ist wahre Lebenskunst.Zudem ist, wie Lektüre und Erfahrung zeigen werden, »die Liege-Sitz-Haltung von 127 Grad offenbar besonders gut dazu geeignet, die sonst beim Sitzen auftretenden Spannungen der Wirbelsäule zu beseitigen«.

Dabei sind die Assoziationen, die sich mit dem Liegen verbinden, durchaus ambivalent. Die einen freuen sich auf das allabendliche Loslassen des Tages, sehnen sich nach Innehalten oder süßem Nichtstun. Andere hingegen fühlen sich an das verzweifelte Bemühen erinnert, in den Schlaf zu finden, und empfinden beim Liegen quälenden Stillstand. Haben wir in Zeiten der Selbstoptimierung wie der unablässig eingeforderten, aber selten erreichten Entschleunigung »das Liegen verlernt«? Im Buch bewegen wir uns zwischen diesem Für und Wider, zwischen Passivität, aber ebenso möglicher Aktivität und Kreativität.

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Bernd Brunner: Die Kunst des Liegens. Handbuch der horizontalen Lebensform. Galiani Berlin 2012. 160 Seiten. Mit zahlreichen Illustrationen. 16,99 Euro. Hier bestellen

Der Kulturwissenschaftler Brunner, der bereits über den Mond, das Aquarium und den Weihnachtsbaum geschrieben hat, hat zusammengetragen, was von Interesse sein könnte. Entstanden ist eine eigenwillige Mischung aus sachlicher Information, launigen Beschreibungen angereichert mit skurrilen Anekdoten und vielen, mehr oder weniger tiefgründigen Zitaten einer Reihe von Geistesgrößen wie Nietzsche, Barthes und Freud, aber auch unbekannter Philosophen (des Liegens), Schriftsteller, Schlafforscher und Historiker.

Was tun Sie im Liegen wie und mit wem, wann und warum? Liegen Sie richtig? Bisweilen verführt Brunner auf amüsante Weise zur Selbstbeobachtung, so auch bei dem Versuch, »von der Position beim Schlafen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zu ziehen«. Da gibt es trotzige »Bett-Frösche«, misstrauische »Begehrer« oder die nervösen, ihr Kopfkissen umklammernden »Fallschirmspringer«. »Als ‚Glückskind‘ ohne jegliche Lebensängste gilt, wer in lockerer Seitenlage gelöst und entspannt schläft.«

Wer ein klassisches Handbuch im Sinne eines Ratgebers erwartet, wird enttäuscht sein. Es gibt nicht das ideale Bett, die optimale Matratze oder die eine gesunde Schlafposition. In kurzen Abschnitten gibt der Autor vielmehr Einblicke in die Liegeweisen des Menschen von der Urzeit bis in die Moderne, von Orient bis Okzident, von heilenden bis Luxusbetten.

Dabei sind weder eine systematische Gliederung noch ein Leitfaden erkennbar. Die Lektüre ist im Wesentlichen eine beschreibende, aufgeworfene Fragen werden oft nicht beantwortet oder an völlig unvermuteter Stelle wieder aufgegriffen. Ein Beispiel: das Kapitel Der horizontale Arbeitsplatz. »Es wäre interessant zu erfahren, wie sich das Liegen auf die Konzentration auswirkt …« Unter anderen werden Marcel Proust und Mark Twain, die vornehmlich im Bett schöpferisch tätig waren, als Beispiele angeführt, um die These zu erhärten, dass erst durch zeitweiligen Rückzug und Passivität Raum für Kreativität entsteht.

Ohne weiter auf Thema oder Ausgangsgedanken einzugehen, wechselt Brunner zur nächsten (rhetorischen) Frage: »Wie viel Zeit soll, darf und kann man im Bett verbringen?« Wer hier in der Literatur nach Antwort und dem Liegen als Seinsform sucht, kommt an Gontscharows Fürst Oblomow nicht vorbei, eine Figur, die unweigerlich polarisiert, eine gelungene Projektionsfläche für Lebens- und Liegekünstler bietet.

Zum Ende des Kapitels stellt Brunner schließlich einen gefährlichen Zusammenhang »zwischen Drogen und Liegen« her und erinnert an »Ingeborg Bachmann, die in ihrer Wohnung in Rom beim Rauchen einer Zigarette einschlief und verbrannte«. »Wir lesen und lernen«, was wir schon wissen: »Es tut Menschen nicht gut, zu viel Zeit im Liegen zu verbringen«. Auch bei der Arbeit nicht.

Die meisten Kapitel folgen in etwa diesem Muster eines schönen Kinderspiels: Man nehme ein Hauptwort oder Thema, suche reihum weitere, die in einem Sinnzusammenhang stehen, lasse dabei seinen Assoziationen freien Lauf und sich vom Ende überraschen.

Ein paar kurzweilige Stunden später hat die Leserin im Selbstversuch erkundet, was passiert Vom Liegen zum Schlafen, zum Aufwachen, ist um manche Erkenntnis reicher und begibt sich leichtfüßig zurück in den senkrechten Alltag.

Ende, nde, de, e, …

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