Dem deutsch-brasilianischen Film »Praia do Futuro« von Karim Aïnouz fehlt es an Handlung und Esprit. Ein Beitrag, der um seiner selbst Willen existiert und im Wettbewerb nichts verloren hat.
Mit großen Erwartungen sind die südamerikanischen Filme ins Rennen um die Berlinale-Bären gegangen. Doch nach Benjamin Naishtats Historia del Miedo hat auch Karim Aïnouz’ Praia do Futuro wenig bis nichts bieten können.
Darin erzählt der in Berlin lebende Brasilianer die Geschichte von Donato (Wagner Moura), der am titelgebenden »Strand der Zukunft« als Rettungsschwimmer arbeitet. Als zwei Touristen an dem für seine Strömungen berüchtigten Strand in Gefahr geraten, kann er nur einen der beiden retten, den deutschen Touristen Konrad (Clemens Schick). Das existenzielle Erlebnis lässt Donato und Konrad näherkommen. Während das Militär nach dem Leichnam von Konrads Freund sucht, verbringen der Deutsche und der Rettungsschwimmer die Tage und Nächte zusammen, bis Donato beschließt, Konrad nach Berlin zu begleiten.
In der nassgrauen Metropole wird der freie Blick aufs unendliche Meer vom bedrückenden Neubaupanorama der Innenstadt ersetzt, was den Brasilianer in die Krise stürzt. Verloren irrt er durch die Straßen und Clubs, ohne zu wissen, was er dort eigentlich zu finden hofft. Nach einigen Wochen beschließt er, wieder nach Brasilien zurückzufliegen. Dieser Entschluss währt nicht lang, er bleibt doch. Mit der Entscheidung, in Berlin bei Konrad zu bleiben, verschwindet seine Schwermut.
Jahre später – Donato und Konrad sind längst kein Paar mehr – steht Donatos kleiner Bruder Ayrton (Jesuita Barbosa) plötzlich vor der Tür. Donato hatte ihn und seine Mutter ohne Vorwarnung verlassen und sich seither nie wieder bei seiner Familie gemeldet. Die Wut des jüngeren Ayrton ist gewaltig, sein großer Bruder – von ihm in Kinderjahren liebevoll »Aquaman« genannt – war stets sein wichtigster Bezugspunkt. Seit dem Tod der Mutter sparte Ayrton für seine Reise nach Deutschland, hoffend und fürchtend, den Bruder dort zu finden. Die angestaute Trauer und Rage angesichts der eigenen Verlorenheit in der Welt entlädt Ayrton in Berlins Clubszene. Nach einigen Wochen beschließt er, ebenfalls in Deutschland zu bleiben. Am Ende findet er gar seinen Frieden mit dem großen Bruder.
Dass diese Beschreibung bruchstückhaft und zusammenhangslos wirkt, liegt an dem Film selbst, der gar kein wirklicher Film ist. Karim Aïnouz streckt seine dürftige und lückenhafte Erzählung in drei Kapiteln mit unnötig langen Takes, in denen er zeigt, wie die beiden Brüder durch Berlins Clubszene irren. Diese Partien haben in ihrer Länge keinerlei erzählerische Funktion, sondern tragen einzig dazu bei, das dürftige Material zu überdehnen. Darüber hinaus werden naheliegende Fragen wie »Wie verarbeitet Konrad den Verlust seines besten Freundes in Brasilien?«, »Warum meldet sich Donato nie bei seiner Familie?« und »Wie findet Ayrton den Bruder in Berlin?« nicht einmal angetippt.
Auch die Dialoge kommen über die Belanglosigkeit nicht hinaus. Der Vorwurf Ayrtons, sein Bruder habe seine Familie fallengelassen, um sich »hier am Nordpol in den Arsch ficken« zu lassen, gehört schon zu dem Ausdrucksstärksten und Nachhaltigsten, was der Film zu bieten hat. Es spiegelt auch bestens das seltsame Bild, das der Film auf die leidenschaftliche Liebe zweier Männer wirft. Praia do Futuro ist ein Anti-Film, der dem Zuschauer nichts mitzugeben hat.