Film

Ordnung oder Freiheit

Die Verfilmung der der »Tribute von Panem« ist ein Welterfolg, nun ist das Prequel angekündigt. Dabei beruht die Romanreihe von Suzanne Collins auf dem japanischen Zweiteiler »Battle Royale«, der jetzt in prächtiger Ausstattung vorliegt.

Japans Jugend ist außer Kontrolle, Gewaltexzesse und Respektlosigkeit sind an der Tagesordnung. Die Regierung geht dagegen mit einem Erziehungsprogramm namens »Battle Royale« vor. Dafür wird in jedem Jahr eine Gruppe mit Störern und Schulversagern auf eine Insel gebracht und bei einem Spiel auf Leben und Tod geopfert. Nur der oder die Stärkste darf überleben. Medial wird das Disziplinarspektakel ins ganze Land übertragen, die Abschreckung soll schließlich Wirkung zeigen.

Im ersten Teil erzählt der japanische Regisseur Kinji Fukasaku vom Auftakt dieses perversen Spiels, die drei Jahre später gedrehte Fortsetzung greift das in Rückblenden auf, so dass man nicht unbedingt den ersten Teil schauen muss, um den zweiten zu verstehen. Besser wäre das dennoch, denn es gibt einige Bezüge. In »Battle Royal II« hat sich eine Widerstandsgruppe um den Überlebenden Shuya Nanahara aus dem ersten Film formiert. Diese wilden Sieben bekämpfen nun mit allen Mitteln das tödliche Spiel der Erwachsenen. Welche Ausmaße das annimmt, sieht man in den ersten Szenen des Films. Da schwenkt die Kamera zu klassischen Klängen über Tokios Skyline, dann sacken die Hochhäuser in Folge einiger Explosionen in sich zusammen. Es folgt ein Bekennervideo, in dem Nanahara »im Namen der Gerechtigkeit« den Krieg gegen das Gesetz des Battle Royale ausruft.

Wem diese Konstellation der tödlichen Spiele und anschließenden Revolution bekannt vorkommt, dem sei beruhigend gesagt, dass es kein Zufall ist. Die in den Jahren 2000 und 2003 gedrehten »Battle Royale«-Filme von Kinji Fukasaku sind als die konsequentere und weniger fantastische Vorlage für die Hungerspiele der »Tribute von Panem« zu sehen.

Während sich Teil eins ganz der Illustration der royalen Schlachtspiele widmet – die Szenen, in denen hier Jugendliche über den Haufen geschossen werden oder sich gegenseitig an die Gurgel gehen sind deutlich radikaler als das von Gary Ross und Francis Lawrence verfilmte Aufstandsmärchen von Suzanne Collins –, steht im zweiten Film die Frage im Zentrum, ob Disziplinierung einerseits und der Drang nach Gerechtigkeit andererseits jedes Mittel rechtfertigt. Denn genau darum geht es in der Fortsetzung dieses japanischen Kultfilms (den selbst Regieikone Quentin Tarantino auf seine Bestenliste gehoben hat), wenn die vierte Generation Schulversager auf die Insel geschickt wird. Diesmal sollen sich die Schulversager jedoch nicht gegenseitig abschlachten, sondern bekommen den Auftrag, Nanaharas Kinderarmee zu liquidieren. Die besonderen Regeln, die Lehrer Riki Takeuchi – gespielt von Kultregisseur und Schauspieler Takeshi Kitano – dafür ausruft, tragen zum hohen Bodycount dieses Gemetzels bei, das in einem finalen Kampf der Alten gegen die Jungen gipfelt.

Kinji Fukasaku: Battle Royale I + II. Capelight Pictures. 520 Minuten. 34,95 Euro. Hier bestellen

War der erste Teil dieser sozialdarwinistischen Studie vor allem eine in ihrer Radikalität bahnbrechende Parabel auf die neoliberale Leistungsgesellschaft Japans, weitet sie sich im zweiten Teil zu einer visionären Kritik der globalen Verhältnisse. Und vor dem Hintergrund lohnt es sich dann doch, beide Filme – die nun in verschiedenen Schnittversionen als hochwertig ausgestattete Mediabooks mit zahlreichem Hintergrundmaterial vorliegen – als Ensemble zu sehen. »Wir haben eine Zukunft, solange wir davon träumen können«, kommentiert Nanahara vor dem letzten Gefecht. Für diesen Traum kämpfen die Jungen gegen die Alten. Weltweit.

Eine kürzere Version dieses Beitrags ist im Rolling Stone Magazin 2/2020 erschienen.