Anna Katharina Hahn entführt die Lesenden ihres Romans »Am Schwarzen Berg« in die schwäbische Idylle, aus der ihre Helden energisch zu entkommen versuchen und willentlich in das Chaos des Lebens laufen.
Bei dem Romantiker Eduard Mörike leiht sich Anna Katharina Hahn die Zeilen, die Ihrem Roman Am Schwarzen Berg den Titel geben. Dies ist sehr bewusst geschehen, denn sie erzählt darin in spektakulär unaufgeregter Manier und ohne kitschige Elemente eine Geschichte, die in ihren Tiefen romantischer kaum sein könnte. Es ist die Geschichte einer Nachbarschaft, dem gemeinsamen Leben von Carla und Hajo, Veronika und Emil und irgendwie auch von Mia und Peter.
Peter ist der Sohn von Carla und Hajo, die vor Jahrzehnten, als Peter noch ein Kind war, nach Stuttgart gezogen sind. Ihr Grundstück grenzte an das von Veronika und Emil, die sich dem »kleinen Peterle« annahmen, wohl auch, weil sie selbst keine Kinder bekommen konnten. Im Laufe der Jahre werden sie zu Peters zweitem Zuhause, auch weil seine leiblichen Eltern kaum Zeit und überhöhte Erwartungen an ihn haben.
Früh steckt Emil, der als Lehrer mehr Verständnis für Peters Schwierigkeiten zu haben scheint, als dessen Eltern, mit seiner Leidenschaft für die romantische Literatur an. Gemeinsam lesen sie Novalis, Hölderlin, Arnim und natürlich Mörike und spüren ihren Abenteuern nach. Ob Veronikas Tätigkeit als Bibliothekarin dazu beiträgt, dass Peter schließlich als Logopäde tätig und die Sprache sowie ihre phonologischen Feinheiten zu seiner Berufung machen wird, bleibt unklar, ist aber zu vermuten. In jedem Fall scheint im schwäbischen Idyll, in dem auf den Balkonen der Lavendel blüht, alles seinen geordneten Gang zu gehen. Peter lernt Mia kennen, sie lernen sich lieben und bekommen zwei Kinder. Doch eines Tages verschwindet Mia mit den Kindern und Peter bricht zusammen.
Hahn erzählt in ihrem wunderbaren Roman davon, wie die Provinzialität nicht nur den Raum, sondern auch die Menschen erfasst und wie sie versuchen, dieser verzweifelt in den profanen Prüfungen des Lebens zu entkommen. Doch wenn amerikanische Präsidenten »Kater« heißen, sich der politische Kampf im Erhalt von Streuobstwiesen erfüllt, die Affäre mit der Nachbarin zum lebensfüllenden Thema wird und man das Drama der eigenen Kinder verleugnen muss, weil man als Mutter das Kind und dessen Schicksal »allein zu verantworten« hat, dann weiß man, dass man sich zu sehr auf diese Provinzialität eingelassen und ihr nicht mehr entkommen kann.