Comic, Film, Hörbuch, InSzeniert

Kafka in Bild und Ton

Das Kafka-Jahr spielt auch abseits des strikt Literarischen eine zentrale Rolle. Zahlreiche Comics setzen Kafkas Leben und Werke in Text und Bild um. Sven Regener hat Kafkas Werk als Hörbuch eingelesen und für das Frühjahr sind eine Miniserie und ein Kinofilm angekündigt.

Vor knapp einem Jahr begannen die Dreharbeiten zu »Kafka«, einer auf sechs Teile angelegten Miniserie, für die die ARD und der ORF Daniel Kehlmann als Drehbuchautor, David Schalko als Regisseur und Kafka-Biograf Reiner Stach als fachlichen Berater gewinnen konnten. In der Ankündigung heißt es: »Franz Kafka hat in seinen dunklen, literarischen Visionen eine zukünftige Welt erahnt, die heute noch zu erkennen ist. Die Ideen dazu bekam er aus seinem täglichen Leben, seiner Familie, seinem privaten Umfeld – über Menschen, die in der sechsteiligen Miniserie ihren Blick auf Kafka offenbaren.« Zu den Wegbegleiter:innen, die in der Serie zu Wort kommen, gehören u.a. seine langjährige Verlobte Felice Bauer (Lia von Blarer), Kafkas Freund Max Brod (David Kross), sein strenger und dominierender Vater Hermann (Nicholas Ofczarek) und die Schriftstellerin Milena Jesenská (Liv Lisa Fries), Franz Kafka wird von Joel Basman gespielt. Außerdem gehören Robert Stadlober, Charly Hübner, Lars Eidinger, Katharina Thalbach, Marie-Lou Sellem, Christian Friedel u.v.a. zum hochkarätigen Ensemble der Serie, die im Frühjahr ihre Premiere feiern soll.

Drei Comicbiografien zu Franz Kafka

Mit der Neuauflage des Sachcomics »Kafka« von David Zane Mairowitz und Robert Crumb, Nicolas Mahlers Arbeit »Komplett Kafka« sowie dem Album »Verwandelt. Franz Kafka – Leben Lieben Literatur« von Alexander Pavlenko und Thomas Dahms liegen gleich drei Comic-Biografien zu Franz Kafka vor.

David Zane Mairowitz, Robert Crumb: Kafka. Aus dem Amerikanischen von Ursula Grützmacher-Tabori. Handlettering von Marianne Nuß. Reprodukt Verlag 2013. 176 Seiten. 17,- Euro. Hier bestellen. | David Zane Mairowitz, Robert Crumb: Kafka. Reprodukt 2024. 176 Seiten. 9,90 Euro. Hier bestellen.

Das bahnbrechende Werk von Mairowitz und Crumb erschien bereits 2013 und wird anlässlich des Kafka-Jubiläums als Taschenbuch neu aufgelegt. Der Band trägt höchst anschaulich all das zusammen, was man über Franz Kafka wissen sollte: von seiner Kindheit bis zum posthumen Kafka-Kult; über die Konflikte, die der Schriftsteller mit sich selbst und anderen, allen voran mit seinem Vater auszutragen hatte. Die Stationen von Kafkas Leben werden ergänzt durch Briefe und Auszüge aus seinen autobiografisch motivierten Romanen und Kurzgeschichten. So gewährt dieser Comic einen einzigartigen Einblick in das Wesen und das Werk des Schriftstellers Franz Kafka. Der Strich von Comic-Ikone Robert Crumb trägt einen gehörigen Teil zum Gelingen dieses Comics bei. Nicht zufällig, wie er selbst verriet. »Kafkas Themen wie der Selbsthass, seine Beziehung zu Frauen, die Schuldfrage sind auch meine«, so Crumb. »Er ist mein Bruder im Geiste.«

Nicolas Mahler: Komplett Kafka. Suhrkamp Verlag 2023. 127 Seiten. 18,- Euro. Hier bestellen. | Nicolas Mahler: Kafka für Boshafte. Insel Verlag 2023. 127 Seiten. 12,- Euro. Hier bestellen.

