Der erst 29-jährige Regisseur Emir Baigazin aus Kasachstan stellt auf der Berlinale mit »Harmony Lessons« eine außergewöhnlich feinfühlige, und zugleich brachiale Gesellschaftsstudie seiner Heimat vor.
Baigazin erzählt in seinem Wettbewerbsbeitrag von der allgegenwärtigen Gewalt in der kasachischen Gesellschaft, die er an verschiedenen Schauplätzen vorführt. Den Auftakt bildet das Schlachten eines Schafes durch den 13-jährigen Aslan (Timur Aidarbekov), nachdem dieser das Tier erst über den verschneiten Hof vor der Kulisse der zentralasiatischen Gebirgslandschaft jagen musste. Mensch regiert Tier!
Dieses Bild dreht sich aber bald. Schon der englische Staatsphilosoph Thomas Hobbes wusste, dass der Mensch des Menschen Wolf ist. Baigazin führt uns in seinem Film vor, was dies im Kasachstan der Gegenwart heißt. An Aslans Schule herrscht ein Terrorregime, kontrolliert von dem Kindertyrannen Bolat, der nach unten tritt, um nach oben zu dienen. Er geht dabei äußerst brutal vor und erpresst, droht und prügelt gemeinsam mit seinen Lakaien die anderen Schüler.
Für Aslan hat er nur Verachtung übrig, so dass dieser besonders unter diesem Zwangssystem zu leiden hat. Der physikbegeisterte Aslan wiederum lebt seine Machtfantasien zuhause aus, wo er Kakerlaken auf selbstgebastelten elektrischen Stühlen quält und die vom Strom gelähmten Tiere anschließend an seine Leguane verfüttert. Kakerlaken und Leguane gehören übrigens zu den wenigen Tieren, die jede menschengemachte Katastrophe überleben würden.
Als mit Mirsain ein neuer Schüler aus der Stadt in die Schule kommt und die dort herrschenden Machtverhältnisse infrage stellt, beginnt sich auch Aslan gegen das Schulregime zu wehren. Eines Tages wird Bolat tot aufgefunden, Aslan und Mirsain geraten unter Verdacht und in den repressiven Polizeiapparat des zentralasiatischen Staates, der mit allen Mitteln ein Geständnis aus den zwei minderjährigen Schülern herausholen will. So führt Baigazin die unmenschlichen Methoden des autoritären kasachischen Regimes vor Augen, in dem sich Hobbes Weisheit immer wieder bestätigt. In ruhigen und aufgeräumten Weitwinkelaufnahmen erzählt Kameramann Aziz Zhambakiyev diese erschlagende Geschichte, kontrastiert die diktatorische Ordnung mit aufgeräumten Bildern.
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