Film

Der Lächerlichkeit preisgegeben

»Monty Pythons Flying Circus« bezeugt die Genialität der kultigen Komikergruppe. Nun liegt die erfolgreiche Comedy-Serie aus den Siebzigern und Achtzigern komplett digitalisiert in einer edlen Box vor.

Was den Deutschen »kafkaesk« erscheint, ist den Briten »pythonesk«. Das stimmt zwar nicht wortwörtlich, das Sextett um John Cleese würde dem dennoch zustimmen. Denn wer die Dinge zu genau nimmt, hat keinen Humor. Ohnehin wird Monty Python nicht mehr damit assoziiert, was den Gründern bei der Namensgebung im Kopf schwebte. Sie fanden den Namen passend für einen schmierigen, abschweifenden Talkmaster, der dann von John Cleese auch immer wieder neu gegeben wurde.

Am 5. Oktober 1969 strahlte die BBC die erste Folge der Show aus, die nicht nur für den britischen Sender prägend war, sondern stilbildend für ein ganzes Genre. »Monty Pythons Flying Circus« war ein Experiment, in dem sich sechs noch nicht allzu bekannte, aber durchaus TV-erfahrene Ausnahmetalente selbst verwirklichen durften. Die fünf Briten John Cleese, Graham Chapman, Michael Palin, Terry Jones, Eric Idle – alle hatten auf den Eliteunis in Oxford und Cambridge studiert – und der Amerikaner Terry Gilliam erhielten für dreizehn Mal 30 Minuten eine Art Persilschein. Sie nutzten sie und trieben den britischen Humor nicht nur auf die Spitze, sondern erfanden viel grundsätzlicher durch Grenzüberschreitung, Regel- und Tabubruch die Fernsehunterhaltung völlig neu.

Dass die Show ein halbes Jahrhundert später Kultstatus genießt, war anfangs nicht absehbar. Die bis zur Schmerzgrenze überdehnten, aber immer auch intellektuell anspruchsvollen Sketche, mit denen Cleese und Co. klassische Unterhaltungsformate ad absurdum führten, hatten zunächst kaum Fans. Sender-intern stand der Flying Circus schon nach der ersten Folge auf dem Prüfstand. Gerettet haben ihn die jungen Zuschauer. Sie waren begeistert, wie hier alles Miefige, Konservative und Autoritäre ohne Rücksicht auf den guten Geschmack oder Political Correctness aufs Korn genommen wurde. Die erste Folge etwa wartete mit einem Ranking berühmter Todesfälle, der Transformation des Weltkriegs in einen Witzkrieg und dem »schönsten Biss ins Gras« von Admiral Nelson auf, amateurhaft inszeniert mit einer von einem Hochhaus geworfenen Puppe.

Dieser demonstrative Dilettantismus wurde im Flying Circus ebenso zum Programm wie die thematische und figurative Vielfalt. In fast jeder Folge tauchten neue Charaktere auf, nur einige wenige sorgten für Kontinuität. Da wäre die abgehalfterte Crusoe-Figur »It’s-Man« (Palin), die meist vor dem Intro ihren lebensmüden Auftritt hat, der nackte Organist (Gilliam, Jones) oder der BBC-Ansager (Cleese), der mit dem legendären Satz »And now for something completely different« Brücken schlägt, wo keine sind. Als Gumbys gibt das Ensemble immer wieder die grobschlächtigen Einfaltspinsel, als »Pepper Pots« karikieren sie kreischend die britische Mittelstandshausfrau. All das und vieles mehr ist in absurden Momenten eingefangen und wild aneinandergereiht.

Zusammengehalten wird der vergnügliche Nonsens von Terry Gilliams kopfsprengenden Karikaturen, die – mit Stop-Motion-Technik animiert – an Georges Meliès und sein surreales Kino erinnern. Hier profitierte die Show besonders von der Ausstrahlung in Farbe, die Gilliams verrückten Ideen erst die Würze verlieh. In Schwarz-Weiß wären diese kunstvollen Zwischenspiele gnadenlos gescheitert.

