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Argumente gegen die Religion des permanenten Wachstums

Die Geschichte des Kapitalismus sei eine Erfolgsstory, die wesentlich durch die Kritik an ihm möglich wurde, meint der Historiker Jürgen Kocka. Der Philosoph und Ökonom Stefan Mekiffer hält dagegen, dass der im Kapitalismus angelegte Wachstumszwang pathologisch sei und radikale Lösungen sinnvoll mache. Eine Diskussion der Frage, ob es eine grundlegende Revision des Systems oder eher Reformen im System braucht.

In einem wundervollen, schmalen, aber inhaltsreichen Buch skizziert Jürgen Kocka die »Geschichte des Kapitalismus«. Darin geht der bekannte Sozialhistoriker und ehemalige Direktor des Wissenschaftszentrums Berlin der Frage nach, wie das kapitalistische System in die Welt kam. Und die Welt, das ist nicht nur Europa. Drei Elemente machen, so Kocka, den Kapitalismus aus: Erstens individuelle Eigentumsrechte und dezentrale Entscheidungen, zweitens die Koordinierung der wirtschaftlichen Akteure über Märkte und Preise, durch Wettbewerb und Zusammenarbeit, über Nachfrage und Angebot, durch Verkauf von Waren, und schließlich drittens Kapital, das investiert wird, mit dem Bestreben nach Profit.

Der Autor verweist auf die Leistungen dieses Wirtschaftssystems, der Kapitalismus hat die Welt reicher gemacht und viele, viele Menschen aus der Armut geführt. »Wer sich aber ernsthaft mit der Geschichte des Kapitalismus befasst und überdiese etwas Bescheid weiß über das Leben in den weiter zurückliegenden, nicht oder kaum kapitalistischen Jahrhunderten, kann gar nicht anders als von den immensen Fortschritten beeindruckt zu sein, die in großen Teilen der Welt (jedoch nicht in allen!) vor allem für die vielen Menschen, die nicht einer gut gestellten Oberschicht angehören, in Bezug auf materielle Lebensverhältnisse und Überwindung der Not, gewonnene Lebenszeit und Gesundheit, Wahlmöglichkeiten und Freiheit stattgefunden haben – Fortschritte, von denen sich rückblickend sagen lässt, dass sie ohne das dem Kapitalismus eigentümlich dauernde Wühlen, Drängen und Umgestalten vermutlich ausgeblieben wären.«

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Jürgen Kocka: Geschichte des Kapitalismus. Verlag C.H.Beck 2013. 144 Seiten. 8,95 Euro. Hier bestellen

Die dunklen Flecken dieses Systems leuchtet der Historiker in gleicher Weise aus: Die Verbindung von Kapitalismus und Gewalt, die sich durch die Jahrhunderte zieht. Daraus hat sich immer wieder Kritik am Kapitalismus entwickelt. Und so schließt Kocka seinen Überblick über den Kapitalismus mit der Bemerkung: »Kapitalismuskritik ist so alt wie der Kapitalismus selbst. Sie hat seinen Siegeszug über die Welt nicht verhindert. Aber sie hat ihn beeinflusst. […] Die Reform des Kapitalismus ist eine Daueraufgabe. Dabei spielt Kapitalismuskritik eine zentrale Rolle.«

