Interviews & Porträts

Beim Sachbuch herrscht wenig Bewusstsein

Übersetzerin Franka Reinhart | © privat

Franka Reinhart übersetzt aus dem Englischen, vor allem aus dem Genre Sachbuch und der so genannten unterhaltenden Literatur. Michelle Obama oder die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin bringt sie ebenso ins Deutsche wie den irischen Sänger Rea Garvey oder die Historikerin Katja Hoyer. Als eine der Organisator:innen des Übersetzerzentrums in Leipzig erwartet sie, dass die intensive Arbeit von Übersetzenden nicht nur bei hochliterarischen Titeln gewürdigt wird. Gerade im Sachbuch sei Rezensent:innen oft nicht bewusst, welch Aufwand hinter den deutschen Texten steckt.

Wie würdest Du den Stand der Übersetzungskritik in Deutschland beschreiben?

Ich nehme kaum Rezensionen wahr, in denen auf das Thema Übersetzung überhaupt eingegangen wird. Speziell im Genre Sachbuch können wir oft schon froh sein, wenn in den bibliografischen Angaben wenigstens unsere Namen erwähnt werden – was nicht immer der Fall ist. Hier haben die Rezensentinnen meines Erachtens nach noch viel weniger Bewusstsein dafür, welche Aufwand wir hier mitunter betreiben, um alle Quellen, Fakten, Fachtermini etc. sauber zu recherchieren. Ich fürchte fast, dass sie es schlichtweg nicht ahnen beziehungsweise nicht darüber nachdenken. 

Aktuelle Übersetzungen von Franka Reinhart

Welche Wendung oder Floskel zur Übersetzung, welche journalistische Strategie ärgert Dich in der Übersetzungskritik am meisten?

Ich feiere jede Erwähnung, Floskel hin oder her. 

Worauf legst Du bei einer Übersetzungskritik wert? Und was kommt aus Deiner Sicht oft zu kurz?

Es würde mich freuen, wenn auf die Arbeit der Übersetzenden nicht nur bei hochliterarischen Titeln eingegangen würde, sondern beispielsweise auch in der Unterhaltungsliteratur. Bis vor einigen Jahren habe ich viel in diesem Genre übersetzt und zuweilen auch damit gehadert, weil man sich auf dem deutschen Buchmarkt aufgrund der starken Segmentierung damit kaum profilieren kann. 

Was würdest Du hingegen viel öfter über Übersetzungen lesen wollen?

Wie toll wäre es, wenn einzelne, besonders gelungene Passagen oder Lösungen hervorgehoben würden, um zu unterstreichen, was wir mit unserer Arbeit zum literarischen Genuss beitragen. Im Bereich Sachbuch lese ich etwa immer wieder, dass es der (z.B. englischsprachigen) Autorin oder dem Autor wunderbar gelungen sei, komplizierte Sachverhalte verständlich zu vermitteln. Von dort aus ist es doch eigentlich nur ein winziger Schritt, in Richtung Übersetzung weiterzudenken. Zumindest eine Erwähnung könnte man an eben dieser Stelle doch erwarten.

Welche Übersetzung hat Dich zuletzt vom Hocker gehauen?

Ich möchte eine Lanze für Übersetzerinnen von Unterhaltungsliteratur brechen und nenne an dieser Stelle sehr gern Katarina Ganslandt aus Berlin, unter anderem mit ihren Übersetzungen von Colleen Hoover. Katarina gelingt es wunderbar, die Emotionalität und Konflikte der Protagonist*innen glaubhaft rüberzubringen. In diesem Genre werden so viele wichtige Lebensthemen verhandelt, aber eben nicht auf akademisch-intellektuelle Weise, sondern niedrigschwellig und leicht zugänglich. Damit sind sie meines Erachtens für viele Lesende sehr wichtig, um eigene Probleme konstruktiv zu bewältigen und sich repräsentiert zu fühlen. Literarische Teilhabe und ein Beitrag gegen Klassismus auf dem Buchmarkt sozusagen. Und das macht Katarina ganz großartig, mit großer Ernsthaftigkeit und übersetzerischem Können. 

Franka Reinhart empfiehlt Colleen Hoover in der Übersetzung von Katarina Ganslandt


2 Kommentare

  1. […] den besprochenen Sachbüchern werden durch die Bank die Übersetzenden unterschlagen. Franka Reinhart hatte hier erst kürzlich diese Erfahrung geteilt, die sich hier durch die Bank bestätigt. Jens-Christian Rabe lässt Martina Wiese im Fall von […]

Kommentare sind geschlossen.