Literatur, Roman

Tragische Verwicklungen

© Thomas Hummitzsch

Die koreanischstämmige US-Autorin Steph Cha hat mit »Brandsätze« einen packenden Krimi geschrieben, der auf tatsächlichen Ereignissen beruht. Während im Hintergrund Unruhen infolge rassistischer Polizeimorde ausbrechen, tritt in dieser Erzählung eine Wahrheit in den Vordergrund, die alle Figuren in einen dunklen Abgrund stürzt.

Steph Chas vierter Roman »Brandsätze« geht einer Geschichte auf den Grund, die fast 30 Jahre zurückliegt und im Roman wie folgt beschrieben wird: »Ava Matthews war eine sechzehnjährige Schwarze aus South Central. Sie kam eines Tages in einen Laden und wurde von der Besitzerin beschuldigt, eine Flasche Milch gestohlen zu haben. Es kam zum Streit, und die Besitzerin hat ihr in den Hinterkopf geschossen. Die Polizei hat später entdeckt, dass sie zwei Dollar in der Hand hatte.«

Cha arbeitet diese Geschichte aus zwei Perspektiven auf: einerseits Miriam Park, der Tochter der Ladenbesitzerin, die sich eines Mordes schuldig gemacht hat, aber von der Jury freigesprochen wurde, andererseits Shawn Matthews, der Bruder des erschossenen Mädchens. Dabei ist sie klug genug, Zeit zwischen die Ereignisse und deren Aufarbeitung zu legen.

Steph Cha: Brandsätze. Aus dem Englischen von Kathrin Witthuhn. Ars Vivendi Verlag 2020. 336 Seiten. 22,00 Euro. Hier bestellen

Ihr Roman spielt ein Vierteljahrhundert nach den Ereignissen, das Leben ist vorangeschritten. Doch während Shawn seither erlebt hat, wie seine Familie weiter in die Tiefe gezogen wird, haben die Parks weiter an der Aufstiegsgeschichte ihrer Familie geschrieben. Was beide Familien gemein haben, ist das Schweigen um die Ereignisse Anfang der Neunziger.

Dieses Schweigen bricht erst, als Grace von einem Schwarzen angeschossen wird. Miriam wird Zeugin des Überfalls und geht den Ursachen auf den Grund. Nach und nach lässt Cha ihre Figuren die Wahrheit freilegen, lässt sie in innere Konflikte rauschen und in den Traumata wühlen. Dass sie dabei weder zu einfachen Wahrheiten tendiert noch einfach nur stupide Geschichte rekapituliert, ist eine der Stärken dieses Romans.

Zugleich schafft dieser von Karen Witthuhn übersetzte, immer wieder in die Finsternis der Gewalt abtauchende Text völlig neue Perspektiven, indem er den dunklen Geheimnissen zweier Familien aus Minderheitengruppen nachgeht, die schicksalhaft miteinander verbunden sind. Damit schafft er eine universelle Wahrheit, nämlich dass Rassismus nicht vor Herkunft halt macht. Wessen Leben er auch immer ergreift, er hebt es aus den Angeln. Das rückt dieses kraftvolle Werk auf eine Stufe mit Thomas Mullens Darktown-Trilogie.

1 Kommentare

  1. […] Steph Chas vierter Roman »Brandsätze« geht einer Geschichte auf den Grund, die fast 30 Jahre zurückliegt. Damals hatte eine koreanischstämmige Ladenbesitzerin ein schwarzes Mädchen erschossen, weil sie ihr fälschlicherweise unterstellte, eine Flasche Milch gestohlen zu haben. Diese Geschcihte wird hier aus zwei Perspektiven aufgearbeitet: einerseits von Miriam Park, der Tochter der Ladenbesitzerin, die sich des Mordes schuldig gemacht hat, aber von der Jury freigesprochen wurde, andererseits Shawn Matthews, der Bruder des erschossenen Mädchens. Der Roman handelt von dem katastrophalen Schweigen, das seit den Ereignissen über beiden Familien lasetet und davon, wie es beide Familien zerstört. Gebrochen wird es erst, als es zu einer erneuten Gewalttat kommt. Die Wahrheit, die sich dann Bahn bricht, stürzt alle in einen dunklen Abgrund. Dabei schafft dieser ebenso finstere wie packende Roman eine universelle Wahrheit: Rassismus macht nicht vor Herkunft halt (hier die ausführliche Rezension). […]

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