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Spektakuläre Körperlandschaften, tanzende Buchstaben

© Thomas Hummitzsch

Maddie Mortimer hat mit »Atlas unserer spektakulären Körper» einen Roman geschrieben, der sich in jeglicher Hinsicht vom Gewöhnlichen abhebt. Die Sprache wird hier selbst zum sich bewegenden Organ. Maria Meinels flirrend kreativer Übersetzung merkt man den Aufwand hinter ihrer Leichtfüßigkeit nicht an. Ein Gespräch über die Lust am Retour-Blitzbomben, das Erobern von Landschaften aus Lettern, über »schniefmiefen, schrämen und schamrotschnell schlingern« in einem spektakulären Roman, in dem eine junge Frau nach einer schrecklichen Diagnose sich und das Leben neu entdeckt.

Maria Meinel, Maddie Mortimer erzählt in »Atlas unserer spektakulären Körper« die Geschichte der jungen Mutter Lia, die an Krebs stirbt. Der Kampf um die Hoheit über die Erzählung wird zum Kampf um Zeit, Leben und Tod. Wie war es, diesen Roman das erste Mal zu lesen und sich dann immer wieder mit diesen existenziellen Fragen auseinanderzusetzen?

Beim ersten Lesen hatte ich … Respekt. Vor dem Text, vor dem Thema, vor den komplexen Herausforderungen beim Übersetzen. Eine Kollegin hatte ihn aus diesen Gründen wieder abgegeben. Aber gereizt hat mich der Stoff. Ein irrer Text. Den wollte ich machen. Das Arbeiten daran ging dann ziemlich an die Substanz. Irgendwann hab ich beschlossen, mich an diesem wahnwitzigen Ton des Tumors, der eine eigene Erzählstimme hat, abzuarbeiten, dem Krebs auf die Schliche zu kommen, Paroli zu bieten, ihn mit seinen eigenen Stilmitteln zu kriegen – zu besiegen, wenn man so will. Das musste ich für mich tun. Auch wenn diese Art Augenhöhe am Ende schwer auszuhalten war.

Maddie Mortimer: Atlas unserer spektakulären Körper. Atlantik Verlag 2023. 480 Seiten. 25,- Euro. Hier bestellen https://hoffmann-und-campe.de/products/59978-atlas-unserer-spektakulaeren-koerper
Maddie Mortimer: Atlas unserer spektakulären Körper. Atlantik Verlag 2023. 480 Seiten. 25,- Euro. Hier bestellen.

Wie schlägt sich dieser Kampf um Leben und Tod in der Gestaltung des Romans nieder?

Das lässt sich kaum in wenigen Worten beschreiben. Der Kampf um Leben und Tod wird praktisch auf allen Ebenen nachgebaut. »Um Leben und Tod« ist hier beim Wort zu nehmen, denn auch der Krebs kämpft um sein Überleben, und zwar mit allen Mitteln: Liebe, Mitleid, Sarkasmus, Poesie, nur nicht mit Pathos, zum Glück. Sprachlich ist das ein fortwährendes Umschreiben, Zersetzen, Neuschöpfen, Dichten, Singen, Ätzen und Hämen. Da gibt es etliche Verfahren, zum Beispiel die »Wortshows«, die im Text exzessiv Anwendung finden.

Formal haben wir ein Feuerwerk aus typografischen Spielereien, die die sprachlichen Salti ganz plastisch werden lassen: eine Taube aus Sätzen, ein Iris-Rund, von der Buchseite fallende Wörter und und und. Und wir haben zwei Erzählstimmen, die sich auch grafisch unterscheiden – der Krebs ist fett gedruckt, die Lia-Stimme wirkt dadurch fragil. Diese beiden Stimmen – das ist ein wahnsinnig spannendes Experiment der Autorin – werden im Laufe des Romans quasi miteinander verschränkt. Und schließlich haben beide Stimmen ihre eigenen Namen für die Figuren des Romans…

