Im Wettbewerb der 70. Berlinale ging es auch um Krankheit, Einsamkeit und außerordentliche Geisteszustände. Die künstlerischen Erkundungen des Daseins der Versehrten fielen dabei sehr unterschiedlich aus.
Als Christoph Schlingensief vor knapp zehn Jahren seinem Krebsleiden erlag, war das ein herber Verlust für die deutsche Kulturlandschaft. Müsste man einen Vergleich zur Gegenwart ziehen, würden sich vielleicht Shermin Langhoff vom Gorki Theater Berlin oder Thomas Ostermeier von der Berliner Schaubühne eignen, deren Agieren im Zwischenraum von Politik und Kunst inzwischen eine ähnliche Wirkung entfaltet.
»Schwesterlein« von Stéphanie Chuat und Véronique Reymond
Ostermeier spielt auch in »Schwesterlein« der beiden Schweizer Regisseurinnen Stéphanie Chuat und Véronique Reymond eine wesentliche Rolle, denn er ist es, der Sven nicht zurück auf die Bühne lassen will. Denn Sven hat Krebs und er will nicht, dass sein Star vor Publikum krepiert. Svens Schwester Lisa sieht das anders. Ein Bühnenstück könnte die Wende bringen, denn nichts brächte ihn schneller um, als nicht mehr zu spielen, ist sie überzeugt.
Sven wird gespielt von Lars Eidinger und seien wir ehrlich: würde Eidinger wie Schlingensief an Krebs erkranken, es wäre ein Drama. Einen Eindruck davon, wie das wäre, bekommt man in »Schwesterlein«, wo Eidinger als schwer vom Krebs gezeichneter sich selbst im Foyer in der Schaubühne als Hamlet ins Antlitz sieht, bevor er noch einmal zu seinen berühmten Monolog anhebt. Aber da ist eben Ostermeier, der hier David heißt, und Svens Rückkehr auf die Bühne verhindert. Damit aber auch genug der Metaebene, denn die eigentliche Heldin hier im Film ist Lisa, gespielt von Nina Hoss. Aufopferungsvoll übernimmt sie die Pflege ihres Bruders. Wie eine griechische Göttin zieht sie in den Kampf gegen die Krankheit, ohne Rücksicht auf Mann, Kinder und Karriere, um nur das Leben ihres älteren Zwillingsbruders zu retten.
Es ist ein lauter Kampf, den sie gegen Svens Krankheit führt, und auch Sven selbst gibt sich nicht einfach so geschlagen. Blut, Schweiß, Rotz und Tränen fließen in dieser Schlacht gegen eine Krankheit, die sich selbst zur Wehr setzt und zurückschlägt. Überaus authentisch wirkt neben Nina Hoss auch Marthe Keller, die die um sich selbst drehende Mutter spielt, die dem Verrecken des eigenen Kindes nicht zusehen will. Sie schiebt alles von sich, lässt Emotionen gar nicht erst zu, weil sie die überwältigen würden. So muss Lisa alles auf ihre Schultern nehmen, den Kampf und die Emotionen, die in diesem Film eher laut als leise ausagiert werden.
[…] verantwortet hat und eine der wichtigsten deutschen Filmeditorin ist, geht in ihrem 2020 auf der Berlinale gefeierten Regiedebüt diese Linie bis ganz an den Anfang zurück, um sie dann anhand Schlingensiefs künstlerischem […]
[…] was war. Das sind im Kunstbetrieb natürlich die Surrealisten und ihre Vorläufer, angefangen bei Hieronymus Bosch über Salvador Dali, Max Ernst, Fernando Botero, Marcel Duchamp, Man Ray und Cy Twombly, aus den […]