Der japanische Animé-Regisseur Hayao Miyazaki ist ein Meister seiner Zunft. Seine Trickfilme sind die erfolgreichsten weltweit, zu seinem Publikum zählen Kinder und Erwachsene. Erstmals lädt nun eine Sammlung dazu ein, sein Gesamtwerk zu genießen.
Wer meint, Fantasie sei etwas für Kinder, wird mit den filmischen Kunstwerken des Japaners Hayao Miyazaki eines Besseren belehrt. Dessen Geschichten spielen zwar in Wolkenschlössern, Urwaldparadiesen oder versteckten Fantasiestädten, sie erzählen aber stets von den Herausforderungen unserer Gegenwart. Immer wieder öffnen sich in seinen Geschichten verborgene Pforten, hinter denen sich geheimnisvolle Zauberreiche befinden. Darin wimmelt es vor skurrilen Wesen, die unsere Vorstellungskraft übersteigen. Springende Schädeldrillinge, hausgroße Insekten, schlammüberzogene Flussgötter, zwölfbeinige Katzenbusse und andere Mischwesen, die jaulen, klappern, weinen und lachen.
Um in diese Wunderwelten zu gelangen, braucht es oft magische Kräfte oder ein Loch in der Wirklichkeit. In seinem 2002 mit dem Goldenen Bären und anschließend mit einem Oscar ausgezeichneten Meisterwerk Chihiros Reise ins Zauberland tut es auch ein Tunnel, der die zehnjährige Heldin in das Reich Aburaya führt. Hier regiert die mächtige Hexe Yubara, die im Schatten der Nacht ein Badehaus für Götter betreibt. In diesem surrealen Paralleluniversum gelten andere Gesetze, weshalb Chihiro nichts anderes übrig bleibt, als der eigenen Intuition zu folgen.
Dieser unter die Haut gehende Zeichentrickfilm ist Miyazakis poetische Antwort auf Lewis Carrolls Alice im Wunderland. Er verbindet darin die Absurditäten des Daseins so kunstvoll mit der japanischen Götter- und Geisterwelt, dass man ehrfürchtig auf die Knie gehen möchte. Kein anderer Trickfilm war jemals wieder so erfolgreich.
Der Japaner Hayao Miyazaki ist der Gabriel García Márquez des Kinos. In seinen filmischen Kunstwerken hat er dem Begriff des magischen Realismus eine cineastische Wirklichkeit verliehen. In Deutschland war Miyazaki jahrelang nur als Zeichner der Heidi-Zeichentrickserie aus den siebziger Jahren bekannt. Während er in seiner Heimat einen Besucherrekord nach dem anderen brach, blieb er hierzulande ein Geheimtipp. Das änderte sich schlagartig mit der Auszeichnung von Chihiros Reise ins Zauberland in Berlin und Hollywood. Nun sind Miyazakis Filme erstmals in einer Sammlung vereint.
Hayao Miyazaki ist der rechtmäßige Nachfolger von Walt Disney. Mit ihm teilt er den Ehrgeiz, konsequent an einem Lebenswerk zu arbeiten. Wie Disney hat Miyazaki mit den Einnahmen seines ersten großen Erfolgs, der Science-Fiction-Saga Nausicaä aus dem Tal der Winde, seine eigene Produktionsfirma aufgebaut. Nach zehn Filmen in knapp dreißig Jahren ist sein Studio Ghibli längst eine eigene Marke. Dazu beigetragen haben vor allem die Publikumserfolge aus den achtziger und neunziger Jahren, Filme wie Mein Nachbar Totoro, Prinzessin Mononoke oder Kikis kleiner Lieferservice, mit denen Miyazaki Jung und Alt in seiner Heimat verzauberte. Kein Geringerer als Akira Kurosawa sprach einst davon, dass Miyazakis Katzenbus in Mein Nachbar Totoro »eine der schönsten Schöpfungen des Kinos« ist. Mithilfe solcher Figuren verhandelt Miyazaki in vermeintlichen Kindergeschichten die großen Themen Freundschaft, Vertrauen und Respekt.
Kein anderer Animé-Regisseur ist international so erfolgreich wie der Japaner. Sein Film Das wandelnde Schloss gewann 2004 in Venedig den Goldenen Löwen. Anschließend wurde der Film für einen Oscar nominiert. Auch sein bislang letzter Film Wie der Wind sich hebt (als der Film 2013 bei den Filmfestspielen in Venedig Premiere feierte, wurde Miyazakis Rückzug aus dem Filmgeschäft bekannt) wurde noch einmal für einen Oscar nominiert.
Seine Filme gehören mit Abstand zum Besten, was das Zeichentrickgenre zu bieten hat. Dies liegt auch an den authentischen Charakteren. Wie Saint-Exupérys Kleiner Prinz entdecken diese Helden staunend die fantastischen Welten ihres Schöpfers und lassen keinen Zweifel daran, dass diese mit unserer Wirklichkeit zu tun haben. Sie öffnen unsere Herzen und lassen uns so die wirklich wichtigen Dinge sehen. Sie konfrontieren den Zuschauer mit den großen Fragen der menschlichen Existenz, die tief in das Universum des Japaners eingeschrieben sind.
Miyazaki ergründet in seinen Filmen auch unablässig das (Kräfte-)Verhältnis von Mensch und Natur. »Der Mensch ist nun mal so, dass er alles zwischen Himmel und Hölle will und sich nicht mit weniger zufrieden geben kann«, heißt es in Prinzessin Mononoke. Miyazakis Filme erzählen eindrucksvoll, dass Mensch sich dennoch mit weniger begnügen muss und dies im eigenen Sinne.
