Film

Ein weißer Schwarzer

Adam Driver, John David Washington in »BlackkkLansman« von Spike Lee | Credit: David Lee / Focus Features

Er gilt als wütendes enfant terrible des Black New Cinema. Spike Lee ist mit »BlackKklansman« eine fulminante Rückkehr auf die Hauptbühne des amerikanischen Kinos gelungen, nachdem bereits der Abgesang auf ihn gesungen war.

»Mary don’t you weep« singt Prince in den letzten Minuten von BlackKklansman, als die Erzählung eigentlich an ihrem Ende ist und die grellbunte Welt der 70er von den Bildern der rechtsextremen Ausschreitungen in Charlottesville vom August 2017 abgelöst werden. Noch einmal ziehen amerikanische Neonazis mit Fackeln durchs Bild und erneut sieht man konsterniert dabei zu, wie sich ein Auto in die Menge der Gegendemonstranten schiebt, in der die 32-jährige Heather Heyer einen brutalen Tod stirbt. »Mama, don’t you mourn, no.I got a bad, bad feeling your man ain’t coming home«, klagt Prince weiter, als der hässliche Mann im Weißen Haus seinen dümmlichen Kommentar ablässt, in dem er den Rechtsextremen und den Gegendemonstranten Gewalt vorwirft. Das ist der Moment, in dem man versteht, dass weinen und klagen nicht hilft, um den Rassismus zu besiegen.

In seinem neuesten Film erzählt Kultregisseur Spike Lee die unglaubliche Geschichte von Ron Stallworth (John David Washington), der Ende der sechziger Jahre die Welt von Colorado Springs auf den Kopf stellt. Dort gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch nie einen schwarzen Polizisten. Stallworth stellt man ein, weil man sich von ihm erhofft, dass er »neue Wege« ebnet. Doch der junge Polizist ebnet sie nicht, er geht sie. Kaum beim Undercover-Team angekommen, kommt der mit einem prächtigen Bob ausgestattete Polizist auf eine wahnwitzige Idee. Er will die lokale Zelle des Ku-Klux-Klans unterwandern, um sie von innen heraus zu zerstören. Während er am Telefon noch den überzeugten Rassisten mimen und gegen jeden herziehen kann, »der kein reines arisches Blut in seinen Adern hat«, braucht er für den Einsatz an der Basis einen weißen Stellvertreter. Ausgerechnet sein jüdischer Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) muss dafür herhalten. Er wird als Fake des echten Ron Stallworth der lokalen KKK-Zelle beitreten und an deren kruden Ritualen teilnehmen. Dabei findet er heraus, dass einer der Fußsoldaten nicht nur den Aufstand gegen den lokalen Anführer probt, sondern auch einen verheerenden Anschlag auf eine Veranstaltung schwarzer Studenten plant. Die heitere Mission bekommt eine bedrohliche Schlagseite.

Adam Driver stars as Flip Zimmerman in Spike Lee’s BlacKkKLansman, a Focus Features release. Credit: David Lee / Focus Features
Adam Driver stars as Flip Zimmerman in Spike Lee’s BlacKkKLansman, a Focus Features release. Credit: David Lee / Focus Features

In den Hauptrollen glänzen John David Washington (der älteste Sohn von Denzel Washington, der neben seinem Vater schon in Lees Malcom X-Biopioc auftrat), und Adam Driver als Wirklichkeit gewordener Alptraum des Ku-Klux-Klans. Chayse Irvins Kamera bildet das Amerika der 70er Jahre vielleicht ein bisschen zu kultig ab, von seinen Bildern losreißen kann man sich dennoch nicht. Dazu kommt ein Score, der besser kaum passen könnte.

Spike Lee ist kein Moralapostel, der mit erhobenem Zeigefinger seinen Landsleuten die Leviten liest. Der Kultregisseur setzt – im doppelten Wortsinn – auf den speziellen schwarzen Humor, um die rechtsextremen, antisemitischen und sexistischen Muster der konservativen amerikanischen Gesellschaft, die im Klan auf die Spitze getrieben werden, in all ihrer Lächerlichkeit bloßzustellen. Es gibt in den 128 Minuten einiges zu lachen, ohne dass der Film an Ernsthaftigkeit verliert. Denn Lee zieht zugleich Verbindungslinien aus der Geschichte in die Gegenwart, etwa wenn Flip Zimmerman zu einem lächerlichen »Judenlügendetektortest« des radikalen Vorstadtfaschisten antreten muss oder die KKK-Bande beim Besuch von Großmeister David Duke einen »America First«-Chor anstimmt. Es sind Mittel wie diese, mit denen der 61-jährige Filmemacher den historisch gewachsenen Hass abbildet. Mit den schließenden Bildern legt Lee offen, wie eng verbunden Gegenwart und Vergangenheit sind.

John David Washington stars as Ron Stallworth and Laura Harrier as Patrice in Spike Lee’s BlacKkKlansman, a Focus Features release.Credit: David Lee / Focus Features
John David Washington stars as Ron Stallworth and Laura Harrier as Patrice in Spike Lee’s BlacKkKlansman, a Focus Features release. Credit: David Lee / Focus Features

Im Interview mit der Filmzeitschrift RAY erklärte er, dass die Aktualität des Films für schwarze Menschen keineswegs überraschend sei. »Wenn man als Farbiger in Amerika lebt, ist man mit dieser Art von Hass bestens vertraut. So ist es schon immer gewesen.« Wirft man einen Blick in Lees Filmografie, dann muss man einräumen, dass er das so und ähnlich auch schon immer erzählt hat. Der Hass auf das andere zieht sich wie ein roter Faden durch sein nun schon bald 40 Jahre ausfüllendes Werk.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass keiner das New Black Cinema so sehr geprägt hat, wie der im Sklavenhalterstaat Georgia geborene Spike Lee. In Meisterwerken wie Do the Right Thing oder Malcom X zeichnete er die rassistische Tradition in den USA eindrucksvoll nach, in Filmen wie Vier kleine Mädchen oder It’s Showtime ging er dieser noch tiefer auf den Grund. Während der Amtszeit Obamas schien ihn sein cineastisches Gefühl jedoch verlassen zu haben. Sein Oldboy-Remake scheiterte ebenso an den Kinokassen wie die Hip-Hop-Oper Chi-Raq. Als der Abgesang auf einen von der Kultur überholten Spike Lee schon angestimmt wurde, wurde Donald Trump Präsident. Nur wenige Wochen später kam Nola Darling raus, die Netflix-Adaption seines Debütfilms She’s Gotta Have It, in der er mit dem Vorwurf aufräumt, er würde mit den Frauenfiguren in seinen Filmen sexistische Klischees bedienen.

Sein Wirken ist eine Art lange Version dessen, was Charles Laughton in Night of the Hunter erzählt. Es sei der Widerspruch zwischen Liebe und Hass, der ihn immer wieder fessele, so Lee in RAY. »Und wenn ich irgendwann mal nicht mehr bin, werden die Leute diese Verbindung herstellen. Dann werden sie sehen, dass es mir stets um jenes mühsame, ewige Ringen zwischen den beiden Extremen ging.«

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Spike Lee: BlackKklansman. John David Washington, Adam Driver, Laura Harrier. 128 Minuten. Universal Pictures. 14,99 Euro. Ab 21. Dezember 2018 im Handel.

Mit BlackKklansman schließt Spike Lee an seine frühen Erfolge an. Unterstützung bekam er dabei unter anderem von Jordan Peele, der im Frühjahr für seinen kongenialen Rassismus-Horrorstreifen Get Out einen Oscar gewann. Im Mai wurde Lee in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Bei der Pressekonferenz im Anschluss sagte er, dass er hoffe, »dass uns der Film weltweit aus unserer geistigen Umnachtung aufweckt«. Sein Wunsch sei, dass die Zuschauer sehen, dass das, was in BlackKklansman beschrieben wird, ein globales Problem sei, wie Lee in RAY erklärte. »Ein Problem, das über die Grenzen Amerikas weit hinausgeht. Zumal der Zuwachs der Rechten nicht nur diesem Typen im Weißen Haus geschuldet ist. Es passiert überall auf der Welt.« 

2 Kommentare

  1. […] Spike Lee: BlacKkKlansmanDas enfant terrible des Black New Cinema erzählt in seinem jüngsten Film die unglaubliche Geschichte von Ron Stallworth, der Ende der sechziger Jahre eine Ku-Klux-Klan-Zelle unterwandert – als Schwarzer wohlgemerkt. Mit Witz und Leichtigkeit stellt Lee die rechtsextremen, antisemitischen und sexistischen Muster der konservativen amerikanischen Gesellschaft in all ihrer Lächerlichkeit bloß. Ein Geniestreich! Hier unsere ausführliche Kritik. […]

  2. […] Bürgerrechtsbewegung schon viele Bilder gefunden. Filmemacher:innen wie Spike Lee (»Malcom X«, »Blackkklansman«), Shaka King (»Judas and the Black Messiah«), Ava DuVernay (»Selma«) oder Barry Jenkins […]

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