Comic, Interviews & Porträts

»Ich kann nicht ohne Musik«

Bei »Pretty Polly« hast Du nicht nur die Kentucky-Version verwendet, sondern diese mit der alten englischen Seefahrer-Ballade »The Gosport tragedy« kombiniert. Wie hast Du von dieser älteren Vorlage erfahren?

Ich bin auf eine tolle Website gestoßen, auf der alle Mörder-Balladen mit allen Informationen, die man finden kann, verzeichnet sind. Da bin ich auf »Pretty Polly« gestoßen. Und von Anfang an faszinierte mich die Szene, in der der Typ eine Nacht lang ein Grab schaufelt. Warum macht der das, hab ich mich gefragt. Was ist das für ein Schwein, der so kaltblütig plant, seine Geliebte umzubringen? Aber dann habe ich gesehen, dass es die »Gosport Tragedy«, eine noch viel ältere Version gibt. Und dann dachte ich, wie genial, das kann ich wunderbar zusammenführen, in dem ich die eine Geschichte an die andere anschließen lasse. Kurz habe ich über eine Gespenstergeschichte auf dem Schiff nachgedacht, habe das aber schnell verworfen. Das wäre zu Gothic gewesen. Also hatte ich die Idee, ihn ihre Kleider tragen zu lassen. Heureka, das war es. Also so läuft das mit den Gedanken, die fließen, bis die Geschichte da ist. Am längsten hat »Caleb Meyer« gedauert, meine erste Geschichte. Als die fertig war, hatte ich meine Stimme gefunden, um die anderen Geschichten zu erzählen. Die kamen dann viel einfacher.

Wie möchtest Du, soll man deine Balladen-Comics bezeichnen? Würdest Du mir zustimmen, wenn ich sage, es sind »look between the lyrics«-Comics?

Ja, das trifft es auf den Punkt, in doppelter Hinsicht. Zum einen habe ich zwischen den Zeilen der Songs gelesen, zum anderen müssen meine Leser auch zwischen den Zeilen in meinem Comic lesen. Ich erwarte viel von ihnen, sie müssen sich bemühen.

Kennst Du »Mister Nostalgia« von Robert Crumb? Dein Comic hat mich daran erinnert, an die Kraft, die Bilder haben, um von Musik und seinen Geschichten zu erzählen.

Ich werde es mir noch einmal zur Hand nehmen. Aber ehrlich gesagt lese ich selbst gar nicht so viele Comics, schon gar nicht, wenn ich selbst an einem arbeite.

 

Du hast einige Mörder-Balladen für deinen Comic ausgelassen, Klassiker wie »Down by the sally gardens«, »Delia’s Gone«, »Down in the willow garden« oder »The devils right hand«.

Naja, wenn ich Musik mache, sind die immer mit dabei. In meinem Repertoire habe ich zwanzig bis dreißig Songs. Ich kann die aber nicht alle allein machen, für »Where the Wild Roses Grow« etwa brauche ich meine Freundin Sophie, ohne die kann ich das natürlich nicht singen.

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Erik Kriek: In the Pines – Murder Ballads. Aus dem Englischen von Benjamin Mildner. Aus dem Niederländischen Katrin Herzberg. avant-verlag 2016. 136 Seiten inkl. CD. 24,95 Euro. Hier bestellen

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit den Blue Grass Boogiemen?

Das sind sehr gute Freunde von mir, mit dem Bassisten bin ich seit Jahren befreundet. Vor vier Jahren habe ich ihm erzählt, dass ich an dem Buch arbeite. Sie waren gleich begeistert und sagten, da sollte man eine CD beilegen. Ich war erst einmal skeptisch, weil ich ja Songs von Steve Earle und Johnny Cash mit dabei hatte. Ich wollte nicht die Rechtegebühr dafür zahlen. Aber wieso denn, sagten sie dann, wir machen das mit Dir. Das ist eine tolle Zusammenarbeit. Nicht das erste Mal übrigens, aus meinen ersten Comics, den Gutsman-Comics, habe ich ein Bühnenstück mit Musik gemacht. Da waren sie auch beteiligt. Mit den Jungs zusammenzuarbeiten ist einfach genial. Egal wo die hinkommen, die packen die Instrumente aus und legen einfach los.

Ich habe gesehen, dass in den Niederlanden eine einstündige Radiosendung für den Comic gemacht, Du warst sogar mit dem Comic im holländischen Fernsehen. Sind Comics in den Niederlanden gerade derart en vogue?

Das Buch trifft gerade einen Nerv, ich weiß auch nicht welchen. Alle sind begeistert. Zeitungen haben mir zwei, drei Seiten eingeräumt. Wir waren innerhalb von drei Wochen mit der ersten Auflage ausverkauft, der Verleger weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Normalerweise interessiert sich in den Niederlanden kein Mensch für Comics. Die Radiosendung ist so ein Late-Night-Talk, wenn keiner mehr zuhört. Beim Fernsehen war ich zur Hauptsendezeit eingeladen, vier Millionen Zuschauer vor den Geräten. Da will jeder Verleger sein Buch platzieren und mich laden die mit meinem Comic ein. Das war echt verrückt. Wir waren am Donnerstag zu Gast und am nächsten Tag war die erste Auflage ausverkauft.

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