Die Streamingplattform FILMINGO ist die derzeit beste Adresse für herausragendes Autorenkino aus dem In- und Ausland. Auf ihr findet man Perlen von Hirokazu Kore-eda, Céline Sciamma oder Valeska Grisebach, aber auch Klassiker von Akira Kurosawa, Andrei Tarkowski oder Milos Forman.
Was macht man, wenn man ein Kind großgezogen hat, dass sich gar nicht als das eigene herausstellt? Wenn es nach den Managern des Krankenhauses geht, in dem die Säuglinge nach der Geburt verwechselt wurden, dann tauscht man einfach die Kinder wieder aus, um die echten Familienverhältnisse herzustellen. Aber was ist Familie eigentlich? Was ist vererbt und was erzogen? Und wie wirken sich kindliche Traumata auf die eigene Elternrolle aus? All diese Fragen stellt Hirokazu Kore-eda in seinem 2013 in Cannes mit dem Jury-Preis ausgezeichneten Drama »Like Father, Like Son«. Darin beobachtet der Japaner zwei Familien, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite die Nonomiyas, deren Wohlstand auf der Disziplin von Vater Ryoto beruht, der seine Familie zugunsten seiner Arbeit vernachlässigt, auf der anderen Seite die Saiikis, einfache Leute, die das Leben genießen, wie es kommt. Sie prallen in einer absoluten Ausnahmesituation aufeinander, denn der absurde Kindertausch soll tatsächlich stattfinden.
Das besondere in Kore-Edas Filmen ist sein geradezu intuitives Gespür für Emotionen, wie sie in seinen Figuren arbeiten und sie aufwühlen. Seine Sympathien gelten den kleinen Leuten und vor allem den Kindern. Die Familie bietet den idealen Mikrokosmos, um ihr Innenleben zu studieren. So taucht der Regisseur immer wieder in dieses schräge Biotop ein, nimmt es auseinander und setzt es neu wieder zusammen – in dem 2018 mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Film »Shoplifters – Familienbande« ebenso wie in »Like Father, Like Son« oder dem Familiendrama »Still Walking«. Selten ist Kino so nachhaltig bewegend wie bei dem Japaner.
Ein so welthaltiges und von Leben gesättigtes Kino wie das des Japaners ist angesichts geschlossener (Arthouse-)Kinos schwer zu finden. Zwar stellen einige Filmverleihe wie Grandfilm und Rapid Eye Movies ihr Programm vorübergehend online zur Verfügung, perfekt für Cineasten wäre aber eine gute Arthouse-Streamingplattform. Die Schweizer Stiftung trigon-film hat mit FILMINGO eine solche geschaffen, wo sie »ausgewählte Kinofilme, zeitlose Klassiker und herausragende Dokumentarfilme« im Original mit Untertiteln und in HD-Qualität zum Streaming anbietet.
Sortiert nach sieben Haupt- und zahlreichen Unterkategorien findet man dort die perfekte Alternative abseits des Mainstream. Kore-Edas Familienstudien finden sich bei den Festivalgewinnern, wie auch Céline Sciammas »Porträt einer jungen Frau in Flammen« oder Ildikó Enyedis Liebesdrama »Körper und Seele«. Das Portfolio erstreckt sich über Indie-Hits wie Eric Khoos »Ramen Shop« oder Valeska Grisebachs Balkan-»Western« bis hin zu Klassikern wie Akira Kurosawas »Rashomon«, Andrei Tarkowskis »Der Spiegel« oder Milos Formans »Feuerwehrball«. Mit über 200 Filmen findet man hier eine breite und bestens kuratierte Auswahl des Weltkinos.
Zudem präsentiert Filmingo auch zahlreiche sehenswerte deutschsprachige Produktionen wie Wolfgang Fischers Spielfilm »Styx«. Dieses mit dutzenden Preisen ausgezeichnete Drama erzählt von der Ärztin Rike, die allein mit einem Segelboot von Gibraltar nach Ascension reist. Nach einem heftigen Sturm stößt sie auf ein havariertes Fischerboot, auf dem sich hunderte Flüchtlinge befinden. Die Ärztin alarmiert die Küstenwache, doch während sie auf Hilfe wartet, überschlagen sich die Ereignisse.
»Styx« ist nicht nur ein grandioser Film über das Segeln, sondern auch eine erschütternde Reflexion über Unantastbarkeit der Menschenwürde in Zeiten der Globalisierung. Um moralische Fragen geht es auch in Christian Petzolds DDR-Fluchtdrama »Barbara« oder Lars Kraumes Biopic »Der Staat gegen Fritz Bauer«, die das deutschsprachige Portfolio ebenso erweitern wie Andres Veiels mitreißende »Beuys«-Doku oder Ruth Beckermanns nachdenklich-stille und dennoch überwältigende Bachmann-Celan-Inszenierung »Die Geträumten«.
Eine bessere Streamingplattform für herausragendes Autorenkino aus dem In- und Ausland kann man derzeit nicht finden. FILMINGO bietet drei verschiedene Abo-Modelle an. Filmfreunde können für 7,50 zwei Filme im Monat sehen, Filmfans für 12,50 Euro bis zu fünf und Filmliebhaber für einen Fixpreis von 200 Euro im Jahr unbegrenzt viele. Als Bonus können Abonnenten fünfmal im Jahr Freunden einen kostenlosen Abspiellink für einen Film ihrer Wahl zukommen lassen. Das ist zwar nicht das gleiche, wie mit Freunden Kino genießen, kommt dem aber schon sehr nah.
Dieser Beitrag ist in leicht gekürzter Form im Rolling Stone Magazin 6/2020 erschienen
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[…] Kreutzer lässt sich – wie schon Pablo Larraín in seinem Diana-Porträt »Spencer« oder Céline Sciamma in ihrem barocken Film »Porträt einer jungen Frau in Flammen« – nicht vom historisch überlieferten Stoff an die Kette nehmen. Sie erzählt diese Geschichte […]
[…] das Schicksal von vier Kindern, die von ihrer alleinerziehenden Mutter zurückgelassen werden. In »Like Father, Like Son« (2013) stellt er im Rahmen einer Kinderverwechslungsgeschichte die Frage, wie viel Liebe mit […]