Kritik am Kapitalismus ist im Moment en vogue. Zurecht. Der Kapitalismus in seiner bis vor kurzem gängigen Form und vulgo gerne als Neoliberalismus genannt, wird Moment von viele skeptisch gesehen bis zutiefst verdammt. Die internationale Finanzkrise von 2008 hat, so Kocka, »die intellektuelle und politische Legitimation des Neoliberalismus zutiefst erschüttert«, auch weil sie aus einer Finanzmarktkrise des Kapitalismus eine Verschuldungskrise von Staaten gemacht, mit immer noch nicht ganz absehbaren Folgen. Noch ist diese bedrohliche Situation in Gänze nicht ausgestanden. Das Perfide an der Krise von 2008 ist, dass die Institutionen, die versuchten ihrer Herr zu werden, zutiefst in Mitleidenschaft und vor allem in Misskredit gezogen wurden – Nationalstaaten, supranationale Organisationen wie die EU oder internationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds. Aus einer Wut, die gierigen und verantwortungslosen Bankern hätte gelten sollen, wurden und werden Politikerinnen und Politiker auf etlichen politischen Ebenen abgestraft, die mit großem Einsatz, nicht immer clever, oft mit etlichen Fehlern, aber immer mit dem Blick fürs Ganze und das Gemeinwohl agiert haben. Und wenn man so wohlwollend nicht über die politische Kaste urteilen möchte, wie ich es tue, dann sollte man ihnen zumindest einen realistischeren Blick auf die Realitäten zugestehen als ein Josef Ackermann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, der auf dem Höhepunkt der auch von seiner Bank verursachten Krise sagte, er würde sich schämen, wenn sein Geldhaus in der Krise Staatsgeld annehmen müsste.

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Krisen erzeugen Kritik. Kritik verläuft sich aber gerne im Besserwisserischen und Ungefähren oder in a- und unpolitischen Ankündigungen, was sich wohl in Zukunft alles besser gestalten wird. Umso schöner, dass nun konkrete Gegenvorstellungen entwickelt werden, was denn an Stelle des Üblichen treten sollte. Eine dieser Gegenvorstellungen stammt von Stefan Mekiffer und beinhaltet bereits im Titel die These: Warum eigentlich genug Geld für alle da ist. Mekiffer ist Ökonom und Philosoph, eine Verbindung, die, ökonomisch gesprochen, Mehrwert schafft. Einer, der in der Lage ist, die unterkomplexen Modelle und Methoden der Wirtschaftswissenschaften zu hinterfragen, sie nicht als gegeben anzunehmen, und der sich andererseits nicht in normativen und ethischen Fragen verliert, die keinen Bezug zur realen Wirtschaft aufweisen. Er belegt die These, dass Wirtschaftswissenschaften zu wichtig sind, um sie lediglich Ökonomen zu überlassen. Vielmehr sollten sich mit dieser Materie wirklich kluge, reflektionsstarke und gut ausgebildete Wissenschaftler wie Historiker, Anthropologen, Soziologen und Philosophen beschäftigen.

Stefan Mekiffer ist ein sehr junger Mensch, aber einer, der nicht im jugendlichen Überschwang besserwisserisch in seiner Haltung verharrt, sondern der aktiv verändert. Sich verändert, andere verändert, andere Dinge tut, andere Wege geht, neue Wege geht. Einer wie Stefan Mekiffer, Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes, hätte es leicht, sich innerhalb des Systems weiterzuentwickeln. Hier zu promovieren, dort zu forschen, mit einem Stipendium einer x-beliebigen Stiftung durch die Welt zu reisen. Und dabei im Ungefähren, im Unverbindlichen, im Unangreifbaren zu verbleiben.

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David Graeber: Schulden. Die ersten 5000 Jahre. Aus dem Amerikanischen von Ursel Schäfer, Hans Freundl und Stephan Gebauer. Verlag Klett-Cotta 2012. 536 Seiten. 26,95 Euro. Hier bestellen

Dies tut er nicht, sondern er lebt das, was er schreibt. Ein Leben in der selbst gewählten Selbstbeschränkung, in der eigenen Zurücknahme, die so unendlich viel Freiheit schafft. Mit seinem Bruder hat er einen Hof in Nordhessen gekauft und dort eine Kommune gegründet. Er betreibt dort, wie er in seinem Buch beschreibt, einen Waldgarten. Ein nachhaltiges Ökosystem zur Selbstversorgung. Sein Verzicht auf Normales schafft Autonomie, gerade intellektuelle. Gerade deswegen sollte man sein Buch gelesen haben.

Warum eigentlich genug Geld für alle da ist ist eine Geschichte der Wirtschaft, eine Einführung in die Wirtschaftswissenschaften, ein Buch, das der Autor gerne zu Beginn seines Studiums gelesen hätte, und dem eine weite Verbreitung zu wünschen ist. Dieses Buch bringt allerhand Erhellendes hervor. Schon allein, wie es sich dem Begriff und der Entstehung von Geld nähert.

