Film

Im Namen der Wissenschaft

Die Comiczeichnerin und Filmemacherin Marjane Satrapi blickt in ihrem neuen Film auf das Wirken der einflussreichsten Wissenschaftlerin aller Zeiten.

Marie Curie ist aus wissenschaftlicher Perspektive eine der bedeutendsten Forscherinnen aller Zeiten. Seltsamerweise spielt die Wissenschaft in Filmen über sie jedoch kaum eine Rolle. Zuletzt hatte die Französin Marie Noëlle sich an einem Biopic versucht und dabei mehr nackte Haut als wissenschaftlichen Forscherdrang gezeigt. Diesen Fehler wiederholt die iranisch-französische Comickünstlerin und Filmemacherin Marjane Satrapi, die mit »Persepolis« und »Huhn mit Pflaumen« bereits zwei ihrer mehrfach ausgezeichneten Comicarbeiten verfilmt hat, nicht. Sie zeigt Curie als leidenschaftliche Wissenschaftlerin, die sich in ihrem Forscherdrang nicht nur nicht aufhalten lassen wollte, sondern um der Forschung Willen mehr als einmal ihren größten Förderern brüsk vor den Kopf stieß.

Die Handlung von Satrapis Film orientiert sich an den wichtigen biografischen Wegmarken der Marie Skłodowska Curie: die Begegnung mit Pierre Curie, ihre gemeinsame Arbeit, die in der Entdeckung der Radioaktivität und dem Physiknobelpreis mündet, die Geburt ihrer beiden Töchter, der tragische Unfalltod von Pierre Curie, ihre Affäre mit Paul Langevin, die erneute Auszeichnung in Stockholm 15 Jahre nach dem ersten Nobelpreis und schließlich ihr Engagement für den Einsatz von Röntgenuntersuchungen an den Verletzten des Ersten Weltkriegs.

Marjane Satrapi: Marie Curie – Elemente des Lebens. Mit Rosamunde Pike und Sam Riley.

In der Tiefe wird vom mühsamen Kampf einer selbstbewussten Wissenschaftlerin um Anerkennung und Respekt erzählt. Dies gelingt am besten durch die kluge Visualisierung ihrer Forschung. Mittels Spezialeffekte macht der Film den magischen Moment einer Neuentdeckung ebenso sichtbar wie er das simple Handwerk der Vorarbeiten zeigt. Hier zeigt sich die der spielerischen Leichtigkeit der Comickünstlerin, die Cineasten nicht nur von Satrapis vorherigen Filmen bekannt sein dürfte, sondern beispielsweise auch aus dem grandiosen »Gainsbourg«-Biopic von Comiczeichner und Filmemacher Joann Sfar. Rosamunde Pike (»A Private War«) führt die Rolle der Curie energisch bis verbittert aus. So verleiht sie ihrer Figur eine nachvollziehbare Unnahbarkeit, die letztlich nur Pierre Curie, unter dessen frühen Verlust sie ihr Leben lang litt, überwinden konnte.

Satrapi begnügt sich jedoch nicht mit Curies Wissenschafts- und Lebensgeschichte, sondern reflektiert auch die Konsequenzen ihrer Forschung. Mit den Möglichkeiten des Kinos wirft sie die Frage auf, ob die wissenschaftliche Entdeckung von Radioaktivität die Menschheit vorangebracht oder ihr geschadet hat. Immer dann, wenn Marie Curie eine verheißungsvolle Entdeckung macht, blendet der Film kurz die Zukunft (beziehungsweise aus Sicht der Cineast:innen die Vergangenheit) ein und zeigt Szenen wie den Bombenabwurf über Hiroshima, die erste Strahlentherapie in Cleveland oder den atomaren Supergau in Tschernobyl. An diesen Orten führten die Geister, die die Menschheit nach Curie rief, ihren makabren Totentanz auf. Von ihnen geht der Schatten aus, der sich im Nachhinein über die Forschung der Curie legte und der ihre Erkenntnisse heute in einem anderen Licht erstrahlen lässt. Der Wissenschaftsdrang der erfolgreichsten weiblichen Forscherin aller Zeiten bleibt davon aber unbeschadet.