Allgemein, Film

Heimkinogold

Das Kinojahr 2020 war geprägt von Schließungen, viele Filme liefen gar nicht oder nur kurz auf der großen Leinwand. Wer sicher gehen wollte, blieb im Heimkino. Das wird auch für Anfang 2021 gelten. Wir haben unser zwölf Heimkino-Favoriten aus dem zu Ende gehenden Jahr versammelt, die auch als Geschenk unter dem Baum einen guten Eindruck machen.

Monster

Es sind stets Monster, die durch die Filme des koreanischen Starregisseurs Bong Joon-Ho toben. Seit seinem Oscar-Erfolg mit »Parasite« – den es längst auch auf Blu-ray/DVD gibt – wird sein Werk fürs Heimkino erschlossen. Eine Box versammelt gleich drei Meisterwerke von ihm. In seinem SciFi-Drama »Snowpiercer« ist der Zug, der durch eine postapokalyptische Eislandschaft gleitet, das Monster. In dessen Bauch drängt der Pöbel aus den hinteren Zugteilen an die Spitze, wo Tilda Swinton als eiskalte Ministerin regiert. Politische Willkür spiegelt sich auch in dem monströsen Polizeiapparat, gegen den die Mutter eines Mordverdächtigen in dem Psychothriller »Mother« sowie die beiden Ermittler in seinem ersten großen Leinwanderfolg »Memories of Murder« zu Felde ziehen. In dem Kultfilm »The Host« – sein internationaler Durchbruch – treibt gar ein richtiges Biest sein Unwesen. Mit Ausnahme der fantastischen Parabel »Okja« (auf Netflix) machen diese Filme deutlich, wie der Südkoreaner zu seinen Oscar-prämierten »Parasiten« gekommen ist. Den Film gibt es im edlen Media-Book mit zahlreichen Extras. Einziges Manko: die zeitlose Schwarz-Weiß-Version, die nur kurz in den Kinos lief und »Parasite« auch visuell zu einem Klassiker macht, fehlt.

Deutscher

Berlin Alexanderplatz. Regie: Burhan Qurbani. Mit Welket Bungué, Albrecht Schuch, Jella Haase, Joachim Król. 183 Minuten

Eine rote Signalrakete ist der verzweifelte Hilferuf, den Francis noch in den dunklen Himmel über dem Mittelmeer schickt, bevor er mit seiner Frau untergeht. Irgendwie wird er es ans rettende Ufer schaffen, allein. Er nimmt sich selbst das Versprechen ab, »gut zu sein« und seine zweite Chance zu nutzen. Diese bietet sich ihm im Berlin dieser Tage, wo er erst den Verführungen des teuflischen Reinhold und des Unterweltkönigs Pumps erliegt, und dann seine Wunden in den Armen von Eva leckt. In Ihrem Klub kommt »Die Neue Welt« zusammen, in der Herkunft, Gender und Geisteshaltung keine Rolle spielen. Von ihr geht Francis Reise weiter zu Mieze, einem Escort-Girl, mit der er neu anfangen will. Aber das lässt Reinhold nicht zu. Er verwickelt ihn in neue Machenschaften, macht ihn zu seinem Drogenbaron in der Hasenheide und rechter Hand. Doch Francis zieht es zu Mieze, er ist bereit alles aufzugeben und hat doch nicht mit der Antwort gerechnet, die die Stadt, durch die er strauchelt, für ihn bereit hält. Burhan Qurbanis grandios besetzte Verfilmung von Döblins »Berlin Alexanderplatz« leuchtet die Stadt magisch-realistisch aus, ist bunt, laut und schrill, aber auch düster und gefährlich. Der Film hat den Punch, der einen auf die Bretter befördert. Erst ist man benebelt. Dann schüttelt man sich. Und schließlich sieht man die Welt mit anderen Augen.

Hier meine ausführliche Kritik.

Freak

Joker. Regie: Todd Phillips. Mit Joaquin Phoenix, Robert de Niro. 122 Minuten.