Drei Aspekte erscheinen mir dabei wesentlich. Erstens: Geld ist nicht nur aus dem Tauschhandel entstanden. Jüngst habe auch David Graeber in seinem Buch Schulden – Die ersten 5000 Jahre darauf hingewiesen. Bevor es Geld gab, wurden Waren, Erzeugnisse, Lebensmittel nicht nur getauscht, sondern auch verschenkt. Wer auf dem Land in kleinen Dörfern lebt, erfährt heute noch, wie gerade in Erntezeiten Nachbarn, Freunde und Bekannte einen mit frisch geerntetem Gemüse oder Obst bedenken. Mekiffer verweist auf eine Geschichte eines Stammes im Amazonas-Gebiet, wo einer der Stammesangehörigen befragt wird, warum er das Fleisch verschenkt und nicht aufspart, und darauf antwortet, er bewahre das Fleisch im Bauch seines Bruders auf.

Der polnische Sozialanthropologe und Begründer des Funktionalismus Bronislaw Malinowski hat in seiner Studie Argonauten des Westlichen Pazifiks, erschienen 1922, ebenfalls auf die nichtökonomische Bedeutung von Tausch und Handel verwiesen. Er beschrieb den Kula-Tausch, ein rituelles System eines Gabentausches der Bewohner der pazifischen Trobriand-Inseln, das eine verzögerte Gegenseitigkeit implizierte. Es war ein komplexer, nicht gewinnorientierter Austauschhandel, dessen Sinn darin bestand, die sozialen Bande zwischen den herrschaftsfrei miteinander verbundenen Trobriandern zu verstärken und realen Gütertausch rituell zu begleiten. Letztlich ein Wirtschaften ohne Gewinnorientierung.

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Tausch und Handel, im weitesten Sinne jede ökonomische Aktion hat in ihrem Kern eine soziale Dimension. Darauf hat auch Pierre Bourdieu 1987 in seiner »Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft« Die feinen Unterschiede hingewiesen. Wir konsumieren ja nicht das, was uns gefällt, sondern wir essen und trinken, hören jene Musik und mögen diese Kunst, kleiden und richten unsere Wohnung so ein, um unseren sozialen Status zu manifestieren. Unser Geschmack, ausgedrückt in etlichen Konsumentscheidungen, stabilisiert und manifestiert die sozialen Unterschiede in unserer Gesellschaft. Wer über Geld redet, redet also auch immer über die soziale Dimension einer Gesellschaft.

Noch einmal zwei Schritte zurück und zur Kernthese von Mekiffer: »Zu Beginn des Geldes standen sich also zwei Modi des Austausches gegenüber: der Tauschhandel zwischen Fremden mit Nützlichem als Währung und der Geschenkeaustausch, der auf Vertrauen beruht und auf Gemeinschaften beschränkt war. Das Geld sollte diese Kluft überwinden, indem es dem Vertrauen in eine Gegenleistung einen berührbaren und handelbaren Körper gab.« Notwendig wurde dies mit der Entstehung größerer sozialer Einheiten wie etwa Städten.

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Stefan Mekiffer: Warum eigentlich genug Geld für alle da ist. Hanser Literaturverlag 2016. 304 Seiten. 18,90 Euro. Hier bestellen

Neben der sozialen Dimension hat Austausch und Handel zweitens immer auch eine moralische und damit auch normative Dimension. Allein der Begriff Geld eröffnet diese Perspektive. Geld hat weniger mit Gold als vielmehr mit dem englischen Wort guilt, der Schuld, zu tun. Geld, Schuld, Schulden, diese Begriffe hängen eng miteinander zusammen. Zu diesem Wortfeld gehört auch der Begriff Kontrolle, der sich aus dem Französischen contre rôle herleitet und seit dem 19. Jahrhundert im Gebrauch ist. Es bezeichnet das Gegenregister, die die Buchhaltung beglaubigt. »Jemand zu kontrollieren bedeutet, durch eine Zahl beweisen zu können, wie viel er schuldet – und die Tilgung durchzusetzen.«

