Film, Literatur, Roman

Tourismus in die eigene Jugend

Über zwanzig Jahre, nachdem Danny Boyle seine neuen schottischen Helden durch den Drogensumpf von Edinburgh begleitet hat, gibt es nun ein Wiedersehen. Es lebe der Punkrock!

Renton, Spud, Francis Begbie und Simon alias Sick Boy – Freunden des britischen Kinos haben sich diese vier Namen in die Hirnwindungen gebrannt, denn es waren die neuen Helden in Danny Boyles Kultfilm Trainspotting, in dem er den Niedergang der schottischen Arbeiterklasse mit dem existenziellen Lebensgefühl der Neunziger verband. 1996 verfilmte Boyle Irvine Welshs gleichnamigen Roman, in dessen Mittelpunkt eine Heroinbande steht, die in Edinburgh die Straßen unsicher macht. Der Film zeichnet ein satirisches Bild der britischen Gesellschaft und wirft die radikalen Helden mitten hinein in einen Sumpf aus Drogenkonsum, Gewalt, Kriminalität, Tod und Punkrock. Dass die vier, gespielt von Ewan McGregor, Ewen Bremer, Johnny Lee Miller und Robert Carlyle, die zwanzig Jahre seit ihrem ersten Bühnenauftritt überlebt haben, ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Mit T2 bekommen sie nun einen zweiten Auftritt, nachdem sie 1996 im Verrat auseinandergegangen sind. Damals hatte sich Renton mit dem Geld eines Heroindeals aus dem Staub gemacht und nur Spud seinen Anteil überlassen. Denn »Freunde waren nur eine weitere Sorte von Opfer«, wie er später im Film erklärt. Jetzt kehrt er in eine Welt zurück, in der sich zwar viel verändert hat, seine Freunde aber immer noch keinen Fuß in die Tür dieser Gesellschaft bekommen haben. Frank Begbie sitzt im Knast, Simon schnieft sich die Nasenscheidewand weg und Spud hat sich ans Heroin verkauft. Letzteren hindert Renton geradeso daran, sich aus dem Leben zu schießen, mit entsprechend offenen Armen wird er empfangen.

© Sony Pictures Releasing GmbH
© Sony Pictures Releasing GmbH

Das ist bei Sick Boy schon anders, der Renton erst einmal ordentlich verprügelt, bevor er beschließt, ihn zum Partner zu machen, um ihn dann ebenfalls einmal richtig fallen zu lassen. Da kommt es ihm entgegen (wenngleich es ihm nicht gefällt), dass Renton nur Augen für Simons bulgarische »Freundin« Veronika (Anjela Nedyalkova)  hat. Frank bleibt erst einmal außen vor, er will sich als Langfinger mit seinem Sohn »selbständig« machen, doch Klein-Fergus ist groß geworden und will lieber Hotelmanagement studieren. Als Frank erfährt, dass Renton zurück ist, schmiedet er einen Racheplan, der die Handlung wesentlich vorantreiben wird.

Boyles unterhaltsam-chaotischer Fortsetzungsfilm ist wie Tourismus in die eigene Jugend, sowohl für die Protagonisten als auch für Fans. Aber keine Sorge, all jene, die den Kultfilm damals und seither nicht gesehen haben, können problemlos der Handlung in T2 folgen. Rückblenden und Erinnerungsfetzen dienen als Anschluss zum Vorgängerfilm und geben Neulingen das notwendige Grundlagenwissen.

© Sony Pictures Releasing GmbH
© Sony Pictures Releasing GmbH

Das erneute Scheitern der Figuren an der globalisierten Gegenwart reinszeniert sie in ihrer vormaligen Rolle als neue, aber eben auch tragische Helden. Renton ist hier ein aussortierter Fließbandarbeiter, Sick Boy ein Möchtegern-Lude ohne Peilung, Spud ein heroinabhängiger Vater, der seine Familie in den Wind geschossen hat und Begbie die Retroversion eines Einbrechers. Mit dem Zeitgeist kann keiner von ihnen mithalten, wilde Pläne fassen sie dennoch. Dabei schlüpft die alte Besetzung problemlos in die Rollen der gealterten Punkrocker, die immer noch nicht richtig wahrhaben wollen, dass ihnen die Welt etwas anhaben kann. »Die Welt verändert sich, auch wenn wir es nicht tun«, heißt es an einer Stelle knapp.

Motiviert von Veronika sitzt Spud zu Beginn des zweiten rasanten Teils von T2 in seinem Kämmerlein und schreibt die alten Geschichten von 1996 auf. In seinen Erzählungen entdeckt Begbie erst den Verrat, den Renton an ihm begangen hat. Währenddessen beantragen Simon und Renton bei der EU Fördermittel für ein angebliches Kulturzentrum. Erfolgreich, wie sich herausstellen wird, und Ausgangspunkt einer nicht zu erwartenden Wendung des Filmes am Schluss. Denn »erst gibt es die Gelegenheit, dann kommt es zum Verrat.«

1 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.