Film

Verstecktes Glück

Basierend auf Oral-History-Aufzeichnungen hat der Chinese Ray Yeung einen berührenden Film über Homosexualität und Altern in Hongkong gedreht.

Jahrelang hat Pak Menschen mit seinem Taxi durch Hongkong gefahren, jetzt könnte er in den Ruhestand gehen. Doch Lust hat er keine, denn sein Gefährt ist die beste Erklärung, der Enge seiner Existenz zu entkommen. Entsprechend sorgsam pflegt er es jeden Tag, bevor er sich auf den Weg in den Trubel der Stadt macht, wo nicht nur potentielle Kundschaft wartet, sondern wo er auch seinen heimlichen Begierden nachgeht. Denn Pak liebt Männer, nur darf das niemand wissen. Seine Ehefrau scheint es zumindest zu ahnen. Die Ehe der beiden ist ganz offenkundig nur noch ein Zweckbündnis, an den mal besorgten, aber meist harten Blicken von Paks Frau Ching kann man dies ablesen. Ihre Kinder sind von der Bewältigung des Alltags viel zu gefordert, um zu registrieren, dass ihr Vater eine Scheinexistenz führt. Denn wenn er durch die Stadt streift, zieht es ihn zu den öffentlichen Toiletten, wo er auf eine schnelle Begegnung mit Gleichgesinnten hofft.

In der Nähe eines solchen Cruising-Hotspots trifft er auf den gleichaltrigen Hoi, der ebenfalls auf eine Begegnung hofft. Während Pak aber auf anonymen Sex aus ist, sucht Hoi eine tiefere Verbindung. Als sie sich ein zweites Mal begegnen, hinterlässt dies bei beiden Eindruck. Doch in Hongkongs überregulierter Gesellschaft ist für eine Liebe abseits der Norm kein Platz, schon eine abendliche Textnachricht bringt die Routinen im eingerichteten Dasein beider Männer ins Wanken. Erst in einem Badehaus mit einschlägigem Ruf finden beide die Gelegenheit, sich näher zu kommen. Die Szenen, in denen sich Pak und Hoi zärtlich begegnen, sind von enormer Sensibilität, auch weil Tai-Bo und Ben Yuen ihre Rollen mit großer Behutsamkeit ausfüllen. Kameramann Ming-Kai Leung versteht es zudem, auf Voyeurismus ganz zu verzichten und die Aufmerksamkeit auf Blicke und zärtliche Berührungen zu lenken. Unterstrichen wird dies von den ruhigen Klängen klassischer Musik.

Ray Yeung ist Filmemacher und LGBTIQ-Aktivist, das hat er auch schon in Filmen wie »Front Cover«, »Entwine« oder »Cut Seele Boys«. Persönliche Geschichten verbindet er mit Einblicken in die Lebenswelten von LGBTIQ-Menschen. Hier über die Hilfsgemeinschaft von in die Jahre gekommenen schwulen Männern, in der Hoi aktiv ist. Einige junge Aktivisten wollen mit ihnen gemeinsam die Lokalpolitiker dazu bewegen, ein Altenheim für schwule Männer zu gründen. In den Gruppentreffen, aber auch bei den lockeren Zusammenkünften in der Sauna erhält man vielfältige Eindrücke vom schwulen Leben in Hongkong, von der jahrelangen Diskriminierung sowie der Einsamkeit und Isolation der Männer im Alter.

Yeungs Kritik geht aber noch weiter, indem er in einer Episode erzählt, wie glücklich Hoi und Pak sein könnten, wenn sie die innere und äußere Freiheit hätten, ihre Liebe offen zu leben. Da sieht man die beiden Männer lachend über den Markt schlendern, gemeinsam kochen und essen und abends gemütlich auf dem Sofa sitzen. Doch diese Liebe hat hier keinen Platz. Diese auf traditionelle Familienstrukturen aufgebaute Gesellschaft lässt ihnen kein Raum, aber sie haben auch beide nicht den Mut, ihre Familien mit der Wahrheit zu konfrontieren. Lieber verstecken sie ihr Glück vor allen anderen und letztendlich auch vor sich selbst – was dann wiederum der gesamten LGBTIQ-Community auf die Füße fällt. Denn eine Gesellschaft, die sich vormacht, dass es homosexuelle Liebe nicht gibt, lässt Menschen, die diese Liebe empfinden, in Gänze im Stich.