Film, Fotografie

Vom Wüten des Menschen

Jahrelang sind Jennifer Baichwal, Nick de Pencier und Edward Burtynsky mit ihrer Kamera losgezogen und haben festgehalten. wie sich der Mensch die Erde Untertan macht. Mit »Die Epoche des Menschen« haben sie ihre eindrucksvolle Anthropozän-Trilogie beendet und ihr umfassendes Projekt abgeschlossen.

Hoch schlagen die Flammen aus den aufgeschichteten Haufen nach allen Seiten aus. Nicht Holz oder Kohle brennen im Nairobi National Park vor den Linsen von dutzenden Kameras, sondern beschlagnahmtes Elfenbein im Wert 150 Millionen Dollar. Mit dieser Aktion will die kenianische Regierung zeigen, dass daraus kein Geschäft mehr zu machen ist.

Der Eingriff des Menschen in die Natur hat ein nicht mehr zu erfassendes Ausmaß angenommen. Experten sprechen längst vom sechsten Sterben, weil das vom Menschen verursachte Massensterben mehr Arten auslöschen wird als die fünf natürlichen »Faunenwechsel« zuvor. Wie massiv der Mensch die Erde nach seinen Bedürfnissen umgestaltet, zeigt der Dokumentarfilm »Die Epoche des Menschen« auf erschütternde Weise.

Nach den Filmen »Manufactured Landscapes« und »Watermark« ist dies der abschließende Teil einer Trilogie darüber, wie der Mensch Naturgeschichte schreibt. Für ihr multimediales Projekt aus Filmen, Online-Dokumentationen, Ausstellung und Buch haben die Dokumentarfilmer Jennifer Baichwal und Nick de Pencier mit dem renommierten Fotografen Edward Burtynsky in den vergangenen Jahren immer wieder die Welt bereist, um die Unterwerfung der Natur durch den Menschen in überwältigenden Bildern einzufangen.

In der Atacama-Wüste haben sie die Lithium-Gewinnung in gigantischen Verdunstungsbecken eingefangen, in British Columbia die Abholzung des kanadischen Primärwaldes gefilmt, in China das Eingreifen in die Natur durch gigantische Dammbauprojekte festgehalten, im Great Barrier Reef führen sie das fortschreitende Korrallensterben vor Augen. In Russland haben sie die Folgen des massenhaften Abbaus von Kali beobachtet, in Florida das Wüten des Menschen in einem gigantischen Phosphatbergwerk, in Texas das zerstörerische Pumpen der Erdölraffinerien.

Im Steidl-Verlag ist das phänomenale Buch zum Anthropozän-Projekt erschienen. Es dokumentiert in ebenso schönen wie verstörenden Bildern die Zerstörung der Erde durch den Menschen auf geologischer Ebene. Begleitet werden diese Bilder von Gedichten von Margaret Atwood, die eigens für dieses Projekt entstanden sind. Zudem liefert der Band künstlerische und wissenschaftliche Positionen zur Zerstörung des Planeten durch den Menschen.

An zahlreichen Beispielen zeigen Sie, wie der Mensch die Erdoberfläche nach menschlichen Bedürfnissen nachhaltig verändert. Dieses sogenannte »Terraforming« hatte zuletzt der Österreicher Nikolaus Geyrhalter vor Augen geführt, sein Film »Erde« zeigt eindrucksvoll, wie der Mensch an sieben Orten die Erdoberfläche Gewalt umgestaltet. Die Dimensionen, die er da aufzeigt, sind gigantisch, seine Bilder machen deutlich, dass der Menschheit die Relationen abhanden gekommen ist. Da werden ganze Berge versetzt, untergraben, abgetragen. Der Film beobachtet still das Wüten der Maschinen und befragt Bauarbeiter nach ihrem Tun. Viele äußern sich skeptisch, sind sich der fatalen Folgen ihres Tuns bewusst. Nicht zuletzt sägen sie ja auch an dem Ast, auf dem sie sitzen. Es gibt aber auch jene, die ihr Tun mit einem fast größenwahnsinnigen Stolz erfüllt. Einer von jenen sagt: »There is always a bigger machine, a bigger engine and when all fails there is dynamite. We always win.«

Von Gewinnen kann man natürlich nicht sprechen, es ist eher so, dass der Mensch von Tag zu Tag mehr verliert. Der Verdienst der Trilogie von Baichwal, de Pencier und Burtynsky liegt darin, dass sie alles andere als ein nüchterne Dokumentarfilme gedreht haben. Sie schaffen es, menschliche Emotionen zu wecken durch eine Kluge Komposition aus Bild und Sound. In »Die Epoche des Menschen« montieren sie etwa den Raubbau im berühmten Marmorbergwerk von Carrara zu einer Sinfonie des Kampfes von Mensch und Maschine gegen die Natur. Man hat das Gefühl, einem absurden Schauspiel beizuwohnen, nur dass das hier alles echt ist.

Das gilt auch für andere Handlungsorte ihres Films. In Lagos zeigen Sie die fatalen Folgen des ungebremsten Wachstums der Metropole von 200.000 auf 20 Millionen Einwohner innerhalb von zwei Generationen vor Augen. Es ist eine Stadt, die im wahrsten Sinne des Wortes auf Müll gebaut ist. Von Fachleuten werden die menschgemachten Rückstände als »Technofossilien« bezeichnet, aktuell sind es geschätzt 30 Milliarden Tonnen. Die russische Industriestadt Norilsk gilt als der giftigste Ort der Welt. Verursacher ist die größte Buntmetall-Mine der Welt, in der tausende Menschen an der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage arbeiten.

Die Epoche des Menschen. Regie: Jennifer Baichwal, Nick de Pencier, Edward Burtynsky. 87 Minuten. Happy Entertainment. Hier bestellen

Ihre Bilder – entstanden unter Tage, aus der Luft oder unter Wasser – lassen sie meist für sich sprechen, um die Gigantomanie des menschlichen Wirkens auf die Leinwand zu bekommen. Es sind atemberaubende und absurd faszinierende Aufnahmen, hinter denen sich eine umso dunklere Wahrheit verbirgt, die in kurzen wissenschaftlichen Kommentaren – in der deutschen Fassung gesprochen von Hannes Jaenicke, in der englischen Originalfassung (die die DVD enthält) gesprochen von der schwedischen Schauspielerin Alicia Vikander – offengelegt wird.

»Wir sind die Menschen, und Menschen die die Wilderer«, sagt einer der Ranger im Nairobi National Park. Dieser Film holt ins Bewusstsein, dass wir alle in die Plünderung des Planeten verwickelt sind und die Systeme aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Dass jede:r von uns das anerkennt und sich bewusst macht, dass nur die Menschheit etwas an diesem außer Kontrolle geratenen Zustand ändern kann, wäre der Anfang eines längst überfälligen Wandels.

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