Einzigartig ist auch Nicolas Mahlers »Komplett Kafka«, in dem der Wiener Comiczeichner, der seit Anfang des Jahres als künstlerischer Leiter der Wiener Schule für Dichtung agiert, einige ungewöhnliche Episoden aus Kafkas Leben und Werk zu einer ebenso unterhaltsamen wie informativen Biografie zusammenführt. Der Titel erinnert akustisch sicher nicht zufällig an »Komplett Gaga«. So berichtet er von Kafkas Plan, eine Reihe von Billigreiseführern zu schreiben, blickt hinter die Kulissen von »Die Rückverwandlung des Gregor Samsa«, der Fanfiction-Fortsetzung eines seiner wichtigsten Werke, und weiß von Kafkas zeichnerischen Ambitionen zu berichten. Dass dabei Mahlers minimalistischer Stil Kafkas hinterlassenen Zeichnungen auf unnachahmlich witzig-pointierte Weise imitiert, ist gleichermaßen Zufall wie Absicht. So spielerisch und zugleich tiefgründig dürfte keine andere Kafka-Biografie daherkommen, wie dieser Comic.

Ergänzung findet »Komplett Kafka« in dem schmalen Band »Kafka für Boshafte« findet, der in der beliebten Reihe der Insel-Bibliothek erschienen ist. Statt der düsteren Seite konzentriert sich Mahler – durchaus selbstironisch – auf die die komischen Passagen des Werks, auf die er in Romanen, Erzählungen, Tagebüchern und Briefen gestoßen ist. Weniger Comic als vielmehr illustriertes Sprüchebuch empfiehlt es sich dennoch. »Mein letzter Rat in dieser Sache bleibt immer: weg von Wien.«

Alexander Pavlenko, Thomas Dahms: Verwandelt. Franz Kafka – Leben Lieben Literatur. Knesebeck Verlag 2024. 128 Seiten. 24 Euro. Hier bestellen.

Alexander Pavlenko und Thomas Dahms nähern sich in ihrer Comic-Biografie »Verwandelt. Franz Kafka – Leben Lieben Literatur« vor dem Hintergrund seines Schaffens vor allem der privaten Seite des Prager Autors. Vor allem die schwierige Verbindung zum Vater, die innere Zerrissenheit zwischen Abhängigkeit und Loslösung aus den familiären Banden, sowie die jüdische Kultur Prags zu Beginn des Ersten Weltkriegs sind prägend für diese Arbeit. In scherenschnitt-ähnlichen Zeichnungen folgen Pavlenko und Dahms Kafkas Leben und Schaffen, vertiefen sich in dessen Freundschaften zu Max Brod und Oskar Pollak und gehen den Liebschaften mit Dora Diamant und Felice Bauer nach. »Eine Graphic Novel, die sich sowohl auf emotionaler wie auch künstlerischen Ebene Franz Kafka nähert und somit eine facettenreiche Biografie des wohl bekanntesten Autors des letzten Jahrhunderts zeichnet«, heißt es in der Verlagsankündigung der in den ersten Ansichten sehr textlastig ausfallenden Arbeit.

Ältere Kafka-Adaptionen

Der Knesebeck-Verlag versucht seit Jahren, mit Künstler- und Literatencomics nachhaltig Fuß im Markt zu fassen. Tatsächlich sichtbar sind jedoch die wenigsten Alben, da sie in pennälerhafter Werktreue meist zu überladen daherkommen. Es steht zu befürchten, dass sich dies mit der Kafka-Biografie wiederholt. Daher sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber auf vier weitere Kafka-Adaptionen hingewiesen, die in der Vergangenheit im Verlag erschienen sind. Die Comicadaptionen von »Die Verwandlung« von Horne und Éric Corbeyran sowie von »Das Urteil« von Moritz Stetter halten sich eng an den Text, die Zeichnungen illustrieren die Geschichten stimmungsvoll bis ausdrucksstark. Die besten, weil radikalsten Bearbeitungen sind die Adaptionen von »Der Process« und »Das Schloss«, an denen David Zaine Mairowitz mitgewirkt hat. Beide sind leider nicht mehr erhältlich.

Danijel Žeželj: Wie ein Hund. Reprodukt Verlag 2024. 104 Seiten. 22,- Euro. Hier bestellen.

Visuell ansprechender kommt die Adaption »Wie ein Hund« des kroatischstämmigen Zeichners Danijel Žeželj daher. »Wie ein Hund« sind die letzten Worte K.’s in Kafkas Roman »Der Prozess«. Der liegt dieser Arbeit aber nicht allein zugrunde, sondern auch Kafkas Erzählungen »Eine kaiserliche Botschaft« und »Der Hungerkünstler«. Dieser geht hier unter reger Anteilnahme der Öffentlichkeit seiner Mission nach. Nach den vorgesehenen 40 Tagen ohne Essen fühlt er sich aber so missverstanden, dass er seine Kunst in einem Zirkus fortsetzt – so lange bis sich niemand mehr für ihn interessiert und er in einem Käfig vergessen wird. Auf Basis von Kafkas Texten lädt Žeželj zu einer grafischen Tour de Force ein. Seine spektakulären Seitenlayouts und der kontrastreiche Stil übertragen die ungreifbar düstere Stimmung von Kafkas Prosa ins Visuelle. Der Kroate verstärkt den Widerspruch der sachlich-nüchternen Darstellung schier unglaublicher Vorgänge, indem er die Originaltexte Kafkas in expressionistische Schwarz-Weiß-Zeichnungen überträgt.

