Film

Recherche gegen das Schweigekartell

Tom McCarthys starbesetztes Journalismus-Drama »Spotlight« erzählt davon, wie das kleine Investigativ-Team beim Boston Globe einen landesweiten Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche aufdeckte. Für die zurückhaltende und zugleich dringliche Inszenierung wurde die Crew im Februar mit zwei Oscars ausgezeichnet.

2001 herrscht in Boston eine Atmosphäre des Klüngels. Politik, Justiz, Kirche und Medien versuchen Hand in Hand, die Stadt nach vorn zu bringen. Zum einvernehmlichen Miteinander gehört auch der Antrittsbesuch des neuen Chefredakteurs des Boston Globe, Martin Baron (Liev Schreiber), bei Erzbischof Bernhard Law (Len Cariou). Dem neu in die Stadt gezogenen Journalisten geht diese Kungelei gegen den Strich, er schlägt das zweifelhafte Kooperationsangebot des städtischen Oberhirten aus. Eine Zeitung sollte besser für sich allein stehen.

In seinen ersten Tagen in der Redaktion stößt Baron in einer alten Ausgabe auf eine Meldung über sexuellen Missbrauch in der Diözese Bostons, die nicht weiter verfolgt wurde. Er wittert eine größere Geschichte und setzt sein Spotlight-Team auf den Fall an. Unter der souveränen Führung von Walter Robinson (Michael Keaton) beißen sich drei nimmermüde Investigativ-Journalisten (Rachel McAdams, Mark Ruffalo und Brian d’Arcy James) an dem Fall fest. Gemeinsam repräsentiert das »Spotlight«-Team archetypisch den journalistischen Beruf. Ruffalo glänzt in der Rolle des bissigen Aktenfressers, McAdams brilliert als empathische Straßenjournalistin und James steht als Fels in der Brandung für den redaktionellen Ruhepol. Keaton bildet das Bollwerk, dass die Redaktion nach innen und nach außen braucht, um in Ruhe arbeiten zu können.

Universal Pictures

Aller Widerstände zum Trotz – grandios wird hier nebenbei die klaustrophobische Atmosphäre in der Stadt sowie die mannigfaltigen Versuche der Einflussnahme der Kirchenoberen abgebildet – durchforsten sie monatelang Archive, telefonieren sich durch Listen und sammeln Hinweise auf alte Missbrauchsfälle. Als sie ein ehemaliger Kirchenmann auf eine Dunkelziffer von sechs Prozent pädophiler Priester in den Reihen der Kirche hinweist, ist ihr Ehrgeiz geweckt. Sie führen Gespräche mit Betroffenen sowie Opferanwälten – Stanley Tucci beeindruckt als Opferanwalt Mitchel Garabedian –, erwirken vor Gericht Einsicht in brisante Akten und sortieren die Fakten. Mehr und mehr verdichten sich die Hinweise, dass Erzbischof Law von sexuellem Missbrauch in seinen Häusern nicht nur wusste, sondern das Schweigen der Opfer und Gerichte systematisch erkauft hat.

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Tom McCarthy: Spotlight. Mit Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Brian d’Arcy James, Liev Schreiber, John Slattery, Stanley Tucci. Panorama Home Entertainment. 128 Minuten. FSK: 0. Hier bestellen

Der mit zwei Oscars (Bester Film, Bestes Originaldrehbuch) ausgezeichnete Journalismus-Thriller basiert auf einer wahren Geschichte, die der Investigativ-Redaktion des Boston Globe 2003 den Pulitzer-Preis einbrachte. Getragen wird die packende Handlung von einem grandiosen Ensemble um Michael Keaton, der nach dem vierfachen Oscar-Erfolg von Birdman im Vorjahr so etwas wie der Schauspieler der Stunde ist.

McCarthy, der gemeinsam mit Josh Singer (Inside Wikileaks) auch das Drehbuch geschrieben hat, zeigt die vierte Gewalt als verantwortungsvolles, wenngleich nicht fehlerfreies Metier. Sein Film ist ein Lehrstück über die journalistische Ethik, inszeniert in einer bewundernswerten Klarheit und Zurückhaltung. So steht am Ende nicht der Triumph eines journalistischen Scoops, sondern der Respekt für die Opfer. Großes Kino!

1 Kommentare

  1. […] und deren Vertuschung aufdeckt. Er steht damit in der Tradition von Michael Manns »Insider«, Tom McCarthys »Spotlight«, Sonia Kennebecks »National Bird« oder jüngst Scott Z. Burns »The Report«. Dabei basiert er […]

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