Film

Sehnsucht nach Freiheit

Der iranische Regisseur Siamak Etemadi hat mit deutschen Schauspielerin Melita Foroutan eine moderne Odyssee gedreht, die im Athen der Finanzkrise spielt.

Athen steht in Flammen, als Pari und ihr streng religiöser Ehemann Farrokh in der griechischen Hauptstadt ankommen. Die Europäische Finanzpolitik liegt wie ein Fluch auf der griechischen Gesellschaft, das Elend kriecht in diesem Athen aus allen Poren. Die Straßen quellen über vor Müll, die Studierenden führen einen Kleinkrieg gegen den Staat und in den abseitigen Ecken regieren Drogenrausch und Prostitution. Inmitten dieses Chaos sucht das seltsame Ehepaar nach dem gemeinsamen Sohn Babak. Der hat vor zwei Jahren den Iran verlassen, um in Athen zu studieren, doch seit fast einem Jahr nichts mehr von sich hören lassen.

Nun irren Pari und Farrokh durch die Stadt, suchen bei Flüchtlingsanlaufstellen und Treffpunkten von Exil-Iranern, bei evangelikalen Kirchen – weil viele Flüchtlinge konvertieren, um die Chancen auf einen erfolgreichen Asylantrag zu erhöhen – und an der Uni, im Obdachlosenmilieu und bei Prostituierten. Als sie dabei in die gewaltsamen Zusammenstöße von Polizei und Studenten geraten, ist das zu viel für Farrokhs Herz. Fortan muss Pari allein durch die Stadt ziehen und so sehr ihr Mann vorher Palast war, so sehr gerät sie auf ihrer Suche immer tiefer ins Herz der Finsternis der Stadt. Es ist, als hätte sie mit ihrem Mann auch jegliche Hemmung verloren. Bei ihrem verzweifelten Unterfangen, ihren Sohn zu finden, folgt sie ganz ihrer Intuition. Sie lässt nichts unversucht. Dabei findet sie dort Hilfe, wo man sie am wenigsten erwartet.

Melika Foroutan in »Pari« von Siamak Etemadi | GRC, FRA, NLD, BGR 2020, Panorama 2020 | © Heretic

Der iranische Regisseur Siamak Etemadi, den der neue künstlerische Leiter der Berlinale Carlo Chatrian in Locarno entdeckt und nun mit seinem neuen Film nach Berlin geholt hat, lebt selbst seit Jahren in Athen. Mit der deutschen Schauspielerin Melita Foroutan, die mit intensivem Spiel in der rolle der Pari überzeugt, gelingt ihm ein in vielerlei Hinsicht sozialkritischer Film, der veranschaulicht, wie sich die europäische Geldpolitik, die Globalisierung und der Kapitalismus auf die Menschen auswirken. Das begreift man spätestens dann, wenn am Ende griechische Fischer mit ihren wertlos gewordenen Kähnen Prostituierte aus aller Herren Länder zu den russischen Seeleuten auf die Trawler der internationalen Fangflotten fahren.

»Pari« ist eine moderne Odyssee, in der der Traum der Freiheit auf dem Meer endet – für die einen auf Deck, für andere unter Deck und für die letzten in der Nahrungskette am Meeresboden.