Film, Literatur, Roman

Würge(r)kino

Margarethe Tiesel, Jonas Dassler in »Der Goldene Handschuh« von Fatih Akin | © Boris Laewen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.

Mit hohen Erwartungen ist Fatih Akins Verfilmung von Heinz Strunks Roman »Der Goldene Handschuh« in den Wettbewerb der Berlinale gegangen. Der Film weist in seinem Handwerk Parallelen zu Takis Würgers viel kritisiertem Roman »Stella« auf.

Einen Horrorfilm hatte Fatih Akin angekündigt, zum Gruseln ist aber maximal die Umsetzung des Stoffes durch den Hamburger Regisseur. Der vierfache Frauenmörder Fritz Honka ist eine Hamburger Legende, Heinz Strunk hat dieser Legende einen umwerfenden Roman gewidmet. Darin setzt er Honka und seinen Opfern über die Schilderung der niederen Umstände, in denen sie gelebt haben, ein würdiges und wortwörtlich zu verstehendes Denkmal. Akin hat aus dem Roman nun Hamburg-Folklore gemacht, in der er das Elend der Gosse ausstellt und Honkas Brutalität als Tarantino’sches Erlebniskino inszeniert.

Überhaupt gibt es einige Parallelen an die Vorgehensweise des amerikanischen Kultregisseurs, dabei wollte Akin genau diesen Eindruck vermeiden. Aber so wie er Honkas Geschichte mit dem deutschen Schlager verbindet, wie er die Gewalt exzessive detailreich abbildet und neugierig die Kamera auf die Lebensverhältnisse ganz am Ende der sozialen Leiter hält, kommt man um den Vergleich gar nicht drum herum. Während Quentin Tarantino explizite Gewalt aber meist so weit in die Übertreibung führt, dass sie dadurch wieder ironisch gebrochen Ironie wird, bildet Akin Honkas Exzesse bis zur Erträglichkeitsgrenze einfach nur ab, als wäre es das Normalste der Welt. Der RBB trifft in seiner Kritik den Nagel auf den Kopf, wenn er den Film als »Elends-Porno« bezeichnet.

Fatih Akin: Der Goldene Handschuh | © Gordon Timpen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.
Fatih Akin: Der Goldene Handschuh | © Gordon Timpen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.

Was zu Lars von Trier und damit zu einem anderen umstrittenen Regisseur führt, der mit seinen »Nymphomaniac«-Filmen bei der Berlinale für einige Debatten sorgte. Dessen jüngster Film »The House that Jack built« erzählt die Geschichte eines Serienkillers und wartet mit ähnlich exzessiven Gewaltszenen auf. Auch hier fragt man sich, worum man sich das ansehen soll. Was von Trier allerdings noch gelingt, ist eine Bildästhetik zu finden, die zum Sujet passt. Er hat seinen Film in eine düstere Atmosphäre getaucht. Im »Goldenen Handschuh« jedoch leuchten die Farben selbst noch durch all den Dunst und Nebel, den die Unmengen an Zigaretten, Fusel und schmierigen Dreck, die hier zum Einsatz kommen, über alles legen. Das gibt dem Film etwas Sensationsheischendes und lenkt die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf die bemerkenswert gelungene Ausstattung des Films, die Honkas Handeln fasst zu einer Nebensache macht.

Was Heinz Strunk in seinem Buch gelingt, nämlich ein Bild des Menschen Fritz Honka und seiner Lebensumstände zu zeichnen, um diese rätselhafte Figur irgendwie greifbar und plausibel zu machen, daran scheitert Fatih Akin fatal. Warum dieser Mann zu einem solch brutalen Widerling geworden ist, der seine zerstückelten Opfer hinter den Pappwänden seiner Dachwohnung gelagert hat, erklärt der Film nicht einmal in Ansätzen.

Fatih Akin: Der Goldene Handschuh | © Gordon Timpen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.
Fatih Akin: Der Goldene Handschuh | © Gordon Timpen / 2018 bombero int./Warner Bros. Ent.

Es gibt dennoch einige Dinge, die man als gelungen bezeichnen kann. Dazu gehören die Miniaturporträts der Stammkunden in der titelgebenden Kiezkneipe, Jonas Dasslers Schauspiel (nebst beeindruckender Maske), die Ausstattung des Filmsets sowie die Kameraführung von Rainer Klausmann, der die Szenerie zum Teil so realistisch einfängt, dass man das Gefühl hat, man säße mitten in dieser Elendsgesellschaft und wäre all dem modrigen Dreck direkt ausgesetzt. Das Kotzen liegt in der Kehle gleich direkt neben dem Kichern, erfährt man in dem Film. Letztlich hat man aber mehr mit seinem Würgereflex als mit seinen Lachmuskeln zu kämpfen.

Fatih Akin zwingt seine Zuschauer oftmals, Dinge anzusehen, die schwer zu ertragen sind. In seinem Berlinale-Gewinner »Gegen die Wand« oder seinem in Cannes ausgezeichneten NSU-Drama »Aus dem Nichts« tut man das nicht unbedingt gern, aber mit Gewinn. Sein neuester Film ist aber nicht mehr als ein abstoßendes Kammerspiel von Gewalt und Verwahrlosung.

Es verhält sich mit dieser Romanverfilmung ein wenig wie mit Takis Würgers »Stella«-Roman. Man vermisst jegliche Verantwortung im Umgang mit dem Stoff. Warum man »Der Goldene Handschuh« sehen sollte? Auf diese Frage gibt der Film keine Antwort.

1 Kommentare

  1. […] gibt, von dem die Mehrheitsgesellschaft nichts wissen will. Dieses Unten stellt auch Fatih Akin in »Der Goldene Handschuh« aus, wo der deutsche Filmemacher aber mit Effekten schockieren will, will Billingham aufklären. […]

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