Film

Israelischer Film »Synonymes« gewinnt Goldenen Bären

Mit Nadav Lapid hat erstmals ein Israeli den Preis für den besten Film gewonnen. Die beiden Darsteller-Bären gehen an die beiden Hauptdarsteller im chinesischen Drama »So Long, My Son«. Auch zwei deutsche Regisseurinnen wurden mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet. Insgesamt konkurrierten 16 Filme um die acht Berlinale-Bären.

Yoav hat seinen Militärdienst gerade hinter sich, als er nach Frankreich flieht. In Paris will er neue Wurzeln schlagen und alles, was ihn mit Israel verbindet, kappen. Er weigert sich hebräisch zu sprechen, sabotiert die Abläufe in der israelischen Botschaft und flucht bedeutungsschwer über seine Heimat. Und während ihm zwei junge Franzosen die Ankunft in Paris erleichtern, verliert sich der junge Israeli in der Suche nach einer neuen Identität. Nadav Lapids filmische Metapher auf die Frage, wer wir sind und welche Bedeutung die Herkunft und Staatsangehörigkeit für das eigene Ich haben, wurde bei der 69. Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. »Synonymes« galt unter Kritikern in einem insgesamt schwachen Wettbewerb als einer der Favoriten. Die Internationale Vereinigung der Filmkritiker und Filmjournalisten FIPRESCI hatte den Film am Vorabend der Verleihung der Berlinale-Bären als besten Film ausgezeichnet.

Wang Xiaoshuai: So long, my son | © Li Tienan / Dongchun Films
Wang Xiaoshuai: So long, my son | © Li Tienan / Dongchun Films

Ebenfalls hoch gehandelt wurde das chinesische Drama »So Long, My Son« von Wang Xiaoshuai. Der dreistündige Film, der das von Ein- und Rückschlägen geprägte Leben eines Ehepaars von der chinesischen Kulturrevolution bis in die kapitalistische Gegenwart begleitet, lief ganz am Ende des Wettbewerbs und begeisterte Publikum und Kritik gleichermaßen. Die beiden Hauptdarsteller Yong Mei und Wang Jingchun erhielten für ihre hervorragende Darstellung die Silbernen Bären als beste Darstellerin und bester Darsteller. Dies gelang zuletzt Charlotte Rampling (die in diesem Jahr mit dem Goldenen Ehrenbär ausgezeichnet wurde) und Tom Courtenay vor fünf Jahren mit dem Drama »45 Years«.

Angela Schalenec: Ich war zuhause, aber | © Nachmittagfilm
Angela Schalenec: Ich war zuhause, aber | © Nachmittagfilm

Umstritten war Angela Schalenecs Drama »Ich war zuhause, aber…« aufgrund der starken Theatralik der Inszenierung. Begeisterung und Kritik hielten sich die Waage. Die Internationale Jury unter der Leitung von Juliette Binoche zeigte sich von dem Film, in dem die deutsche Regisseurin ihre eigene Geschichte von Verlust, Sinnsuche und Kunstreflektion verarbeitet hat, begeistert und zeichnete ihn für die beste Regie aus.

Nora Fingscheidt: Systemsprenger © Peter Hartwig / kineo / Weydemann Bros. / Yunus Roy Imer
Nora Fingscheidt: Systemsprenger © Peter Hartwig / kineo / Weydemann Bros. / Yunus Roy Imer

Nora Fingscheidt konnte mit ihrem atemberaubenden Debütfilm »Systemsprenger« über ein junges Mädchen, das durch alle Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe fällt und die Grenzen des Systems sichtbar macht, direkt einen Bären gewinnen. Der Film wurde mit dem Alfred-Bauer-Preis für neue Perspektiven ausgezeichnet. Im Gegensatz zu Schalenecs Drama hat Fingscheidts Film das Zeug, nach dem regulären Kinostart in Deutschland ein Publikumserfolg zu werden.

Claudio Giovannesi: La Paranza Dei Bambini | © Palomar 2018
Claudio Giovannesi: La Paranza Dei Bambini | © Palomar 2018

»Gomorrha«-Autor Roberto Saviano wurde gemeinsam mit seinen Co-Autoren Maurizio Braucci und Claudio Giovannesi für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Sein Roman »Der Clan der Kinder« bildete die Grundlage für den gleichnamigen italienischen Wettbewerbsbeitrag, der davon erzählt, wie eine Teenager-Clique in Neapel die Kontrolle über ein Viertel übernimmt und dabei auch nicht vor Mord und Totschlag zurückschreckt. Der Film erzählt in rasanten Schnitten, wie aus Kindern Täter werden, und gehörte zu den rasantesten Beiträgen im Wettbewerb.