Arthur Fleck ist ein gescheiterter Comedian, dessen einziges Ziel es ist, durch den Tag zu kommen. Konfrontiert mit dem eigenen Versagen, gejagt von den inneren Dämonen und verachtet von der Gesellschaft, die ihn umgibt, gleitet er ab in eine Welt aus Genie und Wahnsinn. Als Joker setzt er zum Rachefeldzug gegen die Welt an, die ihn zuvor mit Füßen getreten hat. Joaquin Phoenix brilliert als traurig-wütende Witzfigur, die nichts mehr (auf)hält, weder im innen noch im außen. Bei fast jeder Szene in diesem Meisterwerk kann man sich fragen, ob man da gerade das Genie oder den Wahnsinn am Werk sieht. Ist sein trippelnder Schritt schon ein Tanz oder noch geistesabwesendes Torkeln? Ist das Grinsen aufgesetzte Miene oder Mensch gewordene Maskerade? Und ist das keckernde Lachen des wütenden Antihelden Ausdruck von Verzweiflung oder Wahnsinn? Man kann sich all diese und viele weitere Fragen stellen, wenn man diesen Film, der an zahlreichen Stellen kluge Brücken zum übrigen Batman-Filmuniversum schafft – wieder und wieder und wieder sieht und zwischen Faszination und Abscheu hin und her geworfen wird.

Slacker

The King of Staten Island. Regie: Judd Apatow. Mit Marisa Tomei, Steve Buscemi, Pete Davidson, Bill Burr. 136 Minuten.

Als Scott sieben Jahre alt ist, stirbt sein Vater als Feuerwehrmann beim Einsatz am brennenden World Trade Center. Seither hat er kaum etwas auf die Reihe bekommen. Mit Mitte 20 wohnt er immer noch bei seiner Mutter und träumt davon, als Tattoo-König von Staten Island durchzustarten. Doch statt Bilder in andere Leute Haut zu stechen, dröhnt er sich mit seinen Kumpels den Kopf zu und hält an den Erinnerungen an seine Kindheit fest. Doch mit dem Tagträumen ist es vorbei, als seine Mutter ihren Liebhaber Ray anschleppt, ebenfalls ein Feuerwehrmann, der Scotts Slacker-Dasein nicht nur lautstark durch den Kakao zieht, sondern auch dessen Vater von dem Sockel stößt, auf den ihn der Sohn gestellt hat. Judd Apatow erzählt eine tragikomische Coming-of-Age-Geschichte, die sich an der Biografie des Comedians Pete Davidson – der auch einen kleinen Cameo-Auftritt bekommt – orientiert. Die muss man aber nicht kennen, um der Geschichte dieses traurigen Königs in seinem kleinen Reich in den Schluchten Manhattans zu folgen. »The King of Staten Island« ist einer dieser Filme, in deren Komik die Erlösung für das Drama das Alltags liegt, von der er in aller Tiefe und Wehmut erzählt.

Kämpfer

Sorry, we missed you. Regie: Ken Loach. Mit Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Katie Proctor. 97 Minuten.

Ken Loach, das soziale Gewissen der britischen Filmszene, hat nach seinem umwerfenden Porträt eines arbeitsunfähigen britischen Handwerkes (»Me, Daniel Blake«) mit »Sorry, we missed you« die Branche der Kurierdienste in den Blick genommen. Sein aktueller Film ist der schonungslose Bericht aus dem System heraus. Ricky hält sich nur mit Gelegenheitsjobs über Wasser, bis ihm ein Freund sagt, er könne sich als Kurierfahrer selbstständig machen. Endlich eigene Entscheidungen, was für eine Aussicht. Rick verkauft das Auto seiner Frau, besorgt sich einen Lieferwagen und wird Teil der Sklavenarmee von UPS, Amazon und Co. Denn statt mehr Selbstbestimmung über seinen Tag liefert er sich den Zielvorgaben und Lieferzeiten aus, wird mit Haut und Haaren von einem System verschlungen, dessen einziges Interesse in der Steigerung der Effizienz besteht. Das wirkt sich natürlich auch auf Ricks Frau Abby und ihre beiden gemeinsamen Söhne aus. Doch Ricky kämpft – um seine Existenz, die seiner Familie und nicht zuletzt um seine Würde. Loach gelingt es einmal mehr, die abgründigen Folgen des Thatcher-Kapitalismus fest- und seiner Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.