© Thomas Hummitzsch
In vielerlei Hinsicht ist die Lektüre von Maddie Mortimers »Atlas unserer spektakulären Körper« ein Ereignis | © Thomas Hummitzsch

Die Perspektive des Romans wechselt immer wieder zwischen der Lia-Erzählung und der Ich-Erzählung des Tumors. Dabei kommt es zu einem »stillen Übergehen des Ich in das weite und grenzenlose Du«, wie es im Roman heißt. In meinen Augen ein zentrales Element, weil es die Perspektiven trennt aber zugleich auch wieder miteinander in einem Menschen verschränkt. Wie hat Mortimer dieses stille Übergehen gelöst und was mussten Sie tun, um das anzupassen?

Ja, das ist erzähltechnisch – und auch dramaturgisch – ein genialer Kniff. Was passiert hier? Zum einen: Je raumgreifender der Krebs und sein »Chor der Akteure«, desto mehr ist Lia, von der zunächst in der dritten Person erzählt wird, auch formal und grammatisch davon betroffen. Sie wird von der fetten Ich-Stimme regelrecht durchsetzt, bis diese Dritte-Person-Lia mit dem Tumor-Ich zu einem Wir verschmilzt, um schließlich in ein ergebenes Du zu wechseln. Am Ende erzählt der Krebs als Lia selbst, im neuen Ich, der Text landet in der Vergebung. Auch sprachlich. Alle Spitzen und Kanten sind abgestoßen. Der vorher so schadenfreudige Ton wird ungemein weich, sanft, fedrig fast. Ein Schweben. Die Figur der Mutter spielt bei dieser Versöhnung beziehungsweise Vergebung eine zentrale Rolle. 



Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
Screenshot einer Seite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel

Aber es gibt noch ein weitaus stilleres Übergehen ins DU, auf das sich die Frage vermutlich bezieht. Ein kaum merkliches, aber sehr eindringliches: Nahezu ab Beginn des Romans enden viele der lyrischen Einschübe des Tumor-Ichs auf Du. Das lässt sich im Englischen wunderbar machen, nur im Deutschen enden die Sätze selten auf Du, das war syntaktisch und grammatisch schwierig nachzubauen. Ich musste viel umschreiben und umstellen, damit aus dem elementaren Spiel mit her/you nicht ein sie/dich oder ein ihr/dir wurde, oder – mal ein typographisches Beispiel – damit das Auge der Taube, die aus dem Schlüsselsatz »I have failed you« besteht, ein Du bleibt.


Toledo-Journal


Der Krebs spricht im Roman aus der Ich-Perspektive aus dem Inneren ihres Körpers. Er beschreibt in geradezu poetisch überhöhten Worten, wie er den Körper, den er erobert, organisch-parasitär vermisst. Es ist eine teuflische Stimme, die da ihr Wüten kunstvoll auskleidet. Wie haben Sie sich diesem zerstörerischen Protagonisten, der immer wieder geradezu sinnlich-selbstverliebt und witzig souverän wirkt, bei der Übersetzung genähert? Was waren bei der Übertragung dieses lustvollen Mordens auf Raten die größten Herausforderungen?

Einem solchen Katastrophentouristen konnte ich nur mit größer Lust am Retour-Blitzbomben begegnen. Ich »bewuunnnnnnndere den Fundus« an sprachlichen Späßen ja genauso. An einer Stelle heißt es: »Auch Wörter entstehen aus kleinen internen Überschreitungen; auch Sprache meutert gegen sich selbst.« Das war die Regieanweisung. Hier konnte ich mich unendlich austoben, schniefmiefen, schrämen, schamrotschnell schlingern, graupelschauern, flugfausten. »Deliriously inventive«, schrieb die Jury des Booker Prize über Mortimers nominiertes Debüt. Eine phantastische Spielwiese also für Kreationen aller Art: verbal, formal, syntaktisch … alles war möglich, alles schien »organisch«. Ich wollte ihm genauso sinnlich und lustvoll ins Gesicht hahahaen. Am besten im Staccato und gereimt.

