Essay, Geschichte, Sachbuch

Wider die Unfreiheit, über Rasse zu sprechen

US-Präsident Barack Obama während seiner Rede zur Lage der Nation vor dem 111. Kongress am 27. Januar 2010 (Audioaufnahme); im Hintergrund Vizepräsident Joe Biden (in seiner Rolle als Senatspräsident) und Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses. | White House (Pete Souza) via wikimedia commons

Ta Nehisi-Coates liefert mit »We were eight years in power» den überfälligen Klartext zum tief verwurzelten Rassismus in den USA, der während der achtjährigen Amtszeit von Barack Obama Schwung holte, um umso radikaler zurückzukommen. Diese »amerikanische Tragödie« beeindruckt in ihrer unwiderstehlichen Argumentation und bestechenden Logik. Ohne Zweifel eine der wichtigsten Analysen der jüngsten US-amerikanischen Geschichte.

Während der Amtszeit von Barack Obama sind viele ikonische Fotografien entstanden. Keine ist für den New Yorker Autor Ta-Nehisi Coates so vielsagend, wie die des fünfjährigen Jungen, der dem heruntergebeugten Präsidenten fassungslos mit der Hand durch das Haar fährt und dabei feststellt, dass es sich genauso kraus anfühlt wie sein eigenes. Dieses Bild habe Schwarzen gezeigt, dass es ein Nachfahre afroamerikanischer Einwanderer bis ins höchste Amt des Staates schaffen kann, wenn er sich nur bemüht, schreibt Coates. Jene, die die Macht des Weißseins als gottgegeben ansehen, hätten in dem erstaunten Blick des Jungen aber auch Bestätigung dafür gefunden, dass die weiße Vorherrschaft der Normalfall in den USA ist.

Coates ist einer der führenden Intellektuellen im Diskurs über Rassismus in den USA. Erstmals für Aufsehen sorgte er 2014, als er in einem Essay Reparationszahlungen für die schwarze Bevölkerung als Ausgleich für die Sklaverei forderte. Als im gleichen Jahr Michael Brown von dem Polizisten Darren Wilson erschossen wurde, schrieb er an seinen Sohn einen bewegenden Brief mit dem Titel Zwischen mir und der Welt. Darin beschreibt er den Rassismus in den USA als »eine zutiefst körperliche Erfahrung, die das Hirn erschüttert, die Atemwege blockiert, Muskeln zerreißt, Organe entfernt, Knochen bricht, Zähne zerschlägt«.

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Ta-Nehisi Coates: We were eight years in Power. Aus dem Englischen von Britt Somann-Jung. Hanser Berlin 2018. 416 Seiten. 25,- Euro. Hier bestellen

Coates führt nun sein gesammeltes Wissen zu den historischen und gesellschaftspolitischen Aspekten des Rassismus in acht Essays zusammen, nicht ohne dabei auf die rassistischen Morde und Diskriminierungsvorfälle während der Obama-Amtszeit und deren fehlende gesellschaftspolitische Aufarbeitung einzugehen. Für jedes Amtsjahr Obamas präsentiert er einen Text, um zu zeigen, dass der Rassismus zum amerikanischen Wesen gehört und der weiße Anspruch auf Vorherrschaft »Grundstein unseres republikanischen Gebäudes« ist. Dabei zeigt er vor allem, wie gelähmt der erste schwarze Präsident beim Thema Rassismus ist. »Acht Jahre lang wandelte Barack Obama auf dünnem Eis und brach nie ein. Nichts während dieser Zeit deutete darauf hin, dass es ihm einen sichereren Stand beschert hätte, Klartext über den Rassismus im amerikanischen Leben zu reden.« An anderer Stelle heißt es: »Obamas Unfreiheit, offen über Rasse zu sprechen, lässt sich nicht von seiner Unfreiheit trennen, offen über irgendwas zu sprechen.«

Den Essays vorangestellt sind Notizen, in denen der 42-Jährige die jeweiligen Schreibanlässe beleuchtet. Dies erleichtert die Einordnung der Texte in die Debatten und spiegelt zugleich das coming of dieses öffentlichen Intellektuellen. In den Essays selbst geht es um schwarzen Konservativismus, die Bedeutung von Michelle Obama für die erste schwarze Präsidentschaft, Reparationszahlungen und – dies der wichtigste Text – die schwarze Familie im Zeitalter der Masseninhaftierung. Darin zeigt er, wie im politischen Diskurs Schwarze bis heute als pathologisch kriminalisiert werden, um sie dann massenhaft wegzusperren und – wie Sklaven – als »Super-Raubtiere« zu brandmarken. Dass dennoch einer von ihnen Präsident habe werden können, sei einzig auf die Perfektion Obamas zurückzuführen.

Ta-Nehisi Coates We were eight years in Power ist eine »amerikanische Tragödie«, die die Radikalisierung der rechten Kräfte in den USA sowie die (aus europäischer Perspektive) verborgenen Debatten darum in vielfältiger Weise sichtbar macht. In Summe belegt Coates, dass Donald Trumps Wahl ein Aushängeschild der white supremacy, der weißen Vorherrschaft ist. Denn wenn ein Schwarzer Präsident werden konnte, dann entspreche es dieser Ideologie, dass auch jeder beliebige weiße Mann das höchste Amt besetzen könne, egal wie verkommen er auch sein mag.

1 Kommentare

  1. […] Toni Morisson in Die Herkunft der Anderen (2018). Ta-Nehisi Coates lässt in seinem gerade erschienenen Essayband We were eight years in Power diesen Weg von der Sklaverei zur »verbrechensbefleckten Schwärze des […]

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