Literatur, Roman

Hinter den Kulissen von Kunduz

Journalismus, politische Intrigen und Aufklärung stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Ohne investigative Recherche würde so mancher politische Skandal unentdeckt bleiben, wie der Journalist und Drehbuchautor Achim Zons in seinem verblüffend realistischen Kunduz-Medien-Thriller »Wer die Hunde weckt« zeigt.

Die Angst vor einem Anschlag der Taliban ist groß, als sich ein LKW-Konvoi einem Militärcamp nähert. Zwei Kampfjets werfen ihre Bomben ab und die Lastwagen gehen in einem Flammenmeer auf. Doch statt Bomben befanden sich Kinder aus einem nahe gelegenen Waisenhaus auf dem Transporter.

Den Befehl, die Bomben abzuwerfen, erhielten die amerikanischen Piloten von dem deutschen Befehlshaber Robert Westphal. Dieser verschwindet kurz nach dem Anschlag aus dem Militärcamp spurlos. Das ist insofern eine delikate Angelegenheit, als dass der Vorfall nicht nur ein schlechtes Licht auf die Bundeswehr und die internationalen Truppen in Afghanistan wirft, sondern auch die Geheimdienste und Medien weltweit in Aufruhr versetzt.

Der Plott von Achim Zons erstem Thriller erinnert an den Luftangriff bei Kunduz vom September 2009. Damals ordnete der deutsche Oberst Georg Klein die Bombardierung von zwei Tanklastwagen an, die in einem Flussbett feststeckten. Über einhundert Afghanen kamen dabei ums Leben, viele weitere wurden dabei verletzt. Sie hielten sich zum Zeitpunkt des Luftschlags in der Nähe der Tanklastwagen auf, um den Treibstoff aus den Tanks der fahrunfähigen Vehikel zu holen.

Bis heute sind einzelne Aspekte rund um diese Ereignisse nicht aufgedeckt. In diese Lücke sticht nun Wer die Hunde weckt, einer der spannendsten deutschen Politthriller der letzten Jahre. Angelehnt an reale Ereignisse erzählt Achim Zons darin eine Geschichte von persönlicher Schuld und politischer Verwicklung, wie sie sich in kriegerischen Konflikten jederzeit wieder ereignen kann.

Als in seinem Roman die Nachricht eines Bombenabwurfs in Afghanistan die Runde macht, bringen die Medien weltweit ihre Korrespondenten für Asien und den Mittleren Osten in Stellung. Sie schicken ihre Experten an Ort und Stelle, um den Tatort zu begutachten, Hintergründe aufzudecken, Zeugen zu befragen und die Rolle des deutschen Generals aufzuklären. Das versucht die Redaktionschefin von Deutschlands wichtigster Tageszeitung, der Münchener DAZ, leider vergeblich. Denn David Jakubowicz, so heißt ihr ehrgeiziger und normalerweise verlässlicher Mann vor Ort, ist gewissermaßen verhindert.

In der Redaktion müssen nun Lösungen her, will man nicht noch mehr Leser verlieren und die Zeitung an die Wand fahren. Deshalb setzt man Jakubowicz’ Informanten in Afghanistan unter Druck. Während sich der junge Afghane auf eine riskante Mission begibt, steigt in München die Angst, den Anschluss an den medialen Wandel zu verlieren.

Zons_Wer die Hunde weckt
Achim Zons: Wer die Hunde weckt. Verlag C.H.Beck 2017. 397 Seiten. 14,95 Euro. Hier bestellen

Der Journalist und Drehbuchautor Achim Zons zeichnet in seinem Thriller ganz nebenbei ein Bild des Medienwandels, das der Wirklichkeit sehr nahe kommt. Er zeigt, wie sich der zunehmende Druck auf die traditionellen Medien im redaktionellen Alltag auswirkt und lässt uns vor dem Hintergrund des Zeitungssterbens an den Macht- und Grabenkämpfen in der Redaktion teilhaben.

Zu Auseinandersetzungen kommt es auch zwischen den verschiedenen Sicherheits- und Geheimdiensten. Denn das Verschwinden von Westphal sorgt für Unruhe. Sowohl die deutschen als auch die amerikanischen Nachrichtendienste wollen für „Schadensbegrenzung“ sorgen. Sie befürchten, General Westphal könnte sich der Befehlsgewalt entzogen haben, um brisante Informationen zu dem Bombenabwurf öffentlich zu machen.

Daran ist wiederum David Jakubowicz interessiert, der aus der Versenkung, in der er zu Beginn des Romans verschwindet, langsam wieder auftaucht und den Kontakt zu Westphal sucht. Es beginnt ein für alle Beteiligten existenzieller Wettlauf mit der Zeit.

Achim Zons ist Journalist und hat viele Jahre bei der Süddeutschen Zeitung in leitender Funktion gearbeitet. Er kennt die unübersichtliche politische Situation am Hindukusch. Dank seiner Erfahrung als Drehbuchautor für den Tatort und andere Produktionen kann er sich zudem problemlos ein Bild von den möglichen Interessen machen, die hinter solchen Ereignissen stecken können. Beides hat er zu einem rasanten Politthriller verwoben, der die realen Ereignisse gewissenhaft aufgreift und glaubhaft in einen neuen Plot überträgt. Dieser ist zwar frei erfunden, aber alles andere als unwahrscheinlich.

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