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»Ich bin ein gestörter Typ«

Tocotronic-Schlagzeuger Arne Zank zeichnete sich in der Corona-Krise die Sucht vom Leib. Seine DIY-Insta-Serie »Die Vögel« gibt es nun auch im Buchformat.

Im vergangenen Jahr hat fast jede:r ein Corona-Ding entwickelt. Die einen haben ein neues Hobby für sich entdeckt, andere lange Vorgenommenes endlich umgesetzt, ganz Mutige sich selbstständig gemacht. Bei Arne Zank könnte man den Eindruck haben, er hätte das Zeichnen für sich entdeckt. Zumindest wenn man einen Blick auf seinen Instagram-Account Dr. Arne Zank wirft, auf dem er seit Beginn der Corona-Pandemie unter dem Hashtag #dievögel eine Art Webcomic im Do-It-Yourself-Stil entwickelt hat.

Der Titel erinnert natürlich an Hitchcocks Horrorfilm, Zanks Absicht war das nicht. Er habe nur einen plakativen Namen für seine Serie gesucht. »Die Vögel« fand er gut. »Fast wie eine Rockband. »Die Vögel wie The Beatles«, sagte er mir im Interview für den Rolling Stone. Mit der Serie griff er eine Idee aus den Nuller Jahren wieder auf. Beim Stöbern nach Ideen für seinen Insta-Kanal stieß er in alten Skizzenbüchern auf erste Entwürfe. »Beim Nachdenken über diese Geschichte wurde mir klar, dass ich die Figuren mit den Vögeln ja schon habe. Die gefielen mir irgendwie immer noch. Ich habe dann ein wenig herumprobiert und das Gefühl, dass die mir noch eine Menge zu sagen hatten. Und ich mit ihnen auch.«

Hauptfiguren sind – natürlich – ein paar schräge Vögel, die alle einige Marotten haben. Im Zentrum steht ein skurriles Pärchen, die eine Art Bonnie-und-Clyde-Erzählung schultern. Bonnie ist dabei eine kleine Henne, die sich in eine mit allen Wassern gewaschene Ente verliebt. Die erlahmt nach einem Unfall, was diese tierische Clyde-Reinkarnation nicht daran hindert, ihre halbseidene Karriere fortzusetzen. Von Spielschulden geplagt überfällt sie eine Bank und wird von der Polizei gejagt. Gemeinsam fliehen die schrägen Vögel durch Europa, bis sie geschnappt und in den Knast gesteckt werden. Als sie wieder freikommen, kommt es schließlich noch zu einer unverhofften Familienzusammenführung.

Das gezeichnete Songbook enthält zehn Songs aus der gesamten Tocotronic-Schaffensphase. Jim Avignon, Julia Bernhard, Tine Fetz, Eva Feuchter, Anna Haifisch, Sascha Hommer, Katja Klengel und Christopher Tauber, Moni Port, Jan Schmelcher sowie Philip Waechter haben sich je einem Song angenähert, mal als Comic-Strip, mal im illustrativen Stil. Als Zugabe hat Arne Zank einen Comic-Strip über das Kennenlernen der Band-Mitglieder beigesteuert.

Michael Büsselberg: Sie wollen uns erzählen. Zehn TOCOTRONIC-Comics. Ventil-Verlag 2020. 128 Seiten. Hier bestellen.

Rund um diese Geschehnisse ereignen sich zahlreiche verrückte Wendungen. Fiese Typen aus der Unterwelt tauchen auf, aber auch genug andere Vögel, die an Naivität oder Tolpatschigkeit kaum zu übertreffen sind. Gerecht ist hier nichts, logisch auch nicht, aber höchst unterhaltsam und irgendwie echt. So spiegelt dieser Fortsetzungscomic den ganz normalen Irrsinn des Daseins, wie man ihn sich nicht ausdenken kann.

Das Wiederaufgreifen der Serie sei für ihn eine Art Rückbesinnung gewesen, aber auch das Ergebnis der Bewältigung einer schweren Krise. »Ich hatte jahrelang mit mir selbst zu kämpfen. Ich war in einer echten Schaffenskrise, hatte zu viel mit Alkohol und Drogen zu tun. Ich wollte davon loskommen, auch um nicht mehr die ganze Zeit belämmert oder blockiert sein«, so der Tocotronic-Schlagzeuger. Den Insta-Kanal habe er ins Leben gerufen, als er anfing, zu Selbsthilfegruppen zu gehen. »Das war, direkt nachdem ich mir eingestehen musste, dass ich ein Suchtproblem habe.«

Schaut man sich die frühen Versuche an, dann erinnert manches an Christoph Niemann, anderes an Lewis Trondheim. Am 24. Februar 2019 postete er ein Bild, das an Robert Crumbs legendäre Zeichnung »Keep on Truckin« erinnert. Diese Anspielungen zeigen, dass Zank der Comiczirkus durchaus bekannt ist.

Wie wichtig die Serie war, lässt Arne Zank im Gespräch durchblicken. Die Serie sei hilfreich gewesen, »um all das stumm zu schalten, was den Gehirnkasten beschäftigt hält.« Und was hält diesen Gehirnkasten beschäftigt? »Ich bin ja ein gestörter Typ und hätte mir ansonsten über anderes Gedanken gemacht. Was ich alles an dem Tag falsch gemacht habe oder was morgen alles Schreckliches bevorsteht oder so.«

Arne Zank: Die Vögel – fliegen hoch. Ventil Verlag 2021. 128 Seiten. 20,00 Euro. Hier bestellen

An diese Stelle trat dann ein anderer Stress. Im Grunde habe er nach jedem Post auf Likes gewartet. »Davon wird man wirklich abhängig, das ist schon echt krass. Und zugleich relativ harmlos mit Blick auf unser vorheriges Thema«, ergänzt er lachend. Die Übertragung der Insta-Bilder in ein Buchformat sei »vor allem eine Heidenarbeit“ gewesen. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel am Stück gearbeitet. Das war wirklich eine neue, aber auch schöne Erfahrung«, räumt er ein.

»Die Vögel« ist ein mitunter kruder, aber auch irrwitzig amüsanter Roadmovie, in dem jede:r etwas finden wird, was an das eigene absurde Dasein erinnert. Zanks Welt der Butschies sei »eine Parallelwelt, die die Leute unterhalten soll. Es soll sie ablenken von der bösen Realität.«

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