Die künstlerische Palette der Truppe um John Cleese bot zudem eine große Auswahl. Terry Jones wusste als britischer Mittelklassetyp ebenso zu überzeugen wie als alte meckernde Schachtel. Eric Idle spielte oft Frauen, gab den Moderator oder spielte finsterere Typen. John Cleese und Graham Chapman brillierten als Aufschneider und Autoritäten, und Michael Palin konnte in so ziemlich jede Rolle schlüpfen. Terry Gilliam agierte eher im Hintergrund, arbeitete an den Animationen und spielte hier und da eine Nebenrolle, denen er mit Begeisterung Kontur verlieh. Carol Cleveland erweitert das Sextett als einzige Frau, musste dabei meist die blonde Sexbobe geben.

Bis 1974 wurden insgesamt 45 Folgen der Serie ausgestrahlt. Der Gag »Dead Parrot«, bei dem sich ein hysterischer Kunde (John Cleese) in einer Zoohandlung darüber aufregt, dass ihm der Ladenbesitzer (Michael Palin) einen ausgestopften Papagei verkaufen will, ist Millionenfach auf Youtube abgerufen. Auch andere Sketches wie »Dirty Hungarian Phrasebook«, »Cheese Shop Sketch«, »Nudge Nudge«, »The Lumberjack Song« oder das aus den zwei deutschen Folgen stammende »Fußballspiel der Philosophen« haben längst Kultstatus. An die legendäre Episode »Ministry of Silly Walks« erinnern Fans jährlich am International Day of Silly Walks.

Simpsons-Zeichner Matt Groening fand die Serie »unglaublich ansprechend«, South Parc-Erfinder Matt Stone »surreal, absurd und verdammt schlau« und Daily Show-Star Stephen Colbert sagte, dass er dieses »auf-den-Wörtern-Herumreiten, wenn Worte sich in ihrer Bedeutung auflösen« selbst praktiziere. Sie sind bei Weitem nicht die einzigen, die sich von Monty Pythons surrealer Weltsicht anstecken ließen.

Der Witz des »Flying Circus« ist in weiten Teilen zeitlos, bei den heißen Eisen der Gegenwart wird es jedoch auch schwierig. Das fängt mit Mansplaining an und hört mit Blackfacing nicht auf. Hier wirken ihre Sketche hölzern, teils hässlich. Dass sich die BBC an diesen Episoden nicht stieß, an anderen _ religionskritischen etwa – hingegen schon, macht die Serie auch zu einem zeithistorischen Dokument der misogynen Political Correctness.

Nun gibt es die komplett restaurierte und von den Eingriffen der BBC bereinigte Kultserie, die die Grundlage für spätere Erfolge wie die König-Artus-Persiflage »Die Ritter der Kokosnuß«, die Jesus-Parodie »Das Leben des Brian« oder John Cleese’ »Fawlty Towers« schuf, erstmals in einer deutschen Synchronisation. Dabei wurden auch Sketche, die seinerzeit aus Gründen des Timings, Geschmacks oder Urheberrechts bearbeitet worden waren, sorgfältig wiederhergestellt und Gilliams Animationen neu in HD gescannt. Diese als »ultimative Fassung« beworbene Edition hat in ihrer gelungenen Umsetzung von Slang, Idiomen und Akzenten das Potential, selbst Fans des Originals (auf Netflix) zu überzeugen.

Monty Python ist auch abseits von seiner Bibelpersiflage »Das Leben des Brian« Kult, das beweist nicht nur diese Edition, sondern auch zwei weitere Filme, die bei Capelight erschienen sind. Da ist zum einen die groteske Piraterie »Dotterbart«, in der der gleichnamige Seeräuber aus dem Knast ausbricht und sich auf die Suche nach seinem Schatz macht. Zum anderen »Jabberwocky«, eine Art Fortsetzung von »Die Ritter der Kokosnuß«, in der der junge Geselle Dennis Cooper in den Kampf gegen den titelgebenden Drachen zieht. Diese Persiflage auf die »guten alten Zeiten« hat es eher in sich als die Piraten-Komödie, aber beide Filme zeigen, wie die Komiker selbst aus den absurdesten Stoffen noch etwas rausholen. Am eindrucksvollsten zeigt das aber immer noch »Monty Pythons Flying Circus« in all seiner Vielfalt – mit Abstrichen, wenn es um aktuelle Debatten geht.

Eine kürzere Fassung dieses Beitrags erschien im Rolling Stone 4/2021.