Lügner

The Farewell. Regie: Lulu Wang. Mit Awkwafina, Zhao Shuzhen. 96 Minuten.

Wer belügt hier eigentlich wen? Diese Frage kann man in Lulu Wangs »The Farewell« durchaus stellen, denn dass sich die rüstige Nai Nai von irgendwem etwas vormachen lässt, kann man sich kaum vorstellen. Zu Beginn des Films erfahren die Zuschauer aber, dass sie Krebs hat, dass ihre Familie entscheidet, ihr diese Information vorzuenthalten und dass ihre Enkelin Billie unter dem Vorwand einer Spontan-Hochzeit noch einmal nach Hause kommen soll. Billie, gespielt von der amerikanischen Rapperin Awkwafina, lebt mit ihren Eltern in den USA, seit sie sechs Jahre alt ist, zu Nai Nai verbindet seit ein inniges Verhältnis, dass auf den gemeinsamen Erfahrungen während der Familienurlaube basiert. Die Großfamilie kommt also zusammen und bereitet die Fake-Hochzeit von Billies Cousin und seiner japanischen Freundin vor. Lulu Wang entfaltet vor diesem Hintergrund in aller Anmut den Wahnsinn namens Familienleben, mit allen Erinnerungen, Anekdoten, Auseinandersetzungen und stillen Momenten. Screwball-Komödie trifft auf Lebensweisheit, lautet das Grundrezept dieser berührenden, komischen und zutiefst wahrhaftigen sino-amerikanischen Familiengeschichte, die eines der Indie-Highlights des Jahres darstellt.

Komiker

Charlie Chaplin: Complete Collection. Regie: Charlie Chaplin. Mit Charlie Chaplin, Claire Bloom, Edna Purviance, Ben Turpin, Paulette Goddard, Maxine Audley u.v.a. 1.108 Minuten

Ausgebeulte Hose, enges Jackett, riesige Schuhe, Spazierstock (zugleich Taktstock und Prügel), Schnurrbart und Melone – so kennt man ihn, den Tramp, mit dem Charlie Chaplin Filmgeschichte schrieb. In unverwechselbarer Manier hat diese allzu menschliche Figur ein Millionenpublikum zum Lachen gebracht, weil sie ständig mit Autoritäten in Konflikt gerät, Polizisten narrt, Monarchen in den Hintern tritt oder dem Großkapital den Spiegel vorhält. Dabei erzählen Chaplins Filme eher Dramen als Komödien. Eine Box versammelt nun erstmals sein filmisches Gesamtwerk. Die frühen Kurzfilme wie der Kassenschlager »Gewehr über!« oder die Klassenstudie »Die feinen Leute« sind darin ebenso enthalten wie sein Langfilmdebüt »Der Vagabund und das Kind« oder die Komödie »Der Zirkus«. Man kann aber auch nachvollziehen, wie die Revolution des Tonkinos den Filmemacher und Schauspieler herausforderte. »Lichter der Großstadt« und »Modern Times« kamen als Stummfilme in die Kinos, als der Ton schon längst keine Neuheit mehr war. Mit »Der große Diktator« kommentierte er dann genial satirisch den europäischen Faschismus, in »Monsieur Verdoux« den ausbeuterischen Kapitalismus und als »König in New York« rechnete er mit der McCarthy-Ära ab. Mit Witz, Mut und Schlagfertigkeit stellte Charlie Chaplin die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit auf den Kopf. Wie genau, lässt diese Werkausgabe nachvollziehen.

Hier meine ausführliche Kritik.

Teufelsanbeter

Midsommar. Regie: Ari Aster. Mit Florence Pugh, Jack Reynor, Liv Mjönnes. 147 Minuten.

