Film

Wie krank ist der Mensch?

»Days« von Tsai Ming-Liang

Anong Houngheuangsy, Lee Kang-Sheng in »Days« von Tsai Ming-Liang | TWN 2019, Wettbewerb | © Homegreen Films

Vollkommen anders geht die taiwanesische Regieikone Tsai Ming-Liang vor. In seinem überwiegend dokumentarischen Beitrag »Days« beobachtet er in langen Einstellungen, wie Kang sein Leiden an den Halswirbeln behandeln lässt. Da keine der Behandlungsmethoden wirklich anschlägt, sucht er Ablenkung von seinen Schmerzen. In einem Hotel in Bangkok lässt er sich von Non, einem laotischen Arbeitsmigranten, massieren. Die Massage wird zu einem erotischen Fest der Berührung.

Dieser langsam erzählte Film ist eine Mediation über den Menschen in der Moderne, über Schmerz und Einsamkeit, Jugend und Alter, Energie und Müdigkeit. Nahezu dialogfrei überlässt Ming-Liang die Erzählung den Bildern und der Sprache, die aus ihnen spricht. Darüber liegt eine flirrende Tonspur, die die Natur wie auch das urbane Leben einfängt. Die Universalität des Lebens zieht mit der Beobachtung dieser beiden Männer vor dem Auge des Betrachters vorbei und erhält eine ebenso schmerzhafte, wie erlösende Konkretisierung.

Geht man nach Abel Ferrara, dann wohnt das Kranke dem Menschen inne, tobt dort und bricht aus, wenn er sich am wenigsten wehren kann. Tsai Ming-Liang sieht in der Krankheit einen Weg, den es zu beschreiten gilt. Wohin er führt, bleibt dabei unklar. Sally Potter und das Schweizer Duo Stéphanie Chuat und Véronique Reymond setzen diesen Perspektiven die Liebe entgegen, die von außen Halt gibt. Diese Liebe kann den kranken Mensch vielleicht nicht heilen, aber sie kann ihm seine Würde und damit als Mensch bewahren.

2 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.