Larissa Theule: Herr Kafka und die verlorene Puppe. Sauerländer Verlag 2024. 48 Seiten. 16,90 Euro. Hier bestellen.

Larissa Theule hat inspiriert von einer wahren Begebenheit aus Kafkas Leben das illustrierte Kinderbuch »Herr Kafka und die verlorene Puppe« entworfen. Darin erzählt sie von Irma, die ihre liebste Puppe verloren hat und dies dem Mann auf der Parkbank erzählt. Dass es sich dabei um Franz Kafka handelt, kann das Kind nicht wissen. Der spürt Irmas Not und folglich bringt er ihr Tag für Tag Briefe mit, die die Puppe von ihrer Weltreise schreibt. In den Briefen geht es um Abenteuer in fernen Ländern, um Croissants zum Frühstück, Tee mit Peter Hase und die Pyramiden in Ägypten. Theules ab dem Alter von fünf jahren empfohlene und von Rebecca Green anschaulich illustrierte Geschichte handelt von der tröstenden Kraft der Phantasie und zeigt die emphatische Seite des weltberühmten Schriftstellers.

Kafka im Kino und TV

Gefühlig wird es sicher auch in Georg Maas’ Verfilmung der gleichnamigen Romanvorlage »Die Herrlichkeit des Lebens« von Michael Kumpfmüller, die im Frühjahr in die Kinos kommen soll. Roman und Film erzählen von der Verbindung zwischen Franz Kafka und Dora Diamant kurz vor Kafkas Tod. Als sie sich begegnen, ist Kafka schon todkrank, während Diamant mit beiden Beinen im Leben steht. Ein Jahr lang beweisen sie dem Tod, dass er gegen die Liebe machtlos ist. Sabin Tambrea spielt in dieser »opulenten Verfilmung« den todkranken Schriftsteller, Henriette Confurius die strahlende Schönheit an seiner Seite. Ob sich Kafka diesen Film selbst angesehen hätte, ist angesichts der gefühligen Story zweifelhaft. Vermutlich hätte er sich eher für David Schalkos Miniserie »Kafka« entschieden. Wer es genau wissen will, der muss ins Kino gehen. Zudem sei in Sachen »Kafka und Film« der bereits vor Jahren überarbeitete Klassiker »Kafka geht ins Kino« von Hanns Zischler empfohlen.

Sven Regener liest Franz Kafka. Die Romane und die zu Lebzeiten veröffentlichten Erzählungen. Ungekürzte Lesungen. Tacheles Hörbuch 2024. Ca. 35 Stunden. 40,- Euro. Hier bestellen.

Wer sich nicht von Bildern, sondern von der Akustik verzaubern lassen möchte, dem seien die von Sven Regener eingelesen Romane und Erzählungen Franz Kafkas empfohlen. Über dreißig Stunden lang kann man sich vom Meister der Melancholie, dem Sänger der Band Element of Crime, in die Welten der Romane »Der Prozess«, »Das Schloss« und »Amerika« sowie der zu Lebzeiten veröffentlichten Erzählungen hineinversetzen lassen. Regener hatte Kafkas Werk in den vergangenen Jahren Stück für Stück eingelesen, die neue Hörbuch-Edition führt die einzelnen Aufnahmen nun zusammen.

Regener selbst wird in der Ankündigung wie folgt zitiert: »Kafka erscheint uns rätselhaft, dabei schreibt er doch eigentlich in einer schlichten Prosa, seine Schilderungen sind präzise, seine Personen reden in einfachen Worten und es wird weder um das, was sie tun, noch um das, das sie reden, noch um das, was ihnen zustößt, ein großes Gewese gemacht. Aber wir verstehen nicht. Oder glauben, nicht zu verstehen. Oder wir verstehen, können aber nicht sagen, was eigentlich. Wir glauben immer etwas anderes, Drittes ausmachen zu müssen, das mit dem, was dort passiert, eigentlich bezeichnet wird, wir versuchen, das Rätsel zu lösen. (…) Wenn man das Hörbuch hört, gibt es zu diesem Zweck die Pausentaste. Oder man lässt es einfach laufen. Beides scheint mir der richtige Weg zu sein.«

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