Drittens hat Geld eine magische Dimension. Wer sich jüngst über die Vodoo-Ökonomie von Bankern gewundert hat, die aus Geld durch nichts mehr Geld machen woll(t)en, sei getröstet. Geld war seit jeher ein Glaubenssystem. Es funktioniert als Magie und Zauber. Jeden Tag. Jeden Tag glauben wir daran, dass wir mit einem bunten Stück Papier, das in der Herstellung vielleicht einen Cent kostet, vielleicht auch weniger, Dinge erhalten, die fünf, zehn, zwanzig oder mehr Euro kosten. Die erste Münze, auf die ein Wert geprägt wurde, war das Geld nicht wert, das sie nun kostete. Mit diesem Trick haben sie uns heute immer noch. Jeden Kontoauszug, jeden Rentenbescheid, vor allem dieser, betrachten wir, als bilde er Realität ab. Er bildet die Realität ab, die wir uns von ihnen wünschen. Sie sind das Papier nicht wert, auf denen sie gedruckt sind. Nur so konnten sich auch diese mathematischen Spielereien durchsetzen, die wir als Finanzkapitalismus kennen.

Die Subprime-Krise, ein wesentlicher Bestandteil der Finanzmarktkrise des Jahres 2008, ist schönes Beispiel für diese Form der Vodoo-Ökonomie. To make a long story short: Als Subprime wurden jene Kredite zum Erwerb von Wohneigentum bezeichnet, bei denen Banken von einer großen Gewissheit ausgingen, dass sie wohl nicht zurückgezahlt werden. Weil sie an Personen vergeben wurden, auch aufgrund politischer Vorgaben, die sich diesen Kredit eigentlich nicht hätten leisten können. Normalerweise unterliegen Banken Regeln, die ihr Eigenkapital betreffen. Hätten die Banken die Subprime-Kredite behalten, hätten sie einen gewissen Anteil ihres Eigenkapitals hierfür hinterlegen müssen. Dann hätten Banken weniger dieser Kredite vergeben können, was schlecht für ihren Umsatz ist, und sie hätten gleichzeitig Anstrengungen unternehmen müssen, die Bonität der Kreditnehmer strenger zu prüfen. Dies war politisch nicht gewollt, die Politik wollte, dass sich Menschen Wohneigentum als Wertanlage und Sicherheit im Alter anlegten. So strukturierten, so nennt sich das, die Banken diejenigen Kredite zu Paketen oder Portfolios um, die zu hundert Prozent aus Subprime-Krediten bestanden. Diese wurden mithilfe von Ratingagenturen durch Strukturierung in scheinbar erstklassige Wertanlagen transformiert. Durch die Strukturierung konnten die tatsächlich drittklassigen US-Hypothekenkredite an Banken und Versicherungen sowie deren Kunden sowohl in den USA als auch ins Ausland verkauft werden. Drittklassige Hypothekenkredite als erstklassige Wertanlagen. Auf die Idee muss man erst einmal kommen. Und diese Idee auch noch umsetzen können.