Hans Petter Moland: Out Stealing Horses| © 4 1/2 Film
Hans Petter Moland: Out Stealing Horses| © 4 1/2 Film

Für eine herausragende künstlerische Leistung wurde Rasmus Videbæk für die Kamera in Hans Petter Molands Vater-Sohn-Drama »Out Stealing Horses« ausgezeichnet. Videbæk setzte sich damit unter anderem gegen Jennifer Cox durch, die Isabell Coixets Drama »Elisa y Marcela« in eindrucksvolle Bilder gepackt hat.

François Ozon: Grâce à Dieu | © Jean-Claude Moireau
François Ozon: Grâce à Dieu | © Jean-Claude Moireau

Überraschend bis ärgerlich ist die Auszeichnung von François Ozon mit dem Großen Preis der Jury. Ozon hat in seinem Film »Grace à Dieu« die Vertuschung der Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche verarbeitet. Sich an dem realen Fall des Paters Bernard Preyat entlanghangelnd zeichnet Ozon darin die Perspektiven von verschiedenen Opfern und ihren erst einsamen und später gemeinschaftlichen Kampf gegen die Kirche nach. Politisch durchaus wichtig bleibt der Film wie die Kirche selbst im Ungefähren und Nebulösen.

Teona Strugar Mitevska: God exists, her name is Petrunya | © sistersandbrothermitevski
Teona Strugar Mitevska: God exists, her name is Petrunya | © sistersandbrothermitevski

Hier wäre eine Auszeichnung des begeisternden mazedonischen Beitrags »God Exists, Her Name Is Petrunya« eindeutig die bessere Wahl gewesen. Die begeisternde Satire von Teona Strugar Mitevska, in der die patriarchalen religiösen Strukturen der orthodoxen Kirche von einer selbstbestimmten jungen Frau herausgefordert werden, hat zumindest den Gilde Filmpreis der Kinobetreiberinnen und den Ökumenischen Filmpreis gewonnen.

Mehmet Akif Büyükatalay: Oray | © Christian Kochmann / filmfaust
Mehmet Akif Büyükatalay: Oray | © Christian Kochmann / filmfaust

Den GWFF (Gesellschaft zur Wahrnehmung von Film- und Fernsehrechten) Preis für den Besten Erstlingsfilm erhielt der deutsch-türkische Filmemacher Mehmet Akif Büyükatalay für seinen Film »Oray«, in dem er davon erzählt, wie ein junger Muslim im Streit mit seiner Frau die islamische Scheidungsformel ausspricht und seine Liebe plötzlich den religiösen Auslegungen ausgeliefert sieht.

Suhaib Gasmelbari: Talking About Trees | © Agat Films & Cie
Suhaib Gasmelbari: Talking About Trees | © Agat Films & Cie

Den Glashütte Original-Dokumentarfilmpreis erhielt der sudanesische Beitrag „Talking About Trees« von Suhaib Gasmelbari, der davon erzählt, wie vier alte sudanesische Cineasten ein altes Kino wiedereröffnen wollen. Dabei stoßen sie auf viele Widerstände, die immer wieder in ihre Biografien zurückverweisen. Im Film wird so immer wieder von ihrem Leben als Dissidenten erzählt, aber auch ihrem unbändigen Willen, sich nicht kleinkriegen zu lassen.

Zur Übersicht der weiteren Preise

Die geratete IMDB-Liste mit allen Filmen, die wir während der Berlinale gesehen haben, ist hier zu finden.

4 Kommentare

  1. […] gute Konkurrenten im Rennen waren, sondern auch, weil das Drama bei den Darstellerpreisen der Berlinale 2019 gar keine Rolle spielte. Die räumten die beiden Darsteller:innen aus Wang Xiaoshuais »So Long, My […]

  2. […] auch, als er in einem israelischen Wüstendorf seinen letzten Film zeigen soll. Nadav Lapid, der 2019 mit »Synonymes« den Goldenen Bären gewonnen hat, hat einen wütenden Kommentar auf die kafkaesken Abgründe der politischen Wirklichkeit im Nahen […]

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