Wer will ihn nicht machen, den erleuchtenden Trip in die Fremde, bei dem man sich selbst und die Welt mit anderen Augen sieht und neu kennenlernt. Für Dani ist diese Aussicht so etwas wie die letzte Hoffnung, nach ihre psychisch kranke Schwester sich selbst und ihre Eltern in den Tod gerissen hat. Gemeinsam mit ihrem Freund Christian und dessen Kumpels Josh und Mark reist sie in die schwedische Provinz, um an den Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende teilzunehmen. Doch diese verlaufen anders, als die jungen Leute erwartet haben. Sie werden Zeuge eines verstörenden heidnischen Kults, bei dem sich die Dorfältesten von einer Klippe in den Tod stürzen. Ari Aster zeigt in seinem zweiten Langfilm, dass es für Horror weder düsteren Keller noch rasselnde Kettensägen braucht. Es reichen ein paar traditionelle Gewänder und seltsame Rituale, die sich einer rationalen Erklärung entziehen. In der schönsten schwedischen Provinz hat er unter strahlender Sonne ein packendes Drama gedreht, das wie ein schlechter Ayahuasca-Trip funktioniert. Irgendwo zwischen Halluzination und Wirklichkeit spielt sich das ab, was Dani – übrigens großartig gespielt von Florence Pugh – und ihren Mitreisenden da widerfährt. Mit kraftvollen Bildern und bestechendem Score erzählt Aster in »Midsommar« eine unter die Haut gehende Nordic-Story, die sich auch im Directors Cut lohnt.

Cineast

The pervert’s guide to cinema. Regie: Sophie Fiennes. Mit Slavoj Žižek. 150 Minuten

Ein verfilmtes Filmlexikon? Nein, aber sicherlich einer der interessantesten Einblicke, den man in den Kopf eines leidenschaftlichen Cineasten bekommen kann. Zweieinhalb Stunden lang philosophiert Slavoj Žižek im jeweiligen Filmset über Schlüsselszenen aus vierzig Filmklassikern und sinniert über die Bedeutung hinter dem Offensichtlichen, dem Bild. Er geht dem Vater-Sohn-Komplex zwischen Darth Vader und Luke Skywalker auf den Grund, interessiert sich für das Doppelgänger-Motiv in Hitchcocks »Vertigo« oder den Gedankenspielen von Tom Cruise als Bill Harford in Stanley Kubricks »Eyes Wide Shut«, der versucht, die erotischen Fantasien seiner Frau nachzuempfinden und am Ende dann doch nur das Abziehbild männlicher Wünsche kreiert. Keiner von Žižeks Gedanken ist belegt und doch will man ihm in fast allen Punkten zustimmen. Sophie Fiennes hält den unterhaltsamen und punkigen Denksport des leidenschaftlichen Kinogängers mit ihrer Kamera im jeweiligen Ambiente fest, eine schöne Idee. Als Cineast darf man sich »The Pervert’s Guide to Cinema« nicht entgehen lassen.

Helden

Chernobyl. Regie: Johan Renck. Mit Stellan Skarsgård, Jared Harris, Jessie Buckley. 312 Minuten.

Grünlicher Staub rieselt von der Decke des Kontrollzentrums, als in der Nacht vom 26. April 1986 Reaktor Nummer 4 im Kernkraftwerk Wladimir I. Lenin explodiert ist. Stille herrscht, in Märchen würde man wohl von schockschwerer Not sprechen. Das bedrohliche Sägen eines Cellos legt sich über die Bilder, die Apokalypse kündigt sich an. Die filmische Aufarbeitung des Unfalls im Atomkraftwerk Chernobyl von »Breaking Bad«-Macher Johan Renck wird ganz bewusst als Endzeit-Erzählung gehalten, denn tatsächlich stand die Welt 1986 mehrmals am Rand eines Untergangs. Dass es nicht noch schlimmer kam, haben wenige Verantwortungsträger und viele Soldaten verhindert, denen diese Serie gewidmet ist. Ihren Erlebnissen folgt die Serie und verbindet sie mit der großen politischen Erzählung. Im Zentrum stehen der sowjetisch Innenminister Boris Shcherbina, Valery Legasov, der damals führende Kernphysiker des Landes, sowie die Ehefrau eines Feuerwehrmannes, der den brennenden Reaktor löschen sollte. Was ist der Preis der Wahrheit? Diese Frage steht am Anfang von Rencks Serie, die damit beginnt, wie Valery Legasov seine Beobachtungen und Erkenntnisse der Ereignisse in Chernobyl auf Tonbänder spricht. Am Ende seiner Aufnahmen, die in der Sowjetunion unter Wissenschaftlern kursierten, fragt er nicht mehr nach dem Preis der Wahrheit, sondern dem der Lüge. Johan Rencks fiktionale Verarbeitung der Ereignisse bringt uns der Wahrheit von Chernobyl ein ziemliches Stück näher.

