Comic, Interviews & Porträts

»Auch als Frau kann man einfach Spaß am Sex haben«

Die in Österreich geborene Wahlberlinerin Ulli Lust steht mit Ihrem neuen Comic »Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein« auf der Shortlist für den Hauptpreis bei Europas größtem Comicfestival in Angoulême. Ein Gespräch über Sexualität und Feminismus, Emanzipation und Selbstfindung, die deutsche Comicverlagsszene und den perfekten Strich.

Ulli, »Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein« steht auf dem Titel des neuen Comics. Was ist das in deinen Augen, ein guter Mensch?

In dem Fall bezog es sich darauf, wie man ein »gutes Mädchen« werden und zurück in die Gesellschaft finden kann. Als Punk lehnt mein Alter Ego alles ab und macht das Gegenteil dessen, was die Gesellschaft gut findet. Hier geht es um die Gegenbewegung. Ich hatte ein Kind und wollte eine gute Mutter sein. Ich wollte als Künstlerin arbeiten und auch dafür gut genug zu sein. Und ich wollte eine gute Partnerin sein, was sich ebenfalls als nicht so einfach herausgestellt hat. Es geht also um »gut« in vielerlei Hinsicht. Gut ist ein großes Wort, aber eigentlich auch ein sehr banales.

Nach dem Erfolg von »Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens« und der viel gelobten Beyer-Adaption kehrst du nun zur Autobiografie zurück. Warum?

Eine Adaption machen, das hat mich schon lange gereizt. Das Arbeiten mit einem vorgegebenen Szenario unterscheidet sich nicht wirklich vom dokumentarischen Zeichnen, weil man auch da eine Wirklichkeit als Vorlage hat und diese dann als Comicliteratur inszeniert. Das heißt, man greift dramaturgisch ein. Ich wollte in dem Fall der Szenarist von einem Roman sein. Fiktion liegt mir eigentlich nicht so, deshalb habe ich auch keine Probleme, mit den Stoffen von anderen zu arbeiten.

Ist dein gespaltenes Verhältnis zur Fiktion auch eine Ursache für die Rückkehr zur Autobiografie?

Nein, das nicht. Ich hatte die Geschichte einfach noch in der Tasche und wollte sie erzählen.

Kann man davon ausgehen, dass Du noch mehr Geschichten in der Tasche hast?

Tatsächlich habe ich noch eine, die die Trilogie abrunden würde, aber leider gibt es noch lebende Darsteller, die etwas dagegen haben, dass ich sie ausposaune. Die Geschichten rücken immer näher an mein echtes Leben, so dass es immer schwieriger wird, sie zu erzählen. Es muss immer erst ein bisschen Gras über die Sachen wachsen, daher ist es gut, wenn zwischen dem Erleben und dem Erzählen ein bisschen Zeit vergeht.

Tatsächlich hatte auch ich beim Lesen das Gefühl, dass Du die Leser schon sehr nah an Dich und Deine Protagonisten heranlässt. Du erzählst von sehr privaten und intimen Dingen.

Das ist richtig. Der echte Georg hat alles mitgelesen und sagte am Ende, dass er damit leben kann, dass ich diese intimen Details aus seinem Leben erzähle. Er ist ein sehr großzügiger Mensch und nicht zufällig ein Sympathieträger der Geschichte.

Der erste Teil der autobiografischen Trilogie »Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens« ist eine Art Coming-of-Age- und Emanzipationsgeschichte, die sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international einige Preise gewonnen hat. Was glaubst du, berührt die Menschen darin am meisten?

Diese Geschichten sind einfach zu reizvoll, um sie nicht zu erzählen. Man kann nicht als Autor solche Erlebnisse im eigenen Leben haben und diese dann für sich behalten. Das wäre einfach Verschwendung. Die Leser schätzen diese autobiografischen Geschichten einfach ungemein. Wenn Menschen wissen, dass sich eine Geschichte so oder zumindest so ähnlich ereignet hat, dann lesen sie sie mit einer größeren Ernsthaftigkeit. Ich hatte damals kurz überlegt, die Geschichte als Fiktion und nicht als meine eigene zu verkaufen, aber wir haben das dann schnell fallengelassen. Bei Comiczeichnern kommt noch hinzu, dass es neben dem Bild, das sich der Leser von den Figuren macht, auch noch die Bilder gibt. Und wenn man ehrlich und nicht zu schamhaft ist, was ich für mich beanspruche, dann erfahren die Leser beim autobiografischen Erzählen eine Menge.

Zensierst Du Dich beim Zeichnen?

Vielleicht habe ich auch irgendwelche Dinge zensiert, die ich über mich nicht lesen möchte. Es würde mich wundern, wenn es mir gelungen sein sollte, wirklich alles zu sagen. Aber ich versuche mir und den Protagonisten gegenüber fair und ehrlich zu bleiben.

Legst Du bei Dir den gleichen Maßstab an wie bei anderen?

Bei anderen ist es schwieriger – allein wegen des Respekts vor deren Privatsphäre und Persönlichkeitsrechten. Andere müssen mir erlauben, dass ich Geschichten über sie erzählen darf, da muss ich in jedem Fall vorsichtiger sein. Der Vorteil beim autobiografischen Erzählen liegt darin, dass ich das mit mir selbst ausmachen kann.

2 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.