Der Roman arbeitet mit typografischen Elementen, mit Schriftgrößen, Fonts und Textsatz, mit Listen und Buchstabenbildern, um das Physische in den Text zu tragen. Welchen Einfluss hatten diese Phänomene auf Ihre Übersetzung?

Ja. Neben dem teuflischen Ton und der Präzision der Bilder waren auch diese typografischen Inszenierungen von Körperlichkeit nachzuschaffen. Physiographik habe ich es genannt. Das war die schwierigste Übung. Es war mit Klang und Schalk und Wortwitz nicht getan, diese Landschaften aus Lettern mussten auch formal funktionieren. Es mussten die richtigen Wörter anschwellen, wegtropfen, durchgestrichen sein, auf einer Verszeile stehen… Und das betrifft nahezu das ganze Buch. Da habe ich oft nur eine halbe Seite geschafft am Tag. Und ständig das Fenster aufgerissen.

Übersetzerin Maria Meinel | © Andreas Bartsch
Leichtigkeit und Experimentierfreude zeigt Übersetzerin Maria Meinel nicht nur bei der Textarbeit, sondern auch beim Fotoshooting | © Andreas Bartsch

Herausfordernd war sicherlich auch die Versform gewesen, auf die der Roman als Prosagedicht immer wieder zurückgreift. Alliterationen, Verdichtungen und Rhythmus spielen eine große Rolle, aber auch die Freiheit tanzender Buchstaben. Was war das für ein Tanz für Sie, Tango oder Free Jazz?

Ein Gespräch zwischen beiden. Versetzt mit einer Prise Lindy-Hop, einer ordentlichen Portion Beatboxing und dem Moll eines Requiems. Wir haben es hier – der Gattung entsprechend – mit einer hellwachen Vielstimmigkeit zu tun; Geschwindigkeiten und Tonlagen sind so mutabel wie der Tumor mit seinen Tricks. Man muss sich das orchestral vorstellen. Mal kommt er im andante geschlichen, mal nimmt er sich al niente zurück, dann wieder panikträllert er nach dem Soundtrack von »Der weiße Hai«, um im nächsten Vers agilmente ins Dur zu kippen und auf der Nase herumzutanzen. Auch knallende Harfensaiten werden beschrieben. Aber das fand ich nicht so schwierig; ich habe als Kind schon geturnt und getanzt, da ist mir Rhythmus eingeschrieben. Er ist, wie die anderen lyrischen Elemente, allen Zeilen inhärent, das geht bis ins klangliche Nachbilden des Rauschens von Körperflüssigkeiten. Ebenso vielgestaltig sind die Versformen. Haikus, Lieder, Couplets… alles dabei. Die tanzenden Buchstaben – auf die Spitze getrieben in einem Buchstabengedicht aus einer Liedzeile von Frank Sinatra – kommen dem Free Jazz schon sehr nahe: hier hatte ich inhaltlich große Freiheit, war aber in der Grundstimmung, in der fragmentarischen Anmutung und mit nur acht verschiedenen Buchstaben doch sehr festgelegt.

Maddie Mortimers Roman in der Übersetzung von Maria Meinel | © Thomas Hummitzsch
Maddie Mortimers Roman in der Übersetzung von Maria Meinel | © Thomas Hummitzsch

Im Roman werden des Öfteren Substantive in Verben überführt. Werden hier die Erzählinstanzen vom Sein ins Tun geführt oder was steckt hinter dieser sprachlichen Verschiebung?