Hier meine ausführliche Kritik.

Zerstörer

Die Epoche des Menschen. Regie: Jennifer Baichwal, Nick de Pencier, Edward Burtynsky. Mit der Stimme von Hannes Jaenicke. 87 Minuten.

Jahrelang sind Jennifer Baichwal, Nick de Pencier und Edward Burtynsky mit ihrer Kamera losgezogen und haben festgehalten, wie sich der Mensch die Erde Untertan macht. Der Eingriff des Menschen in die Natur hat ein nicht mehr zu erfassendes Ausmaß angenommen. Experten sprechen längst vom sechsten Sterben, weil das vom Menschen verursachte Massensterben mehr Arten auslöschen wird als die fünf natürlichen »Faunenwechsel« zuvor. Wie massiv der Mensch die Erde nach seinen Bedürfnissen umgestaltet, zeigt dieser Dokumentarfilm auf erschütternde Weise. Da sind die gigantischen Verdunstungsbecken zur Lithiumgewinnung in der Atacama-Wüste, die massiven Küstenschutzelemente, die das chinesische Festland vor dem steigenden Meeresspiegel schützen sollen, die gigantischen Höhlen in den Kalibergwerken Russlands, das zerstörerische Pumpen der texanischen Erdölraffinerien oder die in die Höhe schlagenden Flammen, die in Nairobi aus dem in Brand gesteckten Elfenbein steigen. Nach den Filmen »Manufactured Landscapes« und »Watermark« ist »Die Epoche des Menschen« der abschließende Teil ihrer eindrucksvollen Trilogie darüber, wie der Mensch Naturgeschichte schreibt.

Hier meine ausführliche Kritik.

Überlebende

For Sama. Regie: Waad Al-Khateab, Edward Watts. 95 Minuten.

Als Hamza sein Medizinstudium abschließt, bricht in Syrien der Bürgerkrieg aus. Mit Freunden ruft er in Aleppo eine freie Klinik ins Leben, offen für alle, die medizinische Hilfe brauchen. Die junge Journalistin Waad – mit der Hamza später eine Familie gründet – dokumentiert den Klinikalltag mit ihrer Kamera. Mit ihrer Handkamera hält sie fest, wie Aleppo immer tiefer im Krieg versinkt, wie die Bombeneinschläge näher rücken und die Zahl der Notoperationen steigt. Ihre unzensierten Bilder führen von den Protesten an der Universität Aleppo über die Massaker an der Zivilbevölkerung durch Assads Schergen und die Befreiung der Stadt durch die selbst ernannten Rebellen bis hin zur brutalen Rückeroberung durch die von Russlands Bombern unterstützten Regierungstruppen. Das Ausmaß der materiellen Zerstörung fängt Waad Al-Khateab mit einer Kameradrohne ein. Neben diese Ruinenpanoramen stellt sie Bilder, die zeigen, was der Krieg an und in den Menschen anrichtet. Es sind explizite Bilder des Grauens, voller Angst, Schmerz und Tod, die sie in der Klinik aufnimmt. »For Sama« hält die Wirklichkeit des Krieges, den Diktator Assad gegen sein Volk führt, in schonungslosen Bildern fest. In Cannes als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet, stellt er eine Hinterlassenschaft dar. Er soll Hamzas und Waads Tochter erklären, warum sie im Krieg aufwachsen musste. »Es geht nicht um den Platz, sondern um all die Menschen«, sagt Hamza tränenerstickt am Ende, als er nach Jahren des Kampfes die Klinik schließen und Aleppo verlassen muss. Diesen Menschen setzt diese überwältigende Dokumentation ein Denkmal.

Hier meine ausführliche Kritik.

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