Die Erzählungen um die beiden Prinzessinnen Mononoke und Nausicaä bilden eine Art Jing-und-Jang-Zentrum in Miyazakis Filmografie. Prinzessin Mononoke ist das logische Gegenstück zur Nausicaä-Erzählung, mit der Miyazaki seine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Natur möglich ist, aufgenommen hat. Während Prinzessin Mononoke mit aller Kraft versucht, das Paradies des mächtigen Waldgottes vor der Zerstörung durch den Menschen zu bewahren, lebt Prinzessin Nausicaä in einer vergifteten Welt, in der sich der »Wald der Fäulnis« ausbreitet und zur Gefahr für die letzten Menschen wird. Prinzessin Mononoke brach Ende der neunziger Jahre in Japan alle Besucherrekorde und wurde zum erfolgreichsten japanischen Film aller Zeiten.
Das zweite große Thema, das sich durch Miyazakis Werk zieht, ist die Sehnsucht zu fliegen. Es gibt keinen Film des Japaners, in dem sein Wunsch nach Schwerelosigkeit nicht Niederschlag findet. In frühen Filmen wie Nausicaä aus dem Tal der Winde oder Das Schloss im Himmel erkennt man noch stark den Stil des Comiczeichners Mœbius wieder, der nach Osamu Tezuka Miyazakis wichtigstes zeichnerisches Vorbild war. In der Fliegerfabel Porco Rosso deutet sich an, dass er einen eigenen Stil gefunden hat. Zur Vollkommenheit gereift ist das nach seinem ersten Rücktritt aus dem Filmgeschäft produzierte Spätwerk, in dem die Idee des Fliegens oft spielerischer aufgegriffen wird oder aber – wie in seinem Abschlussfilm – in dokumentarischer Qualität verarbeitet wird.
In Das wandelnde Schloss etwa gibt es nicht nur einen fliegenden Magier, sondern eben auch jenes titelgebende Schloss, für das Miyazaki die Gesetze der Natur vollends auflöst, auf dass es in Zeiten des Krieges eine mobile Trutzburg sei. Mit seinem letzten Film Wie der Wind sich hebt hat er nicht nur sein Werk gekrönt, sondern den eigenen Traum vom Fliegen mit einer mutigen Aufarbeitung der schwierigen japanischen Geschichte verbunden. Vor historischem Hintergrund erzählt er darin von dem Flugzeugkonstrukteur Jiro Horikoshi, der wie Miyazaki selbst mit Vehemenz und Akribie seinen Traum verfolgt. Allerdings dient Horikoshis Werk nicht wie das Miyazakis der Verzauberung, sondern es bringt den Tod. Er wird das leistungsfähigste japanische Kampfflugzeug aller Zeiten entwickeln, das wesentlich zur Schlagkraft der japanischen Kaiserflotte während des Zweiten Weltkriegs beitrug. Beim folgenschweren Einsatz auf Pearl Harbor kamen die von Horikoshi entworfenen Maschinen zum Einsatz.
Miyazaki wurde in seiner Heimat für den Film heftig kritisiert, weil der historische Horikoshi als Kriegsheld der Nationalisten sofort Erinnerungen an die dunkle Vergangenheit Japans weckte. Wie der Wind sich hebt ist aber keine Idealisierung eines Kriegshelden, sondern das sensible Bildnis eines talentierten Ingenieurs, der in einer Krisenzeit sein Schicksal in die Hand nimmt und dank seiner Detailverliebtheit zum Überflieger wird. Dieses filmische Porträt am Ende einer großen Karriere muss man auch als Selbstporträt sehen – selbst dann, wenn es nicht als solches gemeint ist. Auch Miyazaki konnte sich nicht mit weniger als der Perfektion zufrieden geben. Das Resultat ist ein magisches Filmwerk, das altersunabhängig verzaubert und noch jedem einen wohligen Schauer der Faszination über den Rücken laufen lässt.
[…] und ausgereifter geworden. Die Farbgebung von Nathan Fairbairn erinnert ferner an die Ästhetik von Hayao Miyazaki und trägt zum surrealen Gesamteindruck der Geschichte bei. So zeigt Seconds das halbreale […]
[…] Der Japaner Makoto Shinkai ist mit seinen Arbeiten auch abseits der renommierten Ghibli-Studios erfolgreich. Sein Film »Your Name« wurde vielfach ausgezeichnet und war weltweit ein großer Publikumserfolg. In Berlin feiert sein neuer Film »Suzume« im Wettbewerb seine internationale Premiere. Vor 21 Jahren hatte das animierte Kino seinen letzten großen Berlinale-Moment. Damals erhielt Hayao Miyazaki den Goldenen Bären für sein anspielungsreiches japanisches Märchen »Chihiros Reise ins Zauberland«. […]
[…] dorthin geschafft haben, dann haben sie meist gute Chancen. 2002 teilte sich Hayao Miyazaki mit Chihiros Reise ins Zauberland den Goldenen Bären mit Paul Greengrass und seinem irischen Drama Bloody Sunday. Ari Folmans langsam […]
[…] Kino seinen großen Berlinale-Moment. Damals erhielt Hayao Miyazaki den Goldenen Bären für sein anspielungsreiches japanisches Märchen »Chihiros Reise ins Zauberland«. Seither sorgen Animationsfilme immer wieder für Aufsehen, Ari Folmans »Waltz with Bashir« etwa […]
[…] Oscar gewonnen. Hayao Miyazaki, Gründer der legendären Ghibli-Studios, konnte über zwanzig Jahre nach der Auszeichnung von »Chihiros Reise ins Zauberland« mit seinem mutmaßlich letzten Film »Der Junge und der Reiher« erneut den Oscar für den Besten […]