Ja, so kann man das sagen. Das gilt vor allem für die Tumorstimme, die immer neue Zerstreuungen ausheckt. Die sogenannte »Antimerie« (engl. anthimeria) ist eine davon. Das Wort habe ich – im Verfahrenssinne – nacherfunden. Wir kennen zwar die Substantivierung von Verben, aber das Gegenteil davon, die Verbisierung von Nomen, ist im Deutschen weit weniger geläufig. Antimerie beschreibt hier genau das: »einen Sprung, eine Verwandlung / eine Art Wechsel vom Ding zur Handlung«. Lia und ihre Tochter Iris befassen sich in einer der abendlichen »Wortshows« damit. Und später, in der bezeichnenden Passage »En pointe«, grinst der Tumor selbst über diesen irren Schubs: »Die Bewegung, die ein Substantiv verspüren muss, wenn es als Verb erwacht.« Von da an kummert und talfahrtet es am laufenden Band.

Einige typografische Besonderheiten

  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel
  • Screenshot einer Doppelseite aus Maddie Mortimers Roman »Atlas unserer spektakulären Körper« in der Übersetzung von Maria Meinel

Was hat diese »Bewegung, die ein Substantiv verspüren muss, wenn es als Verb erwacht«, denn mit Ihnen gemacht, die Sie in einer so substantivlastigen Sprache wie dem Deutschen unterwegs sind. Wie hat sich Mortimers Sprachspiel auf Ihren Blick auf das Deutsche und auf Ihr Übersetzen ausgewirkt? Suchen Sie jetzt öfter, entschlossener oder mutiger nach den Lösungen abseits des Gewöhnlichen?

An meiner Herangehensweise hat sich eigentlich nicht viel geändert. Ich komme aus einer Familie, in der man nicht selten Wörter erfand, und in der Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen wurden, deren Anfang bekannt war, die aber oft ein anderes Ende hatten. Mutter dachte sich einfach immer neue aus. In diesem Sinne war das Spielerische vertraut. Ich habe es an meine Söhne weitergegeben. Wer abends nicht einschlafen konnte, bat mich darum, sein Kuscheltuch »einzumammeln« – also für eine Liedlänge unter den Pulli zu stecken, damit es nach Mama roch. Ich halte das Deutsche für eine wunderbar biegsame Sprache.

Aktuelle Übersetzungen von Maria Meinel*

* Den Roman »Zerstreuung« von Lauri Kubuitsile hat Maria Meinel mit Ivana Maurovic, das Sachbuch »Papyrus« von Irene Vallejo mit Luis Ruby übersetzt. Alle anderen Titel sind Einzelübersetzungen.

Zurück zum Buch: Es gibt den alphabetischen Atlas-Teil, den sie als »Wortverdreh-Varieté« übersetzen. Die Einträge folgen dabei jeweils dem Alphabet, was in der Übersetzung nicht eins zu eins funktioniert. Inwieweit war es hier bei der Übertragung hilfreich oder hinderlich, dass Mortimers Erzählfiguren die Sprache und ihre Gültigkeit immer wieder infrage stellen?

Das war auf eine Art hilfreich, eine Lizenz zum Erfinden. Aber es erforderte auch viel Phantasie. Das wird in diesen Lexikon-Einträgen deutlich, die sich Lia – sie schreibt und illustriert Kinderbücher – für ihr aktuelles Projekt »A Children’s Guide to Lexical Spectacles« ausdenkt. Auch im deutschen »Wortverdreh-Varieté« gibt es diese Einträge, je ein Grundwort zu je einem Buchstaben, nur dass ich andere Wörter finden und die jeweiligen Texte dazu umschreiben musste. Da wurde etwa aus H wie hatch und einer Geschichte zu hatching eggs, hatch door, hatching a plan, hatched technique und patches of shadow ein H wie Heck und eine Geschichte über ein Heck, eine Hecke, gescheckte Kühe, eine Heckklappe, einen ausgeheckten Plan und kecke Schattenflecken. Auch die »Grenzüberschreitungen« waren zu erhalten.

Apropos Grenzüberschreitung: Ich kann mir vorstellen, dass so ein Roman an der Übersetzerin nicht spurlos vorbeigeht. Dass diese existenzielle Auseinandersetzung übergreift. Wie ging es Ihnen in dieser Zeit?

