Stephen Frears »The Lost King« erzählt auf Basis wahrer Begebenheiten von der Suche nach den sterblichen Überresten von King Richard III. Sally Hawkins trägt diesen Film und brilliert in der Rolle einer Hobbyhistorikerin.
Im Februar 2013 bestätigten Experten der Universität Leicester vor den Kameras der Weltpresse, dass man unter dem betonierten Parkplatz des Sozialamts in der britischen Stadt die seit 500 Jahren verschollenen Gebeine von König Richard III. gefunden habe. Dabei verschwiegen die Fachmänner (allesamt Männer!) die Tatsache, dass erst die Hartnäckigkeit der Hobbyhistorikerin Philippa Langley die Ausgrabung ermöglicht hatte.
Richard III. war der letzte Herrscher aus dem Haus Plantagenet, er fiel in der Schlacht gegen Heinrich VII. Die Weltgeschichte zeichnet von dem gefallenen Monarchen das Bild eines Thronräubers, dessen Brutalität nicht einmal vor seinen Neffen halt machte. In William Shakespeares Drama »Richard III« wird dem Monarchen eine bedauernswerte Selbstbeschreibung in den Mund gelegt. Darin beschreibt er sich als »so lahm und ungeziemend, daß Hunde bellen, hink ich wo vorbei«.
Die freie Verfilmung der Suche nach den Überresten des verschollenen Königs von Stephen Frears (»High Fidelity«, »Die Queen«, »Philomena«) beginnt seine Erzählung bei Philippa Langley und ihrer Lebenskrise. Gesundheitlich angeschlagen kommt sie im Job nicht voran, zudem steht ihre Ehe vor dem Aus. Als sie mit ihrem ältesten Sohn eine Aufführung von Shakespeares Klassiker besucht, gerät sie in den Bann des verfemten Königs. Der begegnet ihr fortan mitten am Tag auf der Straße oder wartet nachts im Vorgarten auf sie. Bald schon spricht sie mit ihm und begibt sich auf die Mission, seine leiblichen Überreste zu finden und ihn zu rehabilitieren. In ihrer überdrehten Werbeagentur meldet sie sich krank, um mit Hilfe von Amateurhistorikern und Mittelalterfreaks die wahre Geschichte des verkannten Monarchen zu rekonstruieren. Ihre Suche führt sie nach Leicester, wo sie sich gegen männliche Macht und wissenschaftliche Hybris durchsetzen muss.
Das ist thematisch alles etwas viel, aber Sally Hawkins allein macht diesen überfrachteten Film zu einem unterhaltsamen Ereignis. Die zweifache Oscar-Kandidatin (»Spencer«, »Shape of Water«) brilliert als vielfach unterschätzte Frau, die gegen Windmühlen kämpft, um zu beweisen, dass sie es verdient, ernstgenommen zu werden. Dabei weißt ihr Charakter einige Ähnlichkeiten mit dem verschollenen König auf, denn auch von ihr sehen die Leute nur das, was sie sehen wollen. Selbst ihr Ex-Mann, gespielt von Steve Coogan, hat anfangs nur Kopfschütteln für die wirren Gedanken der Mutter seiner Söhne übrig. Doch je hartnäckiger die Hobby-Archäologin sucht, desto mehr Hinweise verdichten sich, dass sich unter dem vielsagenden R hinter dem Sozialamt in Leicester die Gebeine des Königs befinden.
King Richard der Dritte versprach sein Reich für ein Pferd, will man Shakespeare glauben. Manch Zyniker mag beim Anschauen dieses Films senken, er hätte mal besser auf ein anständiges Grab wetten sollen. Dann würde man allerdings nicht sehen, wie Frears mit großer Leichtigkeit die (maskuline) Arroganz des Wissenschaftsbetriebs, die Idiotie des Stadtmarketings und den leisen Feminismus seiner Hauptfigur zu einem ebenso schwungvollen wie humorigen Filmdrama komponiert, in dem Sally Hawkins einmal mehr beweist, was für eine großartige Schauspielerin sie ist.
Einzig bedauerlich ist der Umstand, dass es Frears nicht gelungen ist, Benedict Cumberbatch oder Lars Eidinger für die Rolle des geisterhaften Königs zu gewinnen, wo doch beide auf der Bühne dieser Figur eine eindrucksvolle Präsenz gegeben haben.
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