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Stefan Mekiffer verweist darauf, dass die Wertschöpfung von Geld, also die Vermehrung von Geld, dem Monopol der Banken unterliegt, die Kredite vergeben können und dürfen. Monopole haben aber die Tendenz, dass am Ende die meisten ein wenig ärmer, die Monopolisten aber ein wesentliches Stück reicher sind. Ungleichverteilung ist quasi im System angelegt. Wie dagegen angehen? Stefan Mekiffer schlägt »Schwundgeld« vor, also zinsloses Geld, Geld mit Verfalldatum, Geld, das an Wert verliert. Wäre Warum eigentlich genug Geld für alle da ist vor fünf oder drei Jahren erschienen, hätten die meisten Leser das Buch wohl spätestens an dieser Stelle lachend bei Seite gelegt. Jeden Unsinn müsse man schließlich nicht lesen. Heute ist diese spinnerte Idee längst Realität. Bereits im Juni 2014 hat die Europäische Zentralbank beim Einlagesatz einen Negativzins eingeführt, um Bankguthaben bei ihr unattraktiv zu machen und gleichzeitig Kreditinstitute dazu zu bewegen, eine erhöhte Kreditvergabe vorzunehmen. Im August dieses Jahres hat die Raiffeisenbank am Tegernsee einen Strafzins eingeführt. Nun gut, die Menschen in dieser Region sind ein sehr solventes und reiches Völkchen und wohl kaum mit der Klientel in Ostbrandenburg, in Duisburg-Marxlohe oder München-Hasenbergl zu vergleichen. Aber keiner mehr wird über die Ideen von Stefan Mekiffer als utopisch, nicht realisierbar und weltfremd herziehen können.

Noch einmal zurück zu Jürgen Kocka. Er konzediert dem Kapitalismus besondere Gaben. Er kann in den verschiedensten politischen, sozialen und kulturellen Kontexten existieren, selbst in Ländern, die kommunistisch regiert werden. Er kann unterschiedliche Ausformungen und Gestalten annehmen, er ist lernfähig und er ist erfolgreich. Der Kapitalismus erwies sich in den vielen Jahrhunderten seiner Existenz oft auch als zivilisierende Kraft. Er hat dazu geführt, dass in großen Teilen der Welt sich die materiellen Verhältnisse der Menschen verbessert haben, auch, dass sich Menschen politisch für mehr Freiheit engagiert haben.

Die Gegenentwürfe zum Kapitalismus haben sich spätestens 1989 als unterlegen erwiesen, weder konnten sie das Niveau an Wohlstand und Reichtum produzieren, noch jenes Maß an Freiheit gewähren, wie die Ländern, die von Demokratie und Marktwirtschaft geprägt waren. Der Untergang des Kommunismus war eine Niederlage der Alternativen des Kapitalismus. Unter diesem Stern stehen auch die Möglichkeiten des Wirtschaftens, die Stefan Mekiffer skizziert. Es sind aber Alternativen denkbar und auch politisch möglich, die anders sind als der gefräßige Heuschreckenkapitalismus der letzten Jahrzehnte. Die können in Nordhessen beginnen, aber sie dürfen dort nicht stehen bleiben.

Auf eines verweist Stefan Mekiffer vor allem im zweiten Teil seines Buch zurecht: Das bestehende Geldsystem erzeugt nicht nur permanente Ungleichverteilung, sondern zugleich einen systemischen Wachstumszwang. Dieser Wachstumszwang unterwirft zunehmend alle Bereiche des Lebens unter einer Logik von Kommerz, Profit und Extraktion. Mekiffer möchte aber nicht eine einem Blame-Game enden, in dem den bösen Kapitalisten alle Schuld geben wird und als angeblich naheliegende politische Lösung die Enteignung evoziert wird. Letztlich trägt auch das Konsumverhalten der Allgemeinheit Verantwortung für diese Situation. Wir alle sind Opfer und Akteure dieses Systems. Gilt es nun die Natur des Menschen selbst zu verändern? Nein, das gerade nicht, so Mekiffer. Er möchte Alternativen aufzeigen, die sich einer, wie er es nennt, pathologische Wachstumsideologie entgegenstellt. Alternativen als Reparatur im System, das gegenwärtig nicht mal mehr seinen Eliten so dient, wie die sich das vorstellen. Auch sie müssten letztlich ein Interesse an Veränderungen haben. Naiv ist Mekiffer nicht, er versteht diese Reparatur als eine gesellschaftliche Mammutaufgabe. Sie erscheint ihm aber in jedem Fall deutlich einfacher als die Enteignung ganzer Klassen oder die Neuerschaffung des Menschen. Auch deswegen legt er so viel Wert auf die Geschichte der von Geld und Zins induzierten Kommerzialisierung. Und gerade deswegen lohnt sich die Lektüre dieses Buches.

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