Ja, das ging nicht spurlos vorbei. Man verbringt ja viele, viele Stunden am Tag mit dieser sukzessiven Entartung. Man geht damit schlafen, man wacht damit auf, und irgendwann im Laufe der Wochen und Monate bereist man die eigenen Eingeweide »geistergebeizt«, man mutiert gedanklich mit… das zehrt. Das Ende, als die Tumorstimme ins Du springt und mit Lia zu Ich wird, war für mich… erdrückend. Jetzt hatte ich keinen »Gegenspieler« mehr, gegen den ich ansingen konnte, keine Abgrenzung mehr zu mir selbst. Ich schrieb im Ich-Ich. »Millionen komplexer kleiner Befehle / schossen, schwärmten und schimmerten, splissen in Gruppen / wie Vogelscharen / oder Fischschwärme.« Kurz vor der Abgabe bin ich mit Knoten in der rechten Brust in der radiologischen Abteilung gelandet. Fibrozystische Mastopathie. – Ha! Guuuuutartig.

Longlist des Booker Prize 2022 | © The Booker Prizes
Longlist des Booker Prize 2022 | © The Booker Prizes

Maddie Mortimers Roman war für zahlreiche Preise nominiert, stand u.a. auf der Longlist für den renommierten Booker Prize. Wie erklären Sie sich, dass das Buch, das von übersetzenden Kolleg:innen wie Ulrich Blumenbach oder Frank Heibert begeistert weiterempfohlen wird, hierzulande in der Medienberichterstattung unter den Erwartungen blieb?

Stimmt, Mortimers Debüt war vielfach nominiert worden und hat auch einige Preise bekommen. Dass es hierzulande unter den Erwartungen blieb, hat sicherlich mehrere Gründe. Einer ist wohl das Thema: Krebs wird nicht nur gesellschaftlich tabuisiert, er hat auch nicht die politische oder historische Relevanz, nach der so oft geurteilt wird, auch im Literaturbetrieb. Zum anderen ist das Buch bei Atlantik erschienen, einem Imprint also, das für Cosy Crime und Romance steht, das ist möglicherweise nicht der sichtbarste Hort für ein solches »enfant terrible«. Dass sich mit Ulrich Blumenbach und Frank Heibert zwei preisgekrönte Wortakrobaten für solche im besten Sinne »völlig durchgeknallten Bücher« (Zitat Ulrich Blumenbach) begeistern und die Übersetzungsleistung würdigen, das freut mich natürlich sehr. Sie sehen, was drinsteckt.

Die verschiedenen Ausgaben von Maddie Mortimers Roman

Ihre Übersetzung ist vor zwei Jahren erschienen. Sie konnten inzwischen etwas Abstand zum Text und Ihrer Übersetzung gewinnen. Gibt es Dinge, die Sie im Nachhinein anders lösen würden?

Unbedingt! Ich würde mich vehement dafür einsetzen, dass das Originalcover übernommen wird, nicht das der amerikanischen Ausgabe. Letzteres ist farblich freundlich, wirkt aber platt und zweidimensional, und die Protagonistin in ihrer abgewandten, krummen Hocke füllt die ganze Front. Das britische Cover illustriert die »spektakulären Körper« deutlich ansprechender: die Haltung der Figur ist bei aller sichtbaren Versehrtheit offener, natürlicher, und die viszerale Poesie des Buches hat eine besonders gelungene Umsetzung gefunden. Es leuchtet sogar im Dunkeln. Chapeau!

Die Erstausgabe von Maddie Mortimers Roman im englischen Original macht die Gewebeschichten der Erzählung haptisch greifbar | © Maria Meinel
Die Erstausgabe von Maddie Mortimers Roman im englischen Original macht die Gewebeschichten der Erzählung haptisch greifbar | © Maria Meinel