Fünfzehn Jahre hat der dänische Autor und Karikaturist Jakob Martin Strid an seinem »Fantastischen Bus« geschraubt. Nun liegt dieses überdimensionale Wunderwerk des Erzählens vor. Eine Kritik unserer Zeit und eine hoffnungsvolle Hommage an eine tierisch sympathische Schicksalsgemeinschaft.
Diese Geschichte beginnt vor mehr als einem Jahrzehnt. Damals wartete Jakob Martin Strids auf die Geburt seines Sohnes und der stolze Vater in Erwartung versprach sich und seinem Sohn eine Geschichte, die von der ganzen Welt erzählt. Ambitionierter kann ein Versprechen kaum sein, entsprechend viel Zeit ging seitdem ins Land. Anderthalb Jahrzehnte später liegt nun endlich »Der fantastische Bus« vor, ein Welt- und Abenteuerroman, eine tierische Fabel und Lektion über die Kraft von Freundschaft und Miteinander, die Mut macht.
Strid ist kein Unbekannter, seine Erzählung »Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne« wurde 2012 mit dem Kulturpreis des dänischen Thronfolgerpaars ausgezeichnet, Strid selbst erhielt im Jahr darauf den renommierten Silas-Preis als Kinderbuchautor.

Seine neue Erzählung beginnt in Ahnstatt City, einer der Städte, die den Atomkrieg überstanden haben. Im Hafenviertel macht sich Verzweiflung breit, denn Immobilienhaie machen das historische Viertel dem Erdboden gleich und vertreiben dessen Bewohner. In einer der heruntergekommenen Behausungen sind die Sorgenfalten aber noch tiefer, denn der kleine Timo hat sich eine seltsame Krankheit eingefangen. Ihn kann nur die heilende Kraft der Safran-Lilie retten, die im fernen Land Balanka blüht. Aber in das ferne Paradies zu kommen, ist schwer, denn man muss dafür über eine Brücke zum Nordpol und von dort bis in den Weltraum fahren.
Dafür braucht es natürlich ein besonderes Transportmittel, eben jenen fantastischen Bus, der dieser illustrierten Erzählung ihren Titel gibt. Es ist ein seltsames Gefährt Marke Eigenbau, zehn Fahrgestelle, vier Motoren, Plasmagenerator und 18.500 PS, ein fahrendes Haus auf Rädern. Dieser Bus ist Wohnzimmer, Wundertaxi und Geschichtengefährt zugleich, eine moderne Arche Noah, in die dann neben Timo auch ein Dutzend tierische Wesen einziehen, um sich aus Ahnstadts Hafenviertel gen Balanka aufzumachen.

Am Steuer sitzt André Tolstoi, ein fantastischer Löwe mit einem ebensolchen Herz, der die vielfältige Schicksalsgemeinschaft durch Wüsten und Sümpfe, Tundra und Steppe fahren wird. Sie werden schier unglaubliche Abenteuer erleben, Timos Vater aus der Fabrik eines scheußlichen Diktators befreien und im sagenumwobenen Balanka um die Gunst der Götter flehen.
Strids liebevoll illustrierter Road-Movie wird aus der Perspektive von Timos Freund Taku erzählt, also aus den Augen eines Kindes, was einen Teil der Magie erklärt, die von dieser berührenden Geschichte ausgeht. Diese fabelhafte Erzählung fasziniert aber auch, weil sie nicht vor den Abgründen der Welt Halt macht. So fängt »Der fantastische Bus« furchtlos den zum Teil deprimierenden Zustand unserer Zeit ein und gibt zugleich Hoffnung, dass die Welt nicht verloren ist.

Der von Sigrid C. Engeler mitreißend übersetzte Abenteuerroman ist eine Hommage an Freundschaft und Zusammenhalt sowie den Mut, sich aufzumachen, um die Welt zu verändern. Zugegeben: Handlich ist das Format dieses 2,5 Kilogramm schweren Pageturners nicht, aber er gibt den strahlenden und detaillierten Zeichnungen Raum, sich in aller Pracht zu entfalten. Man muss dem Verlag Antje Kunstmann dankbar sein, dass er keine Kosten gescheut hat, um dieses bewegende Abenteuer für Jung und Alt in der originalen Form in die Buchläden zu bringen. Nur so kann man die vielen Bezüge zu Illustratoren wie Janosch, Moebius oder Hayao Miyazaki entschlüsseln.
Das überdimensionierte Format erklärt auch den stolzen Preis, der sich aber auf Dauer rechtfertigt. Dieses Buch wird zu einem Klassiker werden, vergleichbar mit Astrid Lindgrens »Pipi Langstrumpf«, Michael Endes »Unendlicher Geschichte« oder Antoine de Staint-Exupérys »Kleinem Prinzen«.
»Der fantastische Bus« ist eine Sensation, ein Augenschmaus für große und kleine Kinder. Gleichermaßen geeignet zum Vor- und Selbstlesen ist dieses Meisterwerk völlig zurecht mit dem Nordic Council for Children and Young People’s Literature Prize 2024 ausgezeichnet worden. Am Ende ist man den Tränen nah. Aber was gibt es Schöneres, als von einem